11.02.2022

Aus christlicher Sicht: Selig, wir Armen, uns ist das Reich Gottes anvertraut

Von Armin Scheuter
aktualisiert am 02.11.2022
«Eine Hand voll Wasser, das mir zwischen den Fingern zerrinnt, ist nicht weniger wertvoll als eine Hand voll Diamanten. Ein goldener Fisch in der Lagune, ein Fröschlein, grün wie Jade, ein Kieselstein oder ein trockenes Stück Holz, das auf dem Wasser schwimmt, alles das sind Schätze, auch wenn sie keinen festen Preis an der Börse haben.» Dies schreibt Ernesto Cardenal, der bekannte Befreiungstheologe, in seinem «Buch von der Liebe».Jedoch für diese Hand voll Edelsteine opfern wir Menschen seit langer Zeit den ausserordentlichen Reichtum und die wunderbare Schönheit der Erde. Wir opfern dafür das Wertvollste, das uns Gott gegeben hat – seine Schöpfung. Gott hat die Verantwortung für diesen Schatz uns Menschen anvertraut, seitdem wir über die Geisteskraft verfügen, zu erkennen, welche Folgen unser Handeln für diese Welt hat.Wir können die Seligpreisungen Jesu auch vor diesem Hintergrund lesen. In der Leseordnung der Gottesdienste in der katholischen Kirche, werden sie dieses Wochenende als Evangelium vorgetragen. Die drei ersten Seligpreisungen lauten: 1. Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes; 2. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden; 3. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.Leider klingt dies wie die Botschaft aus einer anderen Welt. Sie scheint mit der Realität unserer Zeit nichts zu tun zu haben. Fakt ist doch, dass der Traum vom Reichtum und die damit einhergehende Gier, den Ton unseres Wirtschaftens und Handelns angeben. «Gier regiert die Welt», das denkt mittlerweile fast jeder und jede. Wer sieht sich schon selbst als arm an, obwohl um ihn herum Ausbeutung und Zerstörung herrscht?Jesus geht es nicht darum, die Kümmernis der Armen zu preisen, sondern die Armut in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen, auch die der kommenden Generationen. Denn das Reich Gottes ist eine Verheissung der Fülle des Lebens, die die ganze Schöpfung betrifft – jetzt und in Zukunft. Damit ist keine plumpe Vertröstung auf ein Jenseits im Himmel gemeint, auch wenn dann erst wahre Gerechtigkeit walten wird.Jesus macht vor, um was es ihm geht: Da wo er sowie seine Jünger und Jüngerinnen den Armen begegnen, erkennen und erfahren sie ihre Würde und ihr Geschick – Gott selbst wendet sich ihnen zu. Gottes Welt der Solidarität und der Sorge bricht dann ein in eine Welt der vermeintlichen Sachzwänge.Bei den Seligpreisungen geht es um einen Frieden, der uns Menschen mit der ganzen Schöpfung Gottes versöhnt, von der die Armen ein bedeutender Teil sind. Es geht um einen Frieden, der uns von der Knechtung durch Äusserlichkeiten befreit.Armin ScheuterPfarreibeauftragter Kobelwald

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