Pro/Contra vor 6 Stunden

Zwischen Kunstblut und Kürbis-Lichtern: Braucht die Schweiz Halloween?

Halloween, die unheimlichste Nacht des Jahres, ist als Brauch tief  in der Vergangenheit verwurzelt – wenn auch nicht in unserer. Heute verkleiden sich aber auch hier Kinder als Geister und sammeln Süssigkeiten. Die Redaktion ist geteilter Meinung.

Pro

An Feiertagen fällt unser Haus auf. An Ostern eher nicht so sehr, dafür an Weihnachten und noch mehr an Halloween. Und jedes Jahr wird es gruseliger, denn jedes Jahr erlaube ich mir, eine Dekoration mehr zu kaufen. Dieses Jahr sehen Besuchende am Gartenzaun bereits die ersten Spinnweben samt eineinhalb Meter grossen Achtbeinern hängen, beim Briefkasten lassen Grabsteine Böses erahnen, einen Schritt weiter kriecht der mit Bewegungssensor ausgestattete Zombie mit rot leuchtenden Augen aus seinem Grab.

Schafft man es bis zum Kästchen mit der Türklingel, so öffnet sich dieses auf Knopfdruck und ein Auge schaut heraus, begleitet von unheimlichem Lachen. Und natürlich werde ich an Halloween mutigen Besucherinnen und Besuchern die Tür als Zombie verkleidet öffnen, vor Kunstblut triefend. Kindisch? Mag sein. Nicht wirklich ein schweizerischer Brauch? Natürlich nicht. Selbst bin ich mit sehr wenigen und klein zelebrierten Feiertagen aufgewachsen. Das erklärt vermutlich teilweise meine im Erwachsenenalter entdeckte Liebe für Feiertage.

Aber am meisten freut mich, wenn unsere Kinder Spass haben und an ihren Verkleidungen basteln. An Halloween lassen sie alle Häuser, die das Eingangslicht ausgeschaltet haben, in Ruhe. So die Regel in unserer Nachbarschaft. So können alle feiern, wie sie wollen. Für mich aber gehört Halloween genauso in den Kalender wie Ostern, Neujahr und Fasnacht – Feiertage geben dem Jahr eine Struktur. Und das kontrollierte Fürchten mit Kunstblut, Silikon-Bisswunden und Blutspaghettis macht Halloween zu meinem absoluten Lieblingsfeiertag.

Sara Burkhard, Redaktorin

sara.burdkhard@rheintaler.ch

Contra

Wer Halloween nicht mag, kommt meistens aus der Anti-USA-Ecke und sagt spassbefreite Dinge wie «dieses amerikanische Zeug brauchen wir nicht». Das ist nicht mein Punkt, einmal ganz abgesehen davon, dass er auch nicht richtig wäre. Mir geht es da­rum, dass ich Halloween einfach überflüssig finde.

Erstens, weil ich in einer Zeit aufgewachsen bin, in der manche Jugendliche als «Gruftis» bezeichnet wurden. Gemeint war damit, dass sie der Gothic-Kultur anhingen. Heutzutage gibt es nicht mehr viele von ihnen. Wer möchte, könnte aber als Grufti perfekt gestylt das ganze Jahr in Halloween-Manier unterwegs sein. Zweitens geht mir die «Geldmaschine Kind», wie es eine Bekannte letzthin ausdrückte, gegen den Strich.

Ob EM, Weihnachten, Ostern: Es gibt bereits genug Anlässe, an denen der gesamte Handel Panini-Sticker zu Wucherpreisen, neueste Lego-Kreationen oder Ostereier jeglicher Couleur auf Kinderaugenhöhe auslegt und die Jungmannschaft damit in an Erwachsenen rüttelnde Kraken verwandelt. Da bräuchte es Halloween als Trigger nicht auch noch. Drittens ist das Timing nicht perfekt: Wer sein Daheim dekoriert, der oder die weiss: Zwischen gesammelten Herbstblättern und Tannenzapfen und dem Adventskalender bleibt eigentlich zu wenig Zeit für die Halloween-Deko.

Allerdings toppen übergrosse Spinnen und Spinnweben Weihnachtskugeln, das muss ich zugeben. Wobei man sich viertens dann auch einfach ein Terrarium zutun könnte. Damit wäre ich bei fünftens und letztens: Will man sich wirklich gruseln, dann sind der Möglichkeiten viele, aber die «Tagesschau» oder «10 vor 10» zu schauen, reicht ja bereits – natürlich wegen der Meldungen. Halloween ist wirklich zu viel des Guten.

Sandra Schweizer-Csillany, Redaktorin

sandra.schweizer@rheintaler.ch

 


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