02.08.2019

Zu warm im «Totenhaus»

Die neue Aufbahrungshalle muss klimatechnisch nachgerüstet werden.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Die Hitzewelle, die auch im Rheintal das Thermometer auf Temperaturen um die 35 Grad steigen liess, liegt gut eine Woche zurück. Während dieser Zeit hätte eine Verstorbene in der an Pfingsten eingeweihten Aufbahrungshalle auf dem katholischen Friedhof Kirchenfeld aufgebahrt werden sollen. In den dortigen Räumen war es allerdings deutlich zu warm für die Aufbahrung eines offenen Sarges. Das letzte Abschiednehmen fand für Angehörige und Freunde deshalb in der Aufbahrungshalle bei der evangelischen Kirche an der Vorderen Kirchstrasse statt. Dort kommt ein Kühlkatafalk zum Einsatz.Zwei Aufbahrungshallen stehen zur Verfügung«Ich bedaure die Situation für die Angehörigen sehr», sagt Christian Müller, Präsident der Katholischen Kirchgemeinde Diepoldsau. Zum Zeitpunkt des Vorfalls befand sich Müller in den Ferien. Unterdessen habe er sich mit der Gemeinde in Verbindung gesetzt. In Diepoldsau verfüge man gottlob über zwei Aufbahrungshallen im Dorf,  «da kann man sich helfen, wenn es die Situation erfordert», sagt Christian Müller; es herrsche ein gutes Einvernehmen und das nötige Verständnis sei vorhanden. Müller weist darauf hin, dass sich beide Trauergebäude, die Halle bei der evangelischen Kirche wie auch die neue Aufbahrungshalle auf dem Friedhof Kirchenfeld, im Besitz der Politischen Gemeinde befänden. Sie sind sozusagen überkonfessionell. Anders als die beiden Friedhöfe, die der katholischen, bzw. der evangelischen Kirchgemeinde gehören.Aber woran liegt es überhaupt, dass es in der neuen Aufbahrungshalle viel zu warm wird? Patrick Spirig, Präsident der Diepoldsauer Baukommission, nimmt dazu Stellung. Er sagt: «Die Berechnungen der Experten gingen davon aus, dass die Raumtemperatur nicht über 23 bis 24 Grad steigt.» Anscheinend habe der Baukörper jedoch den extrem hohen Temperaturen nicht standgehalten, trotz Massivbauweise. Bestatter Roger Spirig habe, als es während des besagten Zeitraums im Juli immer heisser wurde, in den Aufbahrungsräumen mehrfach die Temperatur kontrolliert, mass eine Raumtemperatur um die 30 Grad und sei zur Überzeugung gelangt, dass es für eine Aufbahrung  im offenen Sarg im Gebäude schlicht zu heiss sei.Auf die Schnelle lässt sich eine zu hohe Raumtemperatur in der neuen Aufbahrungshalle nicht korrigieren. Die Lüftung arbeitet in einer Art Umluftsystem auch mit Aussenluft, eine Kühlplatte ist für die Sargkühlung vorgesehen. Die Kühltechnik sei «das Kernthema des Hauses», sagt Architekt Thomas Nüesch. Die Hutter Nüesch Architekten AG in Berneck hatten den Projektwettbewerb zur Gestaltung der neuen Aufbahrungshalle vor zwei Jahren mit ihrem Projekt «Totenhaus» gewonnen. Eben diese Kühltechnik muss jetzt nachgebessert werden. Nach den Ferien werde die Baukommission mit den Architekten und Experten der Kältefirma zusammenkommen, sagt Patrick Spirig. Geplant sei, einen Temperaturfühler anzubringen, der ab einer gewissen Gradzahl eine Vorkühlung der Luft in Gang setze. Dies soll mittels eines Klimageräts geschehen, das in einem Nebenraum untergebracht werden könne.Die üblicherweise für die Kühlung eines Sarges eingesetzten Kühlkatafalke werde es auch jetzt nicht geben, versichert Spirig. Die Entscheidungsträger, also auch er, hätten sich damals bewusst für eine schlichte Kühlplatte entschieden, die einen Abschied am offenen Sarg ohne grössere Distanz ermögliche. «Wir wollten keinen Kühlkatafalk», sagt er. Zwar sei diese Kühlmethode weit verbreitet, jedoch habe man im Kanton eine Aufbahrungshalle mit Kühlplatte besichtigen können und sich aus Überzeugung für diese Variante entschieden, die mehr Nähe zum Verstorbenen zulasse. Zumal die beigezogene Klimafirma keine Einwände gegen eine Kühlplatte vorgebracht habe. Der von den Architekten gestaltete Raum habe eine sehr spezielle Atmosphäre, durch den hohen Giebel und mit seitlichem Lichteinfall durch ein Oberlicht, die nicht durch einen Kühlkatafalk gestört werden sollte. «Gerade das Begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes», sei wichtig beim Abschied von einem Verstorbenen, ist Diakon Bernd Bürgermeister überzeugt. Er sei «froh drum», dass es in der neuen Aufbahrungshalle, die er selbst an Pfingsten eingeweiht hatte, für Hinterbliebene die Möglichkeit gibt, am offenen Sarg zu verweilen.Ein umsichtiger und sensibler BestatterAuf den Vorfall an sich angesprochen, versichert der Pfarreibeauftragte (auch er befand sich währenddessen in den Ferien), er sei «sehr froh», in Roger Spirig einen so «umsichtigen, sensiblen Bestatter» zu haben, der die Situation richtig erkannt habe und von einer Aufbahrung abriet. Womöglich hätte man sonst die Aufbahrung aufgrund der anhaltenden Hitze abbrechen oder die Person umbetten müssen. «Ein No-Go», gab Bernd Bürgermeister seinen schlimmsten Vorstellungen Ausdruck.Die Kosten für die kühltechnische Nachrüstung werden sich laut Patrick Spirig in Grenzen halten. Man habe sich zwar aus ideellen Gründen für eine Kühlplatte entschieden, nicht aber aus finanziellen. Diese Variante sei jedoch günstiger als ein Kühlkatafalk, für den man etwa 10000 Franken pro Raum rechne müsse. «Mit der nachzurüstenden Kühlung kommt das jetzt gleich teuer.»Der KatafalkUnter einem Katafalk versteht man ein Gestell, ummantelt mit schwarzem Tuch, auf dem der Sarg während der Trauerfeier steht. Bei einem Kühlkatafalk wird der Sarg durch eine Umrandung gekühlt, in die er hineingeschoben wird. Die Ausführungsvarianten sind zahlreich. Bei manchen Modellen ist es lediglich möglich, den Kopf der im Sarg liegenden Person zu sehen. (acp/pd)

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