Nach mehr als eineinhalb Jahrhunderten erklang anlässlich des Kirchenfests St. Valentin ein letztes Mal der Gesang des Kirchenchors Rüthi. Mit einer beeindruckenden Aufführung von Michael Haydns «Missa brevis a tre voci» setzte der Chor einen würdevollen Schlusspunkt. Begleitet von der Organistin Barbara Koller, einer Geige und einem Bläserquartett, verlieh die Darbietung dem Gottesdienst eine festliche und ergreifende Atmosphäre. Besonders Chorleiterin Gertrud Längle gelang es einmal mehr, ein harmonisches Klangbild zu schaffen.
Mitlglieder seit Jahrzehnten aktiv
Neben den Instrumentalisten und der Sopranistin unterstützten auch einige Projektsängerinnen und -sänger den feierlichen Anlass. Am Schluss des Gottesdienstes wurde nicht nur die Darbietung mit Applaus bedacht, sondern auch die 160-jährige Geschichte des Chors gewürdigt. Kirchenratspräsident Ralf Kollefrath erinnerte in seiner Ansprache an die lange Tradition des Chors und dessen unermüdlicher Einsatz für die Kirchenmusik.
Nach dem bewegenden Konzert waren die Gottesdienstbesucher voller Lob für das musikalische Erlebnis. Beim anschliessenden Apéro wurde lebhaft über Erinnerungen an vergangene Auftritte gesprochen. Doch die Realität hat den Chor eingeholt: Ohne neue Sängerinnen und Sänger ist ein Weiterbestehen des Chors nicht mehr möglich. Das Interesse am kirchlichen Gesang nimmt ab, und viele Mitglieder sind bereits seit Jahrzehnten aktiv. Einige halten dem Chor seit 20, 30, 40 oder sogar 63 Jahren die Treue.
Schlusspunkt statt neue Pläne
Der schwerwiegende Entschluss war in der Jahresabschlussversammlung gefasst worden: die Auflösung des Chors. Die präzisen vorbereiteten Traktanden wurden zügig abgehandelt, wobei Aktuarin Yvonne Pineda und Kassierin Hildegard Wild für ihr Engagement mit herzlichem Applaus bedacht wurden. Präsidentin Barbara Koller liess in ihrem umfassenden Jahresbericht die vergangenen Monate Revue passieren.
Für Chorleiterin Gertrud Längle war es ein besonders emotionaler Moment. Anstatt Pläne für das kommende Vereinsjahr vorzustellen, blickte sie auf ihre 26-jährige Leitung zurück. In ihrer Abschiedsrede brachte sie die Gefühle vieler Anwesender auf den Punkt:
Alles hat ein Ende! So ist es auch mit unserem Chor. Viele Jahre lang haben wir miteinander geprobt, gesungen und Aufführungen gestaltet. Sogar die Coronazeit haben wir überstanden und nach schwierigen Monaten wieder weitergemacht.
Das, was geschaffen worden sei, sei nun aber vergangen. «Durch unser gemeinsames Tun sind wir aber gewachsen, sind einander nähergekommen und haben durch unser Singen Texte und Musik lebendig werden lassen.»
In den letzten Jahren hatte der Chor ein beachtliches Repertoire erarbeitet: über 40 Messordinarien, zahlreiche Motetten und Lieder aus verschiedenen Epochen, dazu Spirituals. Auch die Zusammenarbeit mit Solisten und Instrumentalisten verlieh den Gottesdiensten eine besondere klangliche Vielfalt. Organistin Barbara Koller war dabei eine unverzichtbare Stütze.
Nur eine oder zwei Proben verpasst
Vor der finalen Abstimmung wurden einige verdiente Mitglieder geehrt. Besonders beeindruckend: Die knapp 20 aktuellen Sängerinnen und Sänger vereinen insgesamt 466 Jahre Mitgliedschaft! Ein grosses Dankeschön ging an Margrit und Rolf Riedel, die das Notenmaterial seit Jahren mit grosser Hingabe verwalteten. Auch die fleissigsten Chormitglieder wurden hervorgehoben: Rolf Riedel und Erich Längle verpassten nur eine Probe, Margrit Riedel, Hildegard Wild und Peter Graber nur zwei. Die beeindruckende Disziplin während den Proben und die Treue der Mitglieder waren stets eine Stärke des Chors.

Als die Mitglieder schliesslich dem Auflösungsantrag zustimmten, lag Wehmut in der Luft. Doch zugleich spürten einige eine Erleichterung nach jahrzehntelangem Engagement. Die Versammlung fand ihren Abschluss bei einem gemeinsamen Abendessen und drei gemeinsam gesungenen weltlichen Liedern – ein würdevoller Abschied für einen Chor, der über Generationen hinweg die Kirchenmusik in Rüthi geprägt hat.