15.08.2019

Zwischen Zuversicht und Sorge

Der sehr starke Franken macht den Rheintaler Detailhändlern weiterhin zu schaffen. Wir haben uns umgehört.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. PlüssKonjunkturell hatte sich der Detailhandel Anfang 2019 auf ein düsteres Szenario eingestellt. Der Geschäftsgang entwickelte sich bei einigen Detaillisten schliesslich positiver als erwartet, wie eine stichprobenhafte Umfrage unserer Zeitung zeigte. Positiver als erwartet bedeutet aber nicht unbedingt gut. Der Schweizer Detailhandel befindet sich seit geraumer Zeit in einer Seitwärtsbewegung, Tendenz nach unten. Die Entwicklung im Rheintal folgt diesem Trend.Die Zahl der Ausfuhrbescheinigungen (Touristenexporte U34) an den Rheintaler Zollstellen nimmt zwar kontinuierlich ab, befindet sich jedoch immer noch auf hohem Niveau (457971 Ausgangsbescheinigungen im 1. Quartal 2019 gegenüber 491767 im Vergleichszeitraum 2017). Sollte der Eurokurs – er liegt aktuell bei 1,08 Franken – sinken, dürfte der Einkauf im grenznahen Euroraum wieder an Attraktivität gewinnen. Nebst dem Einkaufstourismus, von dem Rheintaler Händler durch die Grenznähe in besonderem Masse betroffen sind, ist es der Online-Handel, der Geschäftsleuten Sorgen bereitet. «Wir sind momentan recht zufrieden mit dem Geschäftsverlauf im Rheinpark», sagt Vera Weber, Mitglied der Geschäftsleitung von Mode Weber. Die Lage sei jedoch «immer noch angespannt». Sollte es zu einer weiteren Senkung des Eurokurses kommen, müsse man versuchen, dies über den Einkauf wettzumachen. Die «gute Stammkundschaft» ist bei Mode Weber ein wichtiger Pfeiler, auf den man zählt.Wenn nur der Preis zähltRosaria Frei, Inhaberin des Haushaltwarengeschäfts «Kochen und Wohnen» in Widnau, sagt: «Das erste Halbjahr war streng.» Seit 1956 befindet sich das Familienunternehmen im Haus Nr. 8 an der Poststrasse. Nach Meinung Rosaria Freis fehle oft die Wertschätzung für die Arbeit, die im Detailhandel geleistet werde: umfassende Beratung und verschiedenste Servicedienstleistungen, dazu hohe Flexibilität. Bei vielen Leuten stehe der günstige Einkauf im Vordergrund. Wenn mit den online bestellten Produkten dann etwas nicht klappe, wende man sich mit der Bitte um Hilfe ans Fachgeschäft, stellt Frei fest.Der Online-Handel nehme auf den Geschäftsverlauf einen grösseren Einfluss als der Einkauf im grenznahen Euroraum, sagt Rosaria Frei. Haushaltwarengeschäfte hätten es generell nicht einfach, auch auf Vorarlberger Seite nicht: «Ich habe einige Kunden aus Vorarlberg. An unseren Preisen kann es nicht liegen.» Mit «Kochen und Wohnen» ist die Geschäftsfrau mittlerweile auf Facebook vertreten. Für die Einrichtung eines Online-Shops sei ihr Geschäft allerdings zu klein: «Der Aufwand für Lagerhaltung, Abwicklung und Versand wäre zu gross.»Beda Frei hat sich mit seinem Radsport-Geschäft in Au auf Rennvelos und E-Bikes spezialisiert. Die Velos seien in Vorarlberg nicht günstiger als bei ihm im Rheintal, die Arbeitsstunden jedoch, was dazu führe, dass manche Leute den Service im Vorarlberg erledigen liessen.Er nennt das «Geiz ist geil»-Mentalität. Sollte der Eurokurs sinken, seien seine Velos in der Schweiz wieder teurer. Wie nach dem Frankenschock 2015 müssten Preisanpassungen in den Ländermärkten dann auch seitens der Hersteller erfolgen.Migros bewegt sich auf VorjahreskursPreisanpassungen nach unten haben vor vier Jahren auch Migros und Coop vorgenommen. Die Migros zeigt sich aktuell «sehr zufrieden mit dem Geschäftsgang im Rheinpark». Die «positive Entwicklung» sei nicht zuletzt auf den Abschluss der Bauarbeiten auf der Autobahn zurückzuführen, sagt Andreas Bühler, Leiter Kommunikation bei Migros Ostschweiz. Alle Filialen im Rheintal entwickelten sich gemäss den Erwartungen und «liegen auf Vorjahreskurs», fasst Bühler zusammen. Die neue Filiale in Au habe die Erwartungen gar übertroffen. Zahlen nennt er nicht.Als softe Faktoren nennt Bühler die «grosszügigen Filialen und die freundlichen Mitarbeitenden»; beides würde von der Kundschaft geschätzt. Die Migros Ostschweiz geht davon aus, dass sich der Trend des ersten Halbjahres fortsetzt – vorausgesetzt der Euro schwäche sich im Vergleich zum Franken nicht weiter ab. Genau darauf hoffen die Vorarlberger Detailhändler. Sie durften sich nach dem Frankenschock über satte Wachstumsraten freuen, die langsam dahinschmolzen.Dass sich Detailhändler ennet des Rheins aktuell noch über ein Umsatzplus freuen dürfen, erklärt sich die Spartenverantwortliche Handel der Wirtschaftskammer Vorarlberg mit dem «Bewusstsein» der Kundschaft. «Viele Kunden haben die Einsicht, dass der Handel vor Ort attraktiv ist und Arbeitsplätze schafft», sagte Theresia Fröwis kürzlich den «VN».Der eine oder andere Rheintaler Detailhändler oder Gewerbetreibende weiss von einem solchen Bewusstsein auch bei der hiesigen Kundschaft zu berichten. Ob das «richtige» Bewusstsein, das allerdings längst nicht alle Käufer besitzen, allein eine Belebung der Umsätze wird bewirken können, darf bezweifelt werden. Der grenzüberschreitende Online-Handel wächst in der Schweiz jährlich um 20 Prozent.

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