Region 14.04.2021

Forscher baggern für Rhesi

Im Auftrag der Rheinregulierung wird untersucht, wie sich Veränderungen an der Sohle aufs Grundwasser auswirken.

Von Max Tinner
aktualisiert am 09.11.2022

Im Rhein ob der Grenzbrücke Kriessern – Mäder schwimmt seit Dienstag eine grosse Arbeitsplattform mit einem Bagger. Ingenieure und Forscher führen hier verschiedene Versuche für die Internationale Rheinregulierung durch. Die Untersuche werden in Zusammenhang mit dem Hochwasserschutzprojekt Rhesi gemacht. Ein so genannter Dekolmationsversuch soll zeigen, wie sich Veränderungen an der Flusssohle aufs Grundwasser auswirken. Kolmation bedeutet so viel wie Auflandung. Der Rhein führt laufend Geschiebe unterschiedlicher Korngrössen mit, das sich an der Sohle ablagert, aber teils auch wieder mitgerissen wird: Kies, Sand, Schluff … Gewisse Mengen Flusswasser sickern derweil kontinuierlich durch die abgelagerten Schichten ins Grundwasser, allerdings umso weniger, je dichter der Kies mit Feinmaterial verkittet ist. Fachleute sprechen dann von starker innerer Kolmation.

Dekolmation ist der umgekehrte Vorgang, das Auswaschen der Feinanteile, was die Flusssohle wieder durchlässiger macht. Das kann auf natürliche Weise geschehen, etwa wenn die bei einem Hochwasser wirkenden Kräfte die Sohle aufreissen, oder ist eben auch zu erwarten, wenn für Rhesi dann einmal mit Baggern im Rhein gearbeitet wird.

Die Plattform befindet sich nicht weit ob der Grenzbrücke Kriessern – Mäder. Rechts im Vordergrund ein Brückenpfeilersockel der Dienstbahnbrücke, die man vor einem Jahr abgebrochen hat. Im Hintergrund links hinter der Flussbiegung die Kirche Montlingen.

150 Meter lang, 30 Meter breit, einen Meter tief

Die Mechanismen, die dabei wirken, kennt man zwar. Der gross angelegte Versuch diese Woche soll nun aber detaillierte Informationen darüber liefern, wie sich das Aufreissen der Rheinsohle auswirkt. Dies nicht zuletzt um zu verhindern, dass die Grundwasserbrunnen der Wasserversorgungen am Rhein beeinträchtigt werden, wie Rhesi- Gesamtprojektleiter Markus Mähr an einer Medieninformation am Mittwochvormittag vor Ort betonte.

Für den Versuch wird die Flusssohle auf einer Länge von 150 Metern 30 Meter breit und einen Meter tief ausgebaggert. An Versuchsbrunnen und Grundwasserpegelstellen im Vorland wird danach untersucht, wie schnell und wie stark dadurch der Grundwasserspiegel steigt, aber auch wie sich die Qualität des Grundwassers verändert. Gemessen werden unter anderem der Sauerstoffgehalt, die Temperatur und die Leitfähigkeit. Es wird weiter erfasst, wie sich der Radongehalt verändert. Das radioaktive Edelgas kommt im Boden natürlicherweise vor. Sickert das Wasser durch den Boden, nimmt es auch Radon auf. Je höher der Gehalt, umso länger war das Wasser im Boden, erklärt Bernhard Valenti, der wie Markus Mähr der Rhesi-Projektleitung angehört. 150 Meter flussaufwärts wird die Flusssohle 30 Meter breit und einen Meter tief aufgebaggert.

Für die Planung und Durchführung des Versuchs wurden Fachleute verschiedenster Spezialfirmen beigezogen. Aber auch Wissenschaftler von Hochschulen und Instituten sind involviert, namentlich der Université de Neuchâtel, der Eawag (des Wasserforschungsinstituts der ETH) sowie der deutschen Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe. Untersucht werde auch, wie sich die Keimzahl entwickelt, sagt Bernhard Valenti: Steigt sie nach dem Aufbrechen der Flusssohle? Wie schnell? Und wie schnell geht sie wieder zurück, wenn der Rhein neue Sedimente in der Versuchsfläche ablagert?

Das Zeitfenster für den Versuch ist knapp

Dieses Wiederauflanden dürfte ziemlich schnell gehen. Denn bald wird der Rhein Schmelzwasser aus dem Bündnerland bringen. Mit dem steigenden Wasserstand hat er mehr Kraft und wird auch mehr Geschiebe mitführen. Deshalb ist das Zeitfenster für diesen Versuch recht knapp. Die Baggerarbeiten dürften bereits am Freitag abgeschlossen sein.

Mit schuld am knappen Zeitfenster ist auch der Kälteeinbruch diesen Frühling. Der hat dazu geführt, dass der Versuch mehrmals verschoben werden musste, weil der Rhein zu wenig Wasser führte. Ein gewisser Wasserstand war nämlich nötig, um die Arbeitsplattform mit dem Bagger drauf von der Rheinvorstreckung im Bodensee nach Kriessern zu schleppen. Dort wird sie sonst für die Kiesentnahme gebraucht. Mehr Wasser, als der Rhein diese Woche führte, hätte die Verlegung der Plattform wiederum erschwert. Der Bagger auf der Plattform musste den von hinten stossenden Motor ohnehin schon unterstützen – vorne ins Wasser greifend und auf diese Weise ziehend. Bei der Verlegung der Arbeitsplattform von der Rheinvorstreckung im Bodensee den Rhein hinauf bis ob Kriessern musste der Bagger den von hinten schiebenden Motor unterstützen.

Bis die Ergebnisse aus dem Versuch vorliegen, dürfte es Monate dauern. Auf den Terminplan für das Hochwasserschutzprojekt Rhesi dürfte sich dies aber nicht auswirken. Urs Kost, der Vorsitzende der Gemeinsamen Rheinkommission (sie ist das Führungsgremium der internationalen Rheinregulierung und mit Vertretern sowohl der Eidgenossenschaft als auch der Republik Österreich besetzt) ist zuversichtlich, dass das Detailprojekt Ende dieses Jahr vorliegen wird.