24.08.2019

Zurück bleibt eine zerrüttete Familie

Die Anklagekammer des Kantons St.Gallen hat die Genugtuungssumme für Edwin Kopp um rund 9000 Franken erhöht. Der Landwirt aus Rühti war 2015 zu Unrecht in Untersuchungshaft gesessen und leidet noch immer unter den Folgen der falschen Anschuldigungen.

Von Janina Gehrig
aktualisiert am 03.11.2022
Edwin Kopp soll 30'260 Franken vom Staat erhalten. Dafür, dass er am 27. August 2015 von Polizisten von der Alp abgeführt und während 40 Tagen in Untersuchungshaft gesteckt wurde. Dafür, dass er weder mit seiner Frau sprechen noch seine Enkel besuchen durfte. Dafür, dass er während Monaten seinem Sohn auf dem Hof nicht mehr mithelfen durfte und sich im Dorf als «Kinderschänder» beschimpfen lassen musste. Zu Unrecht.Das Untersuchungsamt Altstätten hatte dem 76jährigen Landwirt aus Rüthi ursprünglich rund 21'000 Franken gewähren wollen. Dagegen hatte Kopp Beschwerde eingereicht. Nun hat die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die Genugtuungssumme um 9000 Franken zuzüglich fünf Prozent Zinsen erhöht.«Sehr enttäuscht» vom UrteilFür Kopps Rechtsanwalt, Daniel Kaiser, zeigt der Entscheid, dass das Untersuchungsamt Altstätten eine zu kleine Genugtuungssumme für das seelische Leid Kopps festgelegt hatte. Dennoch seien er und sein Mandant «sehr enttäuscht» vom Urteil. Sie hatten rund 135'000 Franken gefordert: 100'000 Franken als Genugtuung für die erlittenen Qualen sowie rund 35'000 Franken für den wirtschaftlichen Schaden und die Anwaltskosten.Kopp, seinem Sohn Stefan sowie einem Kollegen war vorgeworfen worden, sie hätten sich an vier Mädchen im Alter zwischen zwei und neun Jahren sexuell vergangen. Die Anschuldigungen stammten von der Mutter der angeblich missbrauchten Mädchen – Edwin Kopps Schwiegertochter. Kopp hatte auch nach der Untersuchungshaft ein Kontaktverbot mit seiner Familie und wurde im Dorf geächtet. Er habe Freunde verloren und leide seither unter Schlafstörungen, Magenbeschwerden und Schmerzen in Schulter und Knie, hatte der ältere Mann am Donnerstag ausgesagt.Kopps Anwalt möchte den Entscheid der Anklagekammer nun ans Bundesgericht weiterziehen. Er sagt: «Die veranschlagten Summen sind zu gering.» Vor allem die wirtschaftlichen Einbussen seien mit 5760 Franken viel zu klein bemessen. Hier ist die Anklagekammer vom ursprünglich zugesprochenen Betrag nicht abgewichen. Kaiser hatte für den wirtschaftlichen Schaden 26'366 Franken verlangt. Dem Landwirt seien 15 Arbeitstage als Verdienst entgangen, zudem habe er Schadenersatzforderungen am Hals, weil er in der Zeit, in der er in Untersuchungshaft sass, die Betreuung der 80 Rinder auf der Alp sowie die Alpabfahrt nicht habe gewährleisten können. «Die Ortsgemeinde musste sechs Personen einsetzen, um die Arbeiten zu erledigen», hatte Kaiser bei der Verhandlung gesagt. Der Rechtsanwalt nimmt an, dass die Anklagekammer auf die Erklärungen gar nicht eingetreten ist.Die Schwiegertochter wurde bisher nicht belangtZur Frage, warum die Schwiegertochter für die Falschaussagen nicht belangt worden war, sagt er: «Mein Mandant war über dieses Recht von seinem früheren, amtlichen Verteidiger nicht aufgeklärt worden.» Mutmassliche üble Nachrede und Verleumdung sind Antragsdelikte, bei denen innerhalb von drei Monaten ein Strafantrag eingereicht werden muss. Auch wegen mutmasslicher Irreführung der Rechtspflege und falscher Anschuldigungen sei die Frau seines Wissens nicht angezeigt worden, sagt Kaiser. «Die Staatsanwaltschaft hätte allenfalls Ermittlungen einleiten können.» Edwin Kopp werde diesbezüglich eine Strafanzeige in Betracht ziehen.Zurück bleibt eine zerrüttete Familie«Mein Klient findet es schlimm, dass er als unbescholtener Bürger in Haft musste und die Urheberin des Verfahrens nicht zur Verantwortung gezogen wurde.»Die Voraussetzung für eine Verurteilung seien aber hoch. «Man muss belegen können, dass die Person wusste, dass sie etwas Falsches sagte.» Die Schwiegertochter Kopps hatte behauptet, ihre eigenen vier Mädchen seien mit den Missbrauchsvorwürfen an sie gelangt. Zurück bleibt eine zerrüttete Familie. Davor sei das Verhältnis Edwin Kopps zu seinen Enkeln bestens gewesen. Möglicher Ursprung der Fehde ist laut Kaiser die Zuteilung des elterlichen Hofs an einen der Söhne – an Stefan Kopp. Weil der andere Sohn und dessen Familie leer ausging, gab es böses Blut. Das Gericht wird seinen Entscheid zu den Geldsummen noch schriftlich begründen. 

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