Altenpflege 26.09.2023

Zwei neue Angebote der Spitex RhyCare: Puzzleteile eines künftigen Modells in der Altersversorgung

Markus Dürrenberger, der betriebliche Geschäftsleiter der Spitex Rhy Care, erklärt die zwei neuen Angebote der Oberrheintaler Pflegeorganisation.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 26.09.2023

Letzte Woche hat die Spitex Rhy Care angekündigt, dass sie zwei neue Dienstleistungen anbietet: Eine 24-Stunden-Betreuung und die Möglichkeit für pflegende Angehörige, sich bei der Spitex anstellen zu lassen. In der Pressemitteilung hiess es, dass gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit ein Angehöriger oder eine Angehörige bei der Spitex angestellt wird.

Bedingungen für eine Anstellung bei der Spitex

  • Absolvierung des Lehrgangs «Pflegehelfer/-in SRK» beim Schweizerischen Roten Kreuz.
  • Die pflegende Person darf nicht älter als 80 Jahre sein.
  • Individuelle Prüfung durch die Spitex Rhy Care, ob eine Anstellung in der konkreten Situation sinnvoll ist.

 

Auf Anfrage präzisiert Markus Dürrenberger, Geschäftsleiter Betrieb der Spitex Rhy Care, der die Gemeinden Altstätten, Eichberg, Marbach und Rebstein angehören:

Grundvoraussetzung für die Anstellung pflegender Angehöriger ist die Absolvierung des Lehrgangs ‹Pflegehelfer/-in SRK›.

Diese Bedingung sei vom Spitex-Verband im Administrativvertrag mit den Krankenkassen festgelegt worden «und sie stellt eine relativ hohe Hürde dar», wie Dürrenberger erklärt – zumal es Anbieter auf dem Markt gebe, die nicht Verbandsmitglieder seien und diesen Kurs für pflegende Angehörige nicht verlangen. Auf der anderen Seite sei durch den Lehrgang eine Grundqualität der Pflege sichergestellt. Der Kurs dauert rund 30 Tage, bestehend zur Hälfte aus Theorie und zur anderen Hälfte aus einem Praxiseinsatz in einem Pflegebetrieb.

Zudem ist die Anstellung bei der Spitex Rhy Care nur bis zum 80. Geburtstag möglich. Was für viele vielleicht nach einer rein formalen Hürde klingt, hat in der Praxis durchaus Relevanz: Oft ist es nämlich die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner der erkrankten Person, die oder der die Pflege übernimmt. Das bedeutet: Die pflegende Person ist nicht selten ebenfalls betagt.

Weitere Bedingungen sind situationsabhängig. Sicher müsse der Pflegebedarf so gross sein, dass sich der Besuch des Pflegehelferkurses sowie der administrative Aufwand einer Anstellung lohnt.

Und wir werden bei jedem Fall prüfen, ob eine Anstellung in der konkreten Situation wirklich sinnvoll ist.

Das wichtigste Kriterium sei dabei die Eignung der behandelnden Person.

Die Möglichkeit, dass sich pflegende Angehörige bei der Spitex oder anderen Anbietern anstellen lassen, ist in der Schweiz – abgesehen von Einzelfällen – ein relativ neues Phänomen. Die Spitex Rhy Care nimmt mit dem neuen Angebot zumindest regional eine Vorreiterrolle ein.

Dazu sagt Dürrenberger:

Ich denke, wir haben das Angebot gerade noch rechtzeitig geschaffen – sicher nicht zu früh. Andere öffentlichen Spitex-Organisationen in der Region werden sicher bald nachfolgen.

Er verweist darauf, dass viele, zum Teil recht «aggressive» Anbieter auf dem Markt unterwegs seien, die diese Möglichkeit anbieten. Und der Anspruch der Spitex sowie auch der angeschlossenen Gemeinden sei es, die Patientinnen und Patienten möglichst gut zu betreuen. «Wir können mit unseren Pflegefachpersonen vor Ort präsent sein und die pflegenden Angehörigen aktiv beraten und unterstützen. Manche Anbieter kommen von ausserhalb des Kantons, da beschränkt sich der Kontakt mit den pflegenden Angehörigen dann eher aufs Telefon», sagt Dürrenberger.

Dazu nennt er ein Beispiel: «Wenn ein Mensch auf den Rollstuhl angewiesen ist, so kann man den Transfer vom Bett in den Rollstuhl auf verschiedene Art machen. Wir können den pflegenden Angehörigen direkt vor Ort zeigen, wie sie dies bewältigen können, ohne sich selbst zu sehr zu belasten und sich letztlich Schaden zuzufügen. Und bei Fragen oder Notfällen sind wir schnell vor Ort, um zu helfen. Wir halten es für wichtig, pflegende Angehörige gut zu unterstützen.»

Dürrenberger erläutert weiter, dass Spitex Rhy Care mit den neuen Angeboten auf immer häufiger geäusserte Bedürfnisse der Bevölkerung reagiere. Und mit Blick auf die demografische Entwicklung – wonach der Anteil von über 80-jährigen Menschen in der Schweiz in den kommenden Jahrzehnten markant wachsen wird – und der Tatsache geschuldet, dass vermehrt Menschen (wie auch Krankenkassen) eine ambulante Versorgung zu Hause wünschen bzw. fordern, sei es nötig, diese Angebote jetzt einzuführen:

Über die 24-Stunden-Betreuung reden wir im Vorstand schon lange, nun haben wir mit der Diepoldsauer Firma Betreuungs-Spezialist einen Vertragspartner gefunden, der die von uns geforderte Qualität sicherstellt.

Der Betriebsleiter der Spitex Rhy Care zeigt sich im Gespräch aber auch nachdenklich gegenüber den aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen, und seine Bedenken, sagt er, würden im Vorstand und auch von anderen Spitex-Organisationen geteilt:

Es bedeutet eine weitere Aufweichung des ungeschriebenen Generationenvertrags, nachdem die Eltern zuerst ihre Kinder grosszogen und dafür im Alter von ihnen gepflegt wurden.

Selbstverständlich habe die Pflege eines oder einer Angehörigen grosse Achtung und Wertschätzung verdient. «Niemand weiss besser als wir, wie anspruchsvoll diese Arbeit tatsächlich ist und wie sehr sie noch immer unterschätzt wird.» Gleichzeitig gebe es auch andere Arbeit, die unentgeltlich geleistet wird und die ebenfalls grosse Wertschätzung verdient hätte: «Wo also fängt es an und wo soll es aufhören?» Dürrenberger fügt an:

Letztlich sind dies Fragen, die durch die Politik beantwortet werden müssen.

Durch die Anstellung von pflegenden Angehörigen entstünden auch Kosten, von denen im Moment nicht ganz klar sei, ob sie politisch wirklich gewollt sind. Im Feld der sich stark ändernden Altenpflege wartet er sehnlichst auf Antworten seitens der Politik: «Die Umsetzung der Pflegeinitiative dauert wohl zu lange, um die in den nächsten zehn Jahren anfallenden Veränderungen dadurch bewältigen zu können», sagt Dürrenberger.

Daher sei es nötig, über neue Modelle nicht nur nachzudenken, sondern sie auch anzuwenden. Es sei nämlich die Aufgabe der Spitex, den zu pflegenden Menschen die bestmögliche Versorgung zu ermöglichen. In einer gesetzlich unklaren Lage gehörten die 24-Stunden-Betreuung und die Anstellung pflegender Angehöriger dazu. Vielleicht seien das Puzzleteile eines künftigen Modells in der Altersversorgung.

«Es war für uns kein einfacher Entscheid, die Anstellung pflegender Angehöriger zu ermöglichen», sagt Dürrenberger:

Aber nur weil gesundheits- und gesellschaftspolitisch noch offene Fragen bestehen, können wir uns einem Angebot nicht verschliessen, das für die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten nötig ist.

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