Haben Sie den Film über Zwingli gesehen? Wenn nicht, kann ich ihn Ihnen wärmstens empfehlen!Im Film gibt es die Szene, in der einige angesehene Leute aus der Zürcher Stadtregierung und auch einige Geistliche beim Buchdrucker Froschauer in der Druckerei um einen grossen Tisch herum sitzen. Gegessen werden geräucherte Würste, Landjäger und so. Eigentlich ein ganz normaler Vesper oder Znüni, wie er heute noch in vielen Geschäften genommen wird. Aber dieser hier ist brisant: Sie essen die Würste nämlich in der Fastenzeit. Und während der Fastenzeit ist es verboten, Würste zu essen. Wer erwischt wird, läuft Gefahr, als Ketzer angezeigt zu werden, und landet unter Umständen sogar auf dem Scheiterhaufen. Zwingli wird sofort angeklagt, obwohl er selber gar keine Wurst gegessen hat. Er hält darauf eine Predigt über das Thema «Von Erkiesen und Fryheit der Spysen – ob man Gewalt hab die Spysn zuo etlichen Zyten zu verbieten».Die Predigt wird beim Froschauer gedruckt, vervielfältigt und unter die Leute gebracht. Es gibt eine Disputation, der Zürcher Rat gibt Zwingli Recht. Die Fastenzeit und damit auch die Fasnacht werden auf Zürcher Gebiet abgeschafft.Ich bin im Züribiet aufgewachsen. Ohne Fasnacht. Nachdem ich den Film geschaut habe, wusste ich es endlich: Zwingli ist schuld daran, dass ich ohne Fasnacht aufgewachsen bin! Keine Verkleidung, keine Masken, keine Umzüge, keine Guggesuuser, keine Räbafurzer, keine Wolfshüüler, gar nichts.Schaue ich die Quellentexte etwas näher an, auch bei Luther, dann sehe ich: Es geht den Reformatoren nicht darum, dem Volk den Spass zu verderben, es geht ihnen darum, dass keine Obrigkeit Menschen Zeiten des Fastens aufzwingen darf. Der Mensch soll selber darüber entscheiden dürfen, ob er fasten oder festen will. Die Gefahr ist da, dass Fasten wieder zu einer frommen Leistung wird, mit der der Mensch gut vor Gott dastehen will. Das lehnen die Reformatoren ab. Und das ist mir doch wieder sympathisch. Wie der Meister schon sagte: Der Sabbath ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch wegen des Sabbats. Weg mit den kleinlichen Regeln und Verordnungen, lasst den gesunden Menschenverstand walten!Dieses Jahr mache ich an zwei Fastnachtsgottesdiensten im Rheintal mit und ich freue mich darauf.Andreas BrändlePfarrer in Diepoldsau