09.09.2022

Breite: Stadtplatz statt Parkplatz

Claudio Loher und Valeria Städler haben der Altstätter Breite als Architekturstudierende wieder eine Bedeutung gegeben, wenn auch «nur» auf dem Papier.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Beide haben ein praxisnahes Studium an der Architekturwerkstatt der Ostschweizer Fachhochschule in St. Gallen mit einem Bachelor of Arts in Architektur abgeschlossen. Dass ihre grosse gemeinsame Arbeit ei­nen geschichtsträchtigen Altstätter Platz wenigstens fiktiv stark aufwertet, muss auch ihre Väter freuen. Sowohl Claudio Lohers Vater Toni als auch Valeria Städlers Vater Hans gehören dem Altstätter Stadtrat an.[caption_left: In der Vorstellung von Claudio Loher und Valeria Städler sind Platz und Strasse nicht klar voneinander getrennt.  Bild: pd]Der Platz hat eine beeindruckende GrösseMit dem Bau eines Kreisels vor wenigen Jahren ist der ursprüngliche Wert der Breite weiter geschmälert worden. Weil der grosse Rest der Fläche längst als Parkplatz dient, beherrscht ganz der Verkehr den einstigen Landsgemeindeplatz und ehemaligen städtischen Lebensmittelpunkt. Dass mit der Beschränkung auf eine Handvoll Veranstaltungen (wie dem Viehmarkt) auf der Breite eine Chance vertan wird, zeigen schon die nackten Zahlen. Valeria Städler und Claudio Loher erinnern daran, dass sich der Platz «über knapp 4500 Quadratmeter erstreckt, was der Fläche von 17 Tennisfeldern entspricht».Bauvorschriften spielten keine RolleIn der jüngeren Vergangenheit war wiederholt der Wunsch nach einer Aufwertung der Breite im Rahmen der Stadtentwicklung zu vernehmen. Als Architekturstudierende hatten Claudio Loher und Valeria Städler die schöne Freiheit, an keine politischen Vorgaben gebunden zu sein und Bauvorschriften links liegen zu lassen. Frei von Zwängen oder Forderungen, haben sie ein städtebauliches Konzept entwickeln und bemerkenswerte Fiktion auf Papier brin­-gen dürfen – nach dem Motto: «Stadtplatz statt Parkplatz». Die Breite, so die Idee, solle als öffentlicher Platz funktionieren und nicht mehr vom Verkehr dominiert sein. Nach dem Vorbild italienischer Städte haben sie für ihren Platz eine rechteckige Grundform gewählt.[caption_left: So sah der Platz früher aus.  Bild: Sammlung Jakob Buschor]Reihenhäuser mit hohen FensternWas Valeria Städler und Claudio Loher entwickelt haben, entfaltet seine Wirkung im 2,5 Quadratmeter grossen Modell und auf den Visualisierungen. Die beiden verzichten auf eine optisch klare Trennung von Strasse und Platz, schaffen Freiraum und einen Gürtel aus Bäumen, Sitzbänken und sinnvollen In­frastrukturmodulen.Am Rand der bergwärts führenden Trogenerstrasse lässt das Architektenduo Reihenhäuser entstehen, wobei die Vorzonen nicht nur kleine Zugangshöfe sind, sondern einen fliessenden Übergang zwischen Aussen- und Innenraum bilden. Beim Entwurfsobjekt «hilft die Vorzone, das starke Gefälle aufzunehmen und als weiteres architektonisches Element die Ateliers im Hochparterre zu erschliessen». So entsteht «ein repräsentativer, multifunktional nutzbarer Übergang». Auf die Fassadenstruktur wird ebenso Wert gelegt wie auf hohe Fenster. Eine Besonderheit ist das Kino im Süden der Breite. Das Gebäude ist nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern hilft zudem, die neue, geometrische Grundform der Breite zu betonen. Claudio Loher sagt: «Die Arbeit hat meiner Kolle­-gin und mir umso mehr Spass gemacht, als es um Altstätten ging.»[caption_left: Das ist die Breite heute.  Bild: pd]Am Kirchplatz ein FasnachtsmuseumSchon im vierten der sechs Semester hatte Altstätten im Mittelpunkt gestanden, damals für die ganze Klasse.Aus Karton wurde die Altstadt als Modell im Massstab 1:500 nachgebildet, was Claudio Loher als «Riesenbüez» in Erinnerung behält. An der Aufgabe, am Altstätter Kirchplatz auf engstem Raum ein Fasnachtsmuseum (mit 112 Quadratmetern Grundfläche) entstehen zu lassen, hatten die beiden Altstätter besondere Freude: Weil manche Studienkolleginnen und -kollegen die Altstätter Fasnacht doch eher belächelt hätten, habe die Beschäftigung mit dem Ort und dem einheimischen Brauchtum sicher nichts geschadet.Dass Altstätten im Studium eine grössere Rolle spielte, mag einerseits an der historischen Bedeutung des Städtlis gelegen haben. Anderseits hat der Gastdozent eine Beziehung zum Ort: Der 2006 zum St. Galler Kantonsbaumeister gewählte Werner Binotto ist in Lüchingen aufgewachsen.