Wie einst Kinder arbeitstätiger Eltern ihr Diktat mit dem Kassettenrekorder selbst aufgenommen haben, zeichnen auch Sprachnachrichtensprecher Texte auf, allerdings mit dem Smartphone. Mit der Aufnahme üben sie sich anschliessend aber nicht in Rechtschreibung, vielmehr verschicken sie die vertonten Botschaften über Whatsapp. Zwar folgt in den meisten Fällen eine Antwort, doch ein Dialog, der diesen Namen auch verdient hätte, entsteht nicht; höchstens eine Abfolge von Monologen. Denn bei einer Nachricht von über sieben Minuten können sich die wenigsten merken, welche Frage der Kollege bei Minute 2:47 oder 4:55 gestellt hat.Man kann es erahnen, ich bin kein Fan von Sprachnachrichten. Das hat einen Grund: Es gibt keine unsozialere Kommunikationsform, als den Gesprächspartner mit Audiomüll einzudecken. Sprachnachrichten sind die Ausgeburt des Egoismus: Wer sie verschickt, outet sich nicht nur als schreibfaul, er oder sie gewichtet die eigene Zeitersparnis durch das rasche mündliche Herunterspulen sogar stärker als den Zeitverlust und den Ärger, die dem Empfänger dadurch entstehen. Denn wer hat schon Zeit und Lust, sich in Büro oder Bahn einen Fünf-Minuten-Roman anzuhören, geschweige denn, eine Antwort aufzunehmen? Glücklicherweise sind Trends kurzlebig und alte kommen wieder in Mode. Wer also nächstes Mal kurz davor ist, das Mikrofon zu aktivieren, könnte in Erwägung ziehen, auf die Tastatur auszuweichen – oder, ganz oldschool, einfach anzurufen.