21.05.2021

Zur Sprache kommen – dank des Geistes

Eine absolute Sprachlosigkeit stellt sich bei mir ein, wenn ich die Bilder aus Israel und Palästina in diesen Tagen sehe.

Von Leila Zmero
aktualisiert am 03.11.2022
Diese Momente kennen wohl alle: wenn einem das Wort im Halse stecken bleibt vor Angst oder wenn jedes auf die Goldschale gelegte, falsche Wort die Situation zuspitzen könnte. Sprachlos zu sein, ist nicht dasselbe wie Schweigen. Während Schweigen ein bewusstes In-Sich-Kehren darstellt, ist Sprachlosigkeit verbunden mit innerer Not und Verschlossenheit.Die Bibel beschreibt das Pfingstgeschehen als ein Ereignis, das alle diese Gefühle von Enge zu sprengen vermochte. In der Apostelgeschichte liest sich das folgendermassen: «Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.»So unglaublich diese Episode klingt – ich traue es dem Heiligen Geist zu, Menschen zum Reden und (ebenso wichtig) zum Zuhören gebracht zu haben. Hätten nämlich damals in Jerusalem die Völker mit so wohlklingenden Namen wie Parther, Meder, Elamiter über den Glauben und den Fortbestand unserer Gesellschaft diskutiert, hätten sie vermutlich die längste Zeit aneinander vorbei geredet. Wo aber Gottes Geist mitmischt, wächst Verständnis füreinander. Dafür brauchte es nicht mal eine Einheitssprache, keinen Kurs, keine intellektuelle Anstrengung. Es war ganz einfach geschenkt, vom Himmel gefallen im wahrsten Sinn des Wortes.Bis heute durchdringt der Heilige Geist, dessen Kommen am Pfingsttag gefeiert wird, unsere Welt. Gerade im «Heiligen Land», auf das die Welt derzeit blickt, gibt es zahlreiche Initiativen, um Menschen aus der Sprachlosigkeit in das Verständnis zu führen. Das «Zelt der Nationen» zum Beispiel ist ein grosser Hof unweit von Betlehem, wo Menschen jeden Alters an Theaterworkshops, Pflanzaktionen oder Schreibateliers teilnehmen. Sie kommen mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen zusammen. Innerhalb kürzester Zeit lernen sie, sich zu «verstehen» – das durfte ich selbst bei meinem Besuch im Jahr 2009 erleben. Am Eingang des Hofs steht in mehreren Sprachen auf Stein gemalt der Spruch «Wir weigern uns, Feinde zu sein».Den Geist, der aus diesem Satz heraus spricht, wünsche ich mir für unsere Gesellschaft. Ich glaube an den Heiligen Geist, der bewirkt, dass diejenigen, die zuerst verbissen um Verständnis für ihre Sache werben, plötzlich auch den anderen verstehen können. Dass es diesen Geist gibt, lehrt uns nicht nur ein Blick in die Geschichte, sondern auch die eigene Erfahrung: Verstanden zu werden ist der Beginn von etwas Grossem. Die Kirche hat so ihren Anfang genommen. Und heute ist ihr Geburtstag.Leila Zmero, Pastoralassistentin, St. Margrethen

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