Rüthi 30.10.2022

Der Wurm steckt im Bitzgi

Der FC Rüthi hat beim 0:1 (0:1) gegen Glarus in der 3. Liga zum siebten Mal in Folge verloren. Die Mannschaft ist völlig verunsichert.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 04.11.2022

Glarus-Trainer Alessandro Cescato nahm nach einer halben Stunde drei Wechsel vor, Rüthi hatte bis dahin das Spiel geprägt. Die Glarner verstanden den Weckruf: Nach 42 Minuten brachte Silas Gabriel die Gäste mit ihrer zweiten Chance in Führung, nachdem er sich unbedrängt in den Strafraum gespielt hatte. «Das Mittelfeld hätte den Torschützen energischer stören müssen», sagt Rüthis Trainer Granit Bojaxhi.

Bei den wenigen Kontern der Glarner erwies sich die Rüthner Abwehr besser als ihr Ruf, die Innenverteidiger Sonderegger und Kamberi hatten den Laden meist im Griff. Ebenso wie Goalie Joris Hallauer, der allerdings leiden und zweimal nach einem Zusammenstoss gepflegt wurde.

Das Rüthner Problem lag, wie vor einer Woche (0:2 gegen Schmerikon) in der Offensive. «Damals hatten wir allerdings viele Chancen, diese fehlten diesmal weitgehend», sagt Präsident Urs Baumgartner. Trainer Bojaxhi sah das etwas anders: «Allein Jarno Loher hätte viermal allein aufs Tor laufen können, er brach aber ob, obschon er schneller war als der Gegenspieler.» Der junge Stürmer war einer der Umtriebigsten in der Offensive, die Verunsicherung hat aber auch ihn erfasst. «Gerade für die jungen Spieler ist das eine schwierige Situation», sagt Bojaxhi.

Die Niederlagenserie nagt am Selbstvertrauen

Sinnbilder der Krise sind überall zu finden. Zum Beispiel bei Bernhard Allgäuer; dem Rheintaler Torschützenkönig von 2020/21 gelang fast nichts, und als er einmal von einem Glarner den Ball in die Füsse gespielt bekam, gab er ihn artig zurück. Die beste Chance hatte Argurian Bojaxhi, der Bruder des Trainers, in der 65. Minute: Nach Doppelpass mit Nurdin Abd El Hai stand er allen vor Glarus-Goalie Kurtishaj. Bojaxhi hätte ihn überlaufen können, auch mit einem direkten Schuss wäre die Erfolgschance gross gewesen, er hätte sogar etwas Zeit gehabt, um den Torhüter auszugucken. Er chippte den Ball am Tor vorbei. Die Niederlagenserie nagt auch am Selbstvertrauen der erfahrenen Spieler, falsche Entscheidungen sind eine Folge davon.

«Der Wurm hat den Apfel nicht nur befallen», sagte ein Zuschauer treffend, «er steckt schon im Bitzgi.»

Darf Granit Bojaxhi versuchen, die Wende herbeizuführen?

«Ich dachte im Sommer, dass wir mit den Zuzügen von Bojaxhi und Berisha einen Schritt vorwärts gemacht haben», sagt Präsident Urs Baumgartner. Jetzt überwintert der Vierte der letzten Saison, die auch schon ein Murks war, bestenfalls auf dem zehnten Platz – eher auf dem elften.

Die Abstiegsgefahr ist nicht derart präsent, weil es dieses Jahr nur einen Absteiger gibt und Weesen II nicht konkurrenzfähig ist. «Aber das kann sich bei einer zweiten Mannschaft ändern, wenn der Verein beschliesst, sie oben zu halten», warnt der Präsident. Er möchte den FC Rüthi dort positionieren, wo er lange war: «In der 3. Liga vorne mitspielen, auch mal um den Aufstieg, den wir ein paarmal knapp verpasst haben, aber wir müssen nicht rauf.» Runter dürfen die Rüthner, wenn’s nach dem Präsidenten geht, erst recht nicht: «4. Liga ist ein No-Go.»

Bis zur Winterpause bleibt noch ein Spiel, das Derby in Diepoldsau. Trainer Granit Bojaxhi ist optimistisch: «Wir haben Rebstein zweimal besiegt, in einem Derby ist alles möglich.» Unabhängig vom Ausgang des letzten Spiels hat er sich den Beginn seiner ersten Aktiven-Trainerstelle anders vorgestellt. «Pech und Schwefel führen zu Verunsicherung», sagt er. Der Mannschaft fehle ein Erfolgserlebnis, ein Ereignis, das die Blockade löst.

Wechselnde Aufstellungen und fehlende Stabilität

Die Ursachenforschung der Krise beginnt mit der Verteidigung, die ihrem Namen oft nicht gerecht wurde, 33 Gegentore in zehn Spielen zeugen davon. Es fällt auch auf, dass Rüthi immer wieder in verschiedenen Aufstellungen spielt, Robin Sonderegger zum Beispiel spielte ausser im Tor wohl schon überall.

So verwundert es nicht, dass keine Automatismen entstehen. Boja­xhi sagt: «Wir brauchen mehr Breite im Kader, deshalb liess ich viele spielen, die bisher weniger zum Zug kamen.» Er ist aber davon überzeugt, dass Rüthi im Frühling sein wahres Gesicht zeigt, wenn die Mannschaft die Blockade lösen kann. «Wir müssen in der Winterpause weiterhin hart arbeiten.» Ob er die Zeit dazu überhaupt erhält, weiss er selbst auch nicht.

Präsident Urs Baumgartner sagt: «Im Vorstand waren wir im Sommer überzeugt von Granit. Er ist ein Rüthner und brachte mit seinem Bruder und Berisha Spieler zurück, die bei uns anfingen – genau, was wir wollen», sagt er. Die vielen Niederlagen gehen an dieser Einschätzung nicht spurlos vorüber: «Auch Granit weiss, dass ihn viele in Frage stellen. Aber die Trainerdiskussion stellt sich für mich nicht», sagt Baumgartner. Die Mannschaft sei gut beieinander, eine Einschätzung, die von den vergangenen 90 Minuten zumindest nicht widerlegt wurde. «Der Trainingsbesuch ist um Welten besser als bei Anto Tomas», sagt Baumgartner.

Eben weil der Abstieg unbedingt vermieden werden soll, wird sich in der Winterpause auf dem Rheinblick bestimmt etwas bewegen. Mit ein, zwei Spielern sei man schon in Kontakt, sagt Baumgartner. Ob allfällige Neue noch von Granit Bojaxhi angewiesen werden, wird sich weisen. Nach den Worten des Präsidenten, ist es jedoch gut möglich, dass er diese Chance erhält. 

3. Liga - Gruppe 2

Rüthi – Glarus 0:1 (0:1,) Rheinblick – 120 Fans

Tor: 42. Gabriel

Rüthi: Hallauer; Kobler, Sonderegger, Kamberi, Seger; Städler; Allgäuer, Berisha, Zäch, Loher; Bojaxhi

Eingewechselt: Junuzi, Abd El Hai

Gelbe Karten: 18. Städler; Glarus 2