Die 36-jährige Caroline Schärli wuchs im Kanton Baselland auf und studierte Kunstgeschichte und Religionswissenschaft in Basel und Berlin. In der Römerstadt Augusta Raurica in Augst und im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin erlangte Caroline Schärli erste Erfahrungen im Museumsbereich. Sie war wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Ältere Kunstgeschichte des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel und kuratierte im Museum Kleines Klingental in Basel zwei Sonderausstellungen. In den letzten zwei Jahren arbeitete Caroline Schärli als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Schweizerischen Studienstiftung in Zürich. Seit 2016 wohnt Caroline Schärli in Buchs und hat im Rheintal bereits diverse kunsthistorische Aufgaben übernommen.Sie sind seit 1. April Kuratorin des Museums Prestegg – wie waren Ihre ersten Arbeitswochen?Caroline Schärli: Meine ersten Arbeitstage waren gut und sehr vielseitig. Aufgrund der aktuellen Situation habe ich meine Tätigkeit im Museum Prestegg von zu Hause aus aufgenommen, was natürlich ungewöhnlich war. Sofern möglich, werden viele Dinge im Homeoffice geregelt – sei es die gemeinsame Begutachtung von Bauplänen oder die Besichtigung der Museumsdepots. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit den engagierten Vorstandsmitgliedern des Museumsvereins klappen sehr gut, sodass das Projekt Prestegg vorangetrieben werden kann.Welche Aufgaben übernehmen Sie als Kuratorin?Meine Aufgaben betreffen alle Aspekte rund um die Sammlung sowie die Ausstellungen des Museums. Als Kuratorin verantworte ich einerseits den Erhalt, die Inventarisierung und die Erweiterung der Objektbestände, andererseits habe ich die Aufgabe, Ausstellungen zu konzipieren. Aktuell stehen die Konzeption und Umsetzung der neuen Dauerausstellung im Vordergrund. Dabei gibt es viel zu entscheiden: Welche Themen sollen in der Ausstellung behandelt werden? Welche Objekte werden ausgestellt? In welchem Raum wird was präsentiert? Dafür arbeite ich mich wissenschaftlich in die einzelnen Themengebiete ein und stehe mit verschiedenen Institutionen und Leihgebern im Austausch. Gemeinsam mit dem Szenografen und Grafiker werden daraufhin die Gestaltung, die Art der Präsentation und das Beschriftungskonzept der Ausstellung entworfen. Nachdem die Exponatauswahl getroffen ist, besteht meine Aufgabe darin, die Texte und Beschriftungen für die verschiedenen Ausstellungsbereiche und einzelnen Exponate zu verfassen. Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld liegt in der Vermittlung der kulturhistorischen Inhalte und der Öffentlichkeitsarbeit.Worauf freuen Sie sich am meisten?Besonders freue ich mich darauf, wenn die theoretischen Überlegungen zur Ausstellungskonzeption nach und nach formale Gestalt annehmen – zuerst auf dem Papier und dann beim Aufbau der Ausstellung in den Räumen der Prestegg. Auch freue ich mich sehr auf den Moment, wenn der umgebaute Gebäudekomplex einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann und die Leute hoffentlich Freude an den Ergebnissen haben werden.Zu Ihren Aufgaben gehört es, das Museum bis 2021 neu aufzugleisen. – Was wird neu und wieso die Neuausrichtung?Meine Aufgabe ist es, das Museum konzeptionell neu zu entwerfen. Die Neuausrichtung ist im Kontext der Umbauarbeiten am Gebäudekomplex zu sehen, deren Vorbereitungen viele Jahre zurückreichen. Notwendig erschien die Neuausrichtung des Museums schon seit Längerem, da die Dauerausstellung stark in die Jahre gekommen war. Der Umbau birgt die Chance, das Museum und sein Ausstellungskonzept grundlegend zu modernisieren, um zukünftig auch ein breiteres und jüngeres Publikum anzusprechen und eine höhere Sichtbarkeit in der Region und über die Region hinaus zu erlangen. Zusätzliche Räume, nach neuestem technischen Stand, bieten eine grössere Ausstellungsfläche und Platz für Workshops, und ein kleines Museumscafé soll die Besucher zum Verweilen einladen. Inhaltlich wird der Fokus der Dauerausstellung zukünftig stärker regional ausgerichtet sein, wobei die Geschichte des Rheintals von der Frühzeit bis in unsere Tage attraktiv präsentiert und anschaulich vermittelt werden soll. So werden auch Themen wie der Weinbau, mittelalterliche Verkehrswege oder Industriegeschichte eine Rolle spielen. Regelmässig wechselnde Ex-ponate, Sonderausstellungen, Workshops und Projekte mit Schulen oder anderen Institutionen sollen einen stärkeren Bezug zur Bevölkerung, zur Gegenwart und zur Ostschweizer Kulturlandschaft herstellen. Das Museum Prestegg will ein offener, attraktiver und dynamischer Ort zeitgemässer Kulturvermittlung werden. Im Gegensatz zum bisherigen saisonalen Betrieb wird das Museum künftig ganzjährig geöffnet sein.Die Prestegg ist ein Zentrum für Geschichte und Kultur – wie zeigt sich das?Das zeigt sich in der örtlichen Zusammenführung des Museums und des Diogenes-Theaters. Diese Kombination birgt zahlreiche Synergien. Ausserdem befindet sich unter demselben Dach die dem Museum angegliederte Neue Rheintalische Lesebibliothek mit ihren historischen Beständen, die verstärkt dem Publikum zugänglich gemacht werden soll. Nebst den Museumsausstellungen und den Aufführungen im Theater sollen in der Prestegg künftig vermehrt weitere kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Der Göttersaal mit seiner einzigartigen barocken Deckenmalerei soll wieder häufiger für Konzerte genutzt werden, zumal das Museum mit seinen wertvollen historischen Tasteninstrumenten über beste Voraussetzungen verfügt. Der grosse neue Museumssaal im Dachgeschoss wiederum bietet viel Raum für Kreativität, für Vorträge, Präsentationen und verschiedene andere Anlässe.Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen, respektive die grössten Chancen fürs Museum?Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, ein stringentes und nachhaltiges Konzept zu erarbeiten, das zahlreichen Anforderungen gerecht wird. Ziel ist es, dem Museum ein neues Profil zu verleihen, das nicht zu breit angelegt ist, aber viele Möglichkeiten für die Zukunft offenlässt. Im Austausch mit dem Vorstand des Museumsvereins gilt es für mich zu definieren, wo die Schwerpunkte angesiedelt sein sollen und welches Image man für das Museum anstrebt. Chancen liegen in den guten Rahmenbedingungen: die Kombination aus historischer, denkmalgeschützter Bausubstanz mit schlichten, zeitgenössischen Museumsräumen, die unmittelbare Nachbarschaft zum Diogenes-Theater und die gute Lage in Altstätten am Rand der historischen Altstadt. Es bestehen also sehr gute Voraussetzungen, um das Museum als Zentrum für Geschichte und Kultur des St. Galler Rheintals zu positionieren.Wie beeinflusst die Pandemie Ihren Alltag? Welche Auswirkungen hat sie auf das Museum? Und die Museenlandschaft in der Schweiz?Die Pandemie beeinflusst auch meinen Arbeitsalltag stark. Obwohl ich viele Dinge gut von zu Hause aus erledigen kann, wirkt sie sich insgesamt schon ein wenig erschwerend aus. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen sind die Folgen aktuell für mich glücklicherweise nicht gravierend. Die Krise spornt einen auch an, neue Lösungen zu finden. Auf das Museum wirkt sich die Pandemie insofern aus, als die für Anfang April angesetzte Eröffnung der Sonderausstellung «150 Jahre Feuerwehr Altstätten» auf Juni verschoben wurde. Da der Schutz der Risikogruppen oberste Priorität hat, sind wir aufgefordert, im Hinblick auf den Betrieb der bis Anfang Oktober laufenden Ausstellung die entsprechenden Massnahmen zu ergreifen. Ob die Pandemie längerfristige Folgen für das Museum Prestegg und für die Museumslandschaft in der Schweiz haben wird, ist derzeit für mich nicht abzuschätzen. In jedem Fall ist es für Museen, die wie die meisten kulturellen Institutionen vom direkten, unmittelbaren Kontakt mit Besuchern leben, ein grosser Einschnitt und eine sehr herausfordernde Situation, die es mit viel Kreativität und einer möglichst positiven Einstellung zu überwinden gilt.