Diepoldsau 30.06.2022

Gemeinde geht spezielle Wege: Pferdemist soll der Integration helfen

«Robi-Horse», Windeln oder Reittiersteuer – Schweizer Gemeinden setzen auf verschiedene Lösungen, um die Strassen von Pferdemist zu befreien. Diepoldsau geht dabei einen speziellen Weg – und leistet gleichzeitig Integrationsarbeit.

Von Cassandra Wüst
aktualisiert am 03.11.2022

Ein Pferd produziert 25 Kilogramm Mist pro Tag. Das sind etwa neun Tonnen pro Jahr. Bei rund 80000 Pferden in der Schweiz ist das eine beträchtliche Menge, die jedes Jahr auf den Strassen landet. Ein Problem, das nicht nur das Rheintal, sondern die ganze Schweiz betrifft. Im Kampf gegen den Dreck setzen die Gemeinden unterschiedliche Methoden ein.

In Flims und Davos zum Beispiel müssen die Kutscher ihre Pferde seit einigen Jahren mit ei-nem Exkrementbeutel, einer Art Pferdewindel, ausstatten. Die beiden solothurnischen Gemeinden Metzerlen-Mariastein und Bättwil haben eine Reittiersteuer analog zur Hundesteuer eingeführt. Hier zahlen die Pferdebesitzer 150 Franken pro Pferd und Jahr – im Gegenzug reinigen die Gemeinden die Wege und Strassen. Im Kanton Freiburg steht in Bösingen ein «Robi-Horse» am Strassenrand, ein Behälter, in den die Reiterinnen und Reiter die Notdurft ihrer Tiere entsorgen können. Auch Diepoldsau hat sich vor einigen Jahren des Problems angenommen und gilt als Pioniergemeinde im Rheintal.

Freiwilliger Solidaritätsbeitrag

2013 hat die Gemeinde auf Vorschlag des Kavallerievereins Unterrheintal und mit SVP-Frau Carmen Bruss als treibender Kraft dahinter einen freiwilligen Solidaritätsbeitrag für Pferdehalterinnen und -halter eingeführt. Wer ein Pferd besitzt, kann der Gemeinde 20 Franken pro Jahr und Tier an «Mistgeld» bezahlen. Im Gegenzug entfernen Mitarbeiter der Gemeinde den Pferdekot von der Strasse. Es besteht keine Verpflichtung, diesen Beitrag zu leisten. Doch wie Simon Riklin, der Medienverantwortliche der Gemeinde, sagt, wird der Solidaritätsbeitrag von den Reiterinnen und Reitern gut unterstützt.

Simon Riklin, Medienbeauftrager der Gemeinde Diepoldsau.
Simon Riklin, Medienbeauftrager der Gemeinde Diepoldsau.
Bild: pd

Es gebe in Diepoldsau rund 100 Reitpferde. Wie viele ihrer Besitzerinnen und Besitzer den Beitrag an die Gemeinde zahlen, lässt sich jedoch nicht genau ermitteln, weil die beiden Reithallenbesitzer von den Nutzerinnen und Nutzern ihrer Hallen Beiträge unterschiedlicher Höhe entgegennehmen und Sammelzahlungen leisten. Wie Riklin sagt: 

Insgesamt handelt es sich um Einnahmen von rund 2000 Franken pro Jahr.

Laut Guido Seiz, Leiter des Unterhaltsdienstes, ist dieser Betrag ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Gemeinde geht es aber nicht darum, Gewinn zu machen. Der Fokus liegt auf der Strassenreinigung – und auf der Integration. Nebst einem Mitarbeiter des Wartungsdienstes, der auf 20-Prozent-Basis angestellt ist, steht nämlich jeweils auch ein Asylbewerber für die Reinigung im Einsatz. Zurzeit wechseln sich drei in der Gemeinde wohnende Asylbewerber dabei ab. «Die Zusammenarbeit ist ein Erfolgsmodell», sagt Riklin. Zweimal pro Woche machen sich die Männer auf eine zweistündige Tour entlang der Hauptrouten der Diepoldsauer Reiterinnen und Reiter. Der gesammelte Pferdemist kann auf mehrere Misthaufen entlang des Weges deponiert werden. Gleichzeitig sammelt die Equipe auch herumliegende Büchsen, Flaschen und anderen Abfall ein.

Die Asylbewerber haben so eine geregelte Tagesstruktur, lernen Deutsch und erhalten eine kleine Entschädigung. Im Gegenzug erhalten die Einwohnerinnen und Einwohner saubere Strassen. «Das ist eine Win-win-Situation für alle», sagt Guido Seiz. Zudem hat jeder der bisher beschäftigten Asylbewerber eine Anschlusslösung in Form eines Arbeitsplatzes gefunden.

Eine Reittiersteuer ist in Diepoldsau kein Thema

Auch die Pferdehalter, die den Solidaritätsbeitrag initiiert haben, sind mit der Aktion zufrieden. «Wir ermutigen neue Mitglieder, ihn zu zahlen», sagt Diana Klee, Präsidentin des Kavallerievereins Unterrheintal, und fährt fort:

Ich kann Anwohner sehr gut verstehen, die sich über Pferdemist auf der Strasse ärgern.

Für die Rösseler sei es aber schlicht nicht möglich, auf jeden Ausritt eine Schaufel und einen Sack mitzunehmen und die Haufen zu entsorgen. «Da haben wir eine ideale Lösung gefunden», sagt Klee. Eine Reittiersteuer analog der Hundesteuer kommt in Diepoldsau ohnehin nicht in Frage. «Bisher hat sich niemand beschwert», sagt Simon Riklin, «und es gäbe auf kantonaler Ebene auch gar keine gesetzliche Grundlage für eine solche Steuer.»