12.10.2018

Zur «Sonne» gehörten Pferde

Mit der Zerstörung der «Sonne» endet eine weit zurückreichende Wirte-Tradition. Es gab hier ein Restaurant erster Klasse sowie ein Restaurant zweiter Klasse, und Vater Jansen fand sich früher oft zum Jassen ein.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererAnders als im Ortsbildverzeichnis ist die Häusergruppe um Oberriets Bahnstation im kantonalen Inventar erwähnt. Der Gruppe wird eine architekturhistorische Qualität bescheinigt.Das Gasthaus Sonne und der Bahnhof stünden in «raumbildender» Beziehung. Mit dem gewaltigen Jugendstil-Stall auf der Westseite bildete das Gasthaus einst eine beeindruckende Einheit.Das Gebäude entstand kurz nach 1858. In diesem Jahr eröffneten die Vereinigten Schweizerbahnen die Bahnlinie Sargans–St. Gallen. Angesichts der unmittelbaren Nähe zur Bahnstation diente das Gasthaus auch als Bahnhofsrestaurant.Grossvater betrieb FuhrhaltereiUm die Jahrhundertwende betrieb Johann Büchel (der Grossvater des späteren, letzten «Sonne»-Wirts aus Familie Büchel) in der «Sonne» eine Fuhrhalterei. Peter Zünd, in Oberriet Kultur- und Brauchtumsförderer seit Jahrzehnten sowie Mitbegründer des Vereins Museum Rothus, nennt den Pferdehandel ein «einst lukratives Geschäft mit der Armee».Johann Büchel dürfte an der Torfstreu AG beteiligt gewesen sein, die Düngemittel für Vieh- und Pferdestallungen herstellte. Die Torfstreu AG befand sich zuerst südlich der «Sonne», auf dem Platz zwischen dem neuen kleinen Bahngebäude und der Schreinerei Heini Büchel. Ein Teil davon war später die Veloremise für die Bahnbenützer.Der Betrieb wurde – nicht zuletzt wegen des Staubes, den er verursachte – an die Staatsstrasse verlegt (Schollamüli, ehemals Ziegelei Zäch).Nach dem Zmittag kam die JassrundePeter Zünd weiss von vier Räumen für Gäste. Links vom Eingang befand sich der kleine Saal für Familienfeste und Vereinsversammlungen, rechts vom Flur besuchten Stammgäste, Fuhrleute und andere Einkehrende das Restaurant 2. Klasse. Ein Zweier Magdalener oder ein Saft waren hier zwei gängige Getränke.Dahinter befand sich das Restaurant 1. Klasse. Hier ass Peter Zünd als Junglehrer vor langer Zeit regelmässig zu Mittag, zusammen mit Kollegen und Mitarbeitern des Wäschegeschäfts Alfred Weder und der (nicht mehr lebenden) Jansen-Sekretärin Marieli Zäch.«Nach uns», erinnert sich Zünd, «kam die Jassrunde mit Vater Jansen, seinem Mitarbeiter Biedermann und anderen.» In der Gaststätte zeigte der Wandschmuck mehrere Pferdedarstellungen des Malers Iwan Edwin Hugentobler (1886–1972). In der Küche stand ein riesiger, mit Holz betriebener Eisenherd. Wilma Büchel-Kolb, zeitweise unterstützt von ihrer Schwester Blandy, war für ihre ausgezeichnete Küche bekannt. Marie-Theres trat in die Fussstapfen der Mutter, und Serviertochter Rösli Lieberherr «passte ausgezeichnet in den Betrieb», wie Peter Zünd sich erinnert. Büchels hatten zudem zwei Söhne, Jonas und Markus.Wilma Büchels Gatte Erwin, so klein wie energisch, kümmerte sich um den gepflegten Service – kompromisslos, wenn es um die Wirtschaftsordnung ging. Der Wirt starb ziemlich jung und überraschend, weshalb die Gattin den Betrieb zunächst alleine führte.Schliesslich übernahmen Pächter ihn, und Wilma Büchel bezog mit den Kindern einen Neubau nördlich des Gasthauses.Nach der Ära Büchel kam der LärmDer Vater von Wilma Büchel sowie ihren Geschwistern Blandy und Manfred betrieb an Oberriets Staatsstrasse die Schachengarage. Gleich nebenan hatte Blandy Kolb ihren Coiffeursalon. Diesen führt heute die Nichte, also Marie-Theres, die Tochter der früheren Sonne-Wirtin Wilma Büchel.Den späteren Verkauf der Liegenschaft soll Wilma Büchel mit der Zeit bedauert haben, weil die Entwicklung des Betriebs überhaupt nicht der eigenen Vorstellung entsprach.Unter anderem machte der Nachbarschaft der Lärm zu schaffen – ein Problem, das bis im letzten Jahr zu Klagen führte.Wilma Büchel-Kolb starb 2014 im Alter von 90 Jahren.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.