Der Duft von Bratwurst und Cervelat liegt in der Luft. Die kleine Festwirtschaft vor dem Kirchgemeindehaus in Rheineck ist noch kein Hochzeitsmahl. Sie lädt die Menschen zunächst einmal ein, einander zu beschnuppern. Es steht der erste gemeinsame Informationsanlass eines seltenen Brautpaares auf der Tagesordnung: Die reformierte Bürgerschaft von Rheineck und St. Margrethen hat sich im März 2021 verlobt. Seinerzeit beauftragten beide Gemeindeversammlungen ihre Vorsteherschaften, Verhandlungen über einen Zusammenschluss zu führen und einen entsprechenden Vertrag auszuarbeiten.Ein Bild der gemeinsamen Zukunft malenInzwischen sind die Korporationen einige Schritte auf dem Weg in die gemeinsame Zukunft gegangen. Eine Arbeitsgruppe aus Delegierten beider Gemeinden erarbeitet unter der Leitung von Berater Paul Baumann ein Konzept. Im Februar holte sie die Stimmung und Wünsche bei den Gläubigen ein. Nun liegt ein Entwurf der Gemeindeordnung, des Inhaltskonzepts sowie des Zusammenschlussvertrages vor. Bevor das Verlobungspaar vor den Abendmahlstisch tritt und Ja zueinander sagt, wollen alle Beteiligten wissen, was sie in einer fusionierten Kirchgemeinde erwarten wird. Damit möglichst vielerlei Vorstellungen ins Konzept einfliessen, hat die Arbeitsgruppe Gläubige beider Ortschaften zur Diskussion eingeladen. «Nicht alles ist eitel Sonnenschein», sagt Felix Schumacher, Präsident der Standortgemeinde. «Gewachsen ist das Verständnis füreinander.»[caption_left: Evangelisch Rheineck und St.Margrethen sammeln die Wünsche der Gläubigen. (Bild: vdl)]Damit das Verständnis weiter zu wachsen vermag, sind an diesem Abend aus beiden Ortschaften jeweils um die 25 Gemeindemitglieder gekommen. Lebhaft diskutierten sie – Befürworter und Gegner – in Kleingruppen mit den Fusionspartnerinnen und -partnern. Die Ergebnisse fliessen ins Abschlussplenum ein. Zum Beispiel wird der Wunsch geäussert, dass beide Ortsnamen in der Bezeichnung der Kirchgemeinde enthalten sind und die neue Struktur nicht «Unteres Rheintal» heissen soll. Sie soll sich von Organisationen, die den Rhein im Namen führen, abheben. Die Vielfalt an Angeboten und Gottesdiensten beider Gemeinden soll erhalten bleiben und ausgebaut werden. Damit sie zur Einheit gelangen, wird auf die Errichtung von Kirchenkreisen verzichtet. Die Vorsteherschaft erhält vier Sitze, plus Präsidium und Pfarrpersonen. Als ideal bezeichnet es die Arbeitsgruppe, wenn sich das Team der Seelsorgenden aus 130 Prozent Pfarrpersonen, 40 Sozialdiakonie und 40 Jugendarbeit zusammensetzt. Die Kantonalkirche erlaubt 190 Pastorationspunkte in der höchsten Lohnklasse. Bei niedrigeren Gehaltsstufen kann deshalb der Stellenumfang höher liegen.Kritik an der KommunikationIm Plenum exponiert sich Rolf Hanselmann aus St. Margrethen. «Ich bin zwar ein Verfechter der Fusion», sagt er. «Heute würde ich aber Nein sagen. Mir fehlen Informationen, um Ja sagen zu können.» In der Hauptsache bemängelt der einstige Kirchenpräsident von St. Margrethen die Kommunikation zwischen Arbeitsgruppe und Bürgerschaft. Zum Beispiel sei es nicht kundenfreundlich gewesen, die Botschaft zum Fusionsvertrag nur für kurze Zeit im Pfarrsekretariat einsehen zu können. «Die Fassung, die ich gelesen habe, unterschied sich von der, die heute vorgestellt worden ist.» Rolf Hanselmann bittet darum, dass in jedem «Kirchenboten» über den Stand des Prozesses informiert wird. «Die Botschaft muss die Leute zufriedenstellen, damit sie sehen, wie die vereinigte Kirchgemeinde aussehen wird.»Paul Baumann entschuldigt sich im Namen der Arbeitsgruppe für den Unmut. «Wir hätten die Papiere nicht auflegen sollen, bevor die Vernehmlassung beginnt», sagt er. Man habe verhindern wollen, dass inoffizielle Fassungen kursieren.Der nächste Infoanlass findet am 2. September statt. An diesem Tag startet die Vernehmlassung, sie dauert bis 22. September. Über den Zusammenschluss stimmen beide Kirchgemeinden am Sonntag, 13. November, im Rahmen einer ausserordentlichen Versammlung ab.