31.05.2019

«Zur Erinnerung, gewidmet von deiner Freundin»

Eine Sonderausstellung im Ortsmuseum Rüthi widmet sich den Poesiealben. Die ältesten Exponate sind über 200 Jahre alt und zeigen, wie liebevoll man lange vor Facebook und Instagram Freundeslisten pflegte.

Von Ruedi Loher
aktualisiert am 03.11.2022
Seit dem Weissen Sonntag zeigt das Ortsmuseum Rüthi im alten Büchler Schulhäuschen eine nicht alltägliche Ausstellung. Eine Poesiealbumsammlung aus Privatbesitz, erweitert mit Leihgaben aus der Region und einzelnen Exponaten aus dem Fundus des Museums, ist unter Glas und in Vitrinen zu besichtigen. Dabei blickt der Betrachter zurück in eine längst vergangene Zeit, als das Freundschaftsbuch in den damaligen Schulmädchenklassen das A und O der unvergesslichen, treuherzigen Verbindung war.Die Vergangenheit wird mit raren, zum Thema passenden Exponaten auf zeitgemässe Art und Weise dokumentiert. Man erkennt in dieser überblickbaren Jahresausstellung sowohl die Blüte als auch den Niedergang der Stamm- und Poesiealbumzeit.Das Stammbuch von Markus Vetsch: «Per amicitiam»Schon im 16. Jahrhundert begleitete das Stammbuch als Gesellenandenken- und -gedenkbuch Patrizier, Studenten, Gelehrte, Handwerker, Gold- und Silberschmiede, auch Pilger, als Ausweis auf ihren Reisen. Obwohl im Brauchtum gefragt, gerieten diese Dokumente im Laufe des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit. Auch der Grabser Bürger Markus Vetsch, bekannt geworden als Patriot und Menschenfreund, geboren 1757, gestorben 1813, führte ein solches Stammbuch, betitelt mit «Per amicitiam». Vorerst als Schneidermeister im Werdenbergischen tätig, beschloss er als Vierzigjähriger und Spätberufener, Arzt und Chirurg zu werden. Befreundete und ihm nahe stehende Menschen liess er in sein Gedenkbuch eintragen. Darunter auch seinen Freund Ulrich Bräker, Schriftsteller, Weber, Garnhausierer und bekannt als der «Arme Mann im Tockenburg».So um 1850 verlor das Stammbuch seine Bedeutung und machte den neuen Poesiealben Platz. Vor allem die Schulmädchen der oberen Klassen pflegten fortan die neue Albumsitte. Die Widmungen folgten einer spürbaren Rangordnung. Rechtsseitig war Platz für den Sinnspruch, links davon für die vorerst von Hand gezeichnete Auszier.Glanzbildchen machten daraus ein Bilderbuch1875 erschienen dann die ersten mechanisch hergestellten Glanzbildchen, die das Album zum Bilderbuch werden liessen. Mittlerweile hielt es auch Einzug in den armen Arbeiter- und Bauernfamilien. Die Buben beteiligten sich eher selten am Albumbrauch. Die Aufmachung der Neuausgabe wurde geschmeidiger, hübscher, mit Samtbezug und Kunstledereinband. Aber auch teurer gingen sie damit über den Ladentisch.Mitte letztes Jahrhundert hat sich das Gedenkbuch abermals verändert. Vielfach sind nur noch vorgedruckte Fragen zu beantworten. Daran muss die Volkskunde und das Brauchtum wenig Freude haben.HinweisDie Poesiealbum-Ausstellung dauert bis im Frühjahr 2020. Das Ortsmuseum Rüthi ist jeden ersten Sonntag im Monat bei freiem Eintritt von 14 bis 17 Uhr offen. Gleichzeitig kann jeweils vis-à-vis das «Schwärzerles-Theres-Hus» besichtigt werden.

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