05.05.2018

Zünds Initialzündung

Ein Vorurteil lautet so: Schlagzeuger sind keine Musiker. Auf der Bühne rackern sie sich im Schatten der anderen ab. Wozu Trommler fähig sind, zeigt der junge Christian Zünd, der den Chef eines Labels beeindruckt.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererEin Kind, das der Mutter eröffnet, als Schlagzeuger wirken zu wollen, wenn es erwachsen sei, bekommt zur Antwort: «Entscheide dich, beides geht nicht.»Klar, ein Witz. Aber einer, der das Dilemma von Drummern umreisst. Obschon keine Band ohne Schlagzeuger auskommt, stehen der Sänger, der Gitarrist, allenfalls der Bassist oder der Saxofonist im Rampenlicht, während der Schlagzeuger oft jene her­vorragende Leistung erbringt, derer sich ein grosser Teil des Publikums nicht wirklich bewusst ist.Präzision wird als selbstverständlich vorausgesetzt, Kreativität ebenso. Dass gute Drummer Köpfchen haben und über ein vorzügliches Koordinationsvermögen verfügen, zählt im Bewusstsein des Publikums eher wenig.Zünd ist der nächste ehrgeizige DrummerWie Schlagzeuger dem Rampenlicht zustreben, ist immer wieder erlebbar. Schon vor Jahrzehnten tat der Diepoldsauer Carlo Lorenzi sich mit besonderen Projekten hervor, der in Altstätten aufgewachsene Enrico Lenzin ist in kurzer Zeit zu einem Star geworden, der mit seinem Alphorn steppt und hohes Können auch sonst mit besonderem Einfallsreichtum verbindet.Christian Zünd, der 34-jährige Altstätter, ist sozusagen der nächste ehrgeizige Drummer. Stets sei es ihm wichtig gewesen, nicht bloss in dieser Rolle gesehen zu werden, sagt er und fügt nüchtern bei: «Der, der heraussticht, ist der Drummer aber sicher nicht.»Er hat jetzt sein eigenes TrioChristian Zünd legt Wert darauf, viel mehr zu tun als bloss das Fundament für Bands zu legen. Er hat daher seine eigene Band gegründet, deren Name Durchschlagskraft verspricht.«Initialzündung» nennt sich die Formation, Christian Zünd sagt «Mis Trio». Es spielt Jazz, rockt aber auch – und hat eine EP eingespielt, einen Tonträger mit vier Stücken und einer Spieldauer von 25 Minuten.Mit dieser Musik könnte der Schlagzeuger Aufsehen erregen. Denn der Schweizer Jazzgitarrist Harald Haerter, der früher unter anderem mit einem der weltweit einflussreichsten Jazzmusiker zusammenspielte (dem amerikanischen Tenorsaxofonisten Michael Brecker), ist von der «Initialzündung»-Musik begeistert. Der Sechzigjährige ist Chef des Jazzlabels Unit Records und beabsichtigt, die Songs der Rheintaler Band voraussichtlich im Herbst herauszubringen.Hervorragend nennt Haerter die EP. Eine starke rhythmische Kraft verbinde sich mit grosser Virtuosität.Was Christian Zünd und seine Kollegen darböten, hebe sich auf angenehme Weise von anderem ab, auch dank des ständigen Wechsels zwischen Spannung und Entspannung. Zur Virtuosität erzeuge die Gitarre einen schönen, lyrischen Gegenpol.Mit einer Punkband fing alles anBegonnen hatte Christian Zünds Bühnenspass auf eine für einen Schlagzeuger ganz und gar un­typische Weise. Als 15-Jähriger, in der Punkband «Pea!!» («Mit Doppelausrufezeichen, ganz wichtig», sagt Christian Zünd), war der Drummer zugleich der Leadsänger.«Relativ speziell» sei das gewesen; der Schlagzeuger lächelt. Man stelle sich vor, wie der Punker auf seine Trommeln eindrischt, zugleich singt – natürlich «völlig ausser Atem».Zwischen «Pea!!», dem ersten grösseren Bandabenteuer, das vier Jahre dauerte, und «Initialzündung» liegt sehr viel Kraft, die Christian Zünd vorangebracht und zu einem sicheren Wert für so viele Formationen gemacht hat, dass beide Hände nötig sind, um alle Bands aufzuzählen, in denen der Altstätter spielt.«Hit happens» betreibt er zusammen mit seiner singenden Freundin Patricia Fehr seit drei Jahren, von «Karisma» gibt es eine eben erst getaufte CD, Summervoogil», die bekannte Diepoldsauer Kinderband, bringt am 25. Mai ebenfalls eine CD heraus, die Peter Lenzin Band tritt in den nächsten Wochen dreimal in der Gegend auf, und mit Pirmin Hubers Ländlerorchester wird Christian Zünd schon bald in Zürich auf der Bühne sein. Zudem ist der Altstätter Mitglied des Quartetts Robin Mark sowie des Marcel Oetiker Trios, und zusammen mit seiner Schwester Sonja Zünd wirkt er bei «Freundschaftsspiel» mit.In musikalischer Familie aufgewachsenChristian Zünd ist in einer musikbegeisterten Familie aufgewachsen. Der Vater war lange Stadtmusik-Präsident, Bruder Marcel, zunächst Schlagzeuger, stieg aufs Euphonium um. Des Bruders Schlagzeug sah Christian Zünd schon als Knirps herumstehen, er setzte sich davor und machte sich mit ihm vertraut. Als Achtjähriger fing er mit Schlagzeugunterricht an. Heute ist er selbst Lehrer, zu ungefähr vierzig Prozent – an der Musikschule des oberen Rheintals und jener in Oberuzwil.Christian Zünd ist gelernter Bauspengler. Erst nach der Lehre kam das Musikstudium, an der Jazz-Hochschule Luzern, «eine sehr prägende Zeit». Mit sechzehn sei er dafür nicht bereit gewesen.Die Beschränkung auf nur eine Sache widerspricht Christian Zünds Naturell. Schon deshalb macht er in mehreren Bands mit und spielt auch E-Bass und E-Gitarre. In der Band «Karisma» hat er beim Songaufbau mitgeredet, kompositorisch blüht er hingegen als Initialzündungs-Bandleader auf. Und anders als bei Rock und Pop steuert Christian Zünd im Jazztrio nicht nur die Songs, sondern sitzt hier hinter dem Schlagzeug als einem gleichberechtigten Instrument. Mit «Intitialzündung» steht Christian Zünd an der Schwelle zu überregionalem Erfolg.

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