31.01.2020

«Wir wollen nicht zum Verkauf zwingen»

In der Gemeinde Oberriet ist es schwierig, zu Bauland zu kommen. Rolf Huber erklärt, wie der Gemeinderat das Problem lösen möchte.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
In Oberriet, Eichenwies, Montlingen, Kriessern und im Berggebiet der Gemeinde gibt es über 300 nicht überbaute Bauplätze. Eine Umfrage letztes Jahr ergab aber, dass nur wenige Grundeigentümer bereit sind, ihren Boden zu verkaufen. Für die Gemeinde ist das ein Problem. Der Gemeinderat könnte die Grundeigentümer zwar zum Verkauf zwingen; so weit möchte er aber nicht gehen.Wenn ich mich hier und jetzt nach einem Bauplatz in der Gemeinde erkundige, was können Sie mir anbieten?Rolf Huber: Gar nichts. Die politische Gemeinde verfügt zurzeit über kein Bauland. Ich bekomme fast wöchentlich solche Anfragen. Aber auch auf den Immobilienportalen findet man heute kaum mehr Bauland ausgeschrieben.Neues Bauland einzuzonen ist nicht möglich?Nein. Weil es in der Gemeinde noch viele nicht überbaute Parzellen gibt. Von welcher Grössenordnung sprechen wir?Von rund 300 Grundstücken. Das sind nicht gerade wenige.Das ist so. Fährt man mit dem Auto durch die Dörfer, mag es einem vielleicht nicht auffallen. Aber ist man zu Fuss unterwegs, sieht man, dass es in den Dörfern viele Baulücken gibt.Also sollte man doch meinen, wer bauen möchte, müsste Boden dafür finden können?Nach heutigen Berechnungsvorgaben des Kantons sollte das noch nicht überbaute Bauland in der Gemeinde auf 25 Jahre hinaus reichen. Nur: Eine Umfrage  letzten Sommer unter den Grundeigentümern ergab, dass viele nicht verkaufen möchten.Spricht etwas dagegen, dass man sein Grundstück für Kinder oder Kindeskinder zurückbehält?Das kann man niemandem verübeln. Aber wenn dies alle tun, ist es für die Gemeinde nicht gesund. Sie kann sich so nicht entwickeln.Entwicklung heisst Wachstum. Ist das überhaupt nötig?Ein gewisses Wachstum braucht es, ja. Ziehen keine Familien zu, besteht die Gefahr, dass einer Gemeinde irgendwann die junge Generation fehlt.Das neue Planungs- und Baugesetz von 2017 ermöglicht es den Gemeinden, Grundeigentümer zum Überbauen oder Verkaufen zu zwingen.Die Möglichkeit besteht, ja. Indem zuerst noch nicht überbautes Bauland verbaut wird, bevor neues eingezont wird, soll der Zersiedelung entgegengewirkt werden. Sie waren bereits Kantonsrat, als das Gesetz beschlossen wurde. Waren Sie dafür?Ich habe dem Gesetz zugestimmt, ja. Ich stehe auch zu jenem speziellen Artikel. Ich bin der Meinung, dass die Gemeinden eine Möglichkeit brauchen, Druck auszuüben, wenn sie nicht überbautes Bauland nicht auf andere Weise verfügbar machen können.Müssen die Leute nun also fürchten, dass sie gezwungen werden, ihr Bauland zu verkaufen? Meines Wissens hat noch keine Gemeinde auf diesen Gesetzesartikel zurückgegriffen. Ich denke aber, dass der erste Fall wegweisend sein dürfte.Und wie hält es der Gemeinderat Oberriet damit?Wir werden bestimmt nicht die Ersten sein. Der Gemeinderat würde diesen Gesetzesartikel lieber nicht anwenden. Ich bin überzeugt, dass wir es die nächsten zehn Jahre auch nicht müssen. Aber ich kann nicht ausschliessen, dass es irgendwann doch nötig werden könnte.Wie möchten Sie die Bauparzellen denn sonst verfügbar machen?Wir möchten nicht von oben herab, sondern auf derselben Augenhöhe mit den Grundeigentümern reden und sie ermutigen, mit der Gemeinde eine vertragliche Vereinbarung einzugehen, in der sie sich dazu verpflichten, ihren Boden innert einer Frist, die ihnen dient, zu überbauen oder zum Verkauf auszuschreiben. Der Mustervertrag wird momentan erarbeitet.Wird Oberriet nicht ver­städtern, wenn alle Bau­lücken überbaut werden?Unsere Gemeinde hat aktuell etwas mehr als 8900 Einwohner. Wir werden wegen unserer Struktur mit fünf Dörfern aber nie zu einer Stadt werden, auch mit innerer Verdichtung nicht. Viele haben ohnehin eine ganz falsche Vorstellung davon. Auch bei innerer Verdichtung wird weiterhin viel Grün in den Dorfquartieren möglich sein. Das streben wir auch an. Grün im Siedlungsraum gehört zur Lebensqualität. Die Gemeinde hat das baufällige, solitär stehende «Bad Kobelwies» gekauft, um es abzubrechen, die Fläche auszuzonen und anderswo dafür einzonen zu können. Für die Einzonung einer sinnvollen Fläche müsste aber wohl anderswo mehr als nur eine Parzelle ausgezont werden. Welches Potenzial besteht dafür?Das lässt sich jetzt noch nicht beantworten. Das wird sich im Rahmen der Ortsplanungsrevision erst noch zeigen. 2007 hat die Gemeinde mit einem Teilzonenplan verstreut liegende Bauparzellen in den Weilern des Berggebiets ausgezont, teils gegen den Willen der Eigentümer, um in Kobelwald Bauland einzonen zu können. Wäre dieses Vorgehen erneut denkbar?Wir haben heute nicht mehr so viele verzettelt liegende Einzelbauparzellen wie damals. Aber auch ohne solche: Dass eine Zonenplangesamtrevision ohne Einsprache über die Bühne geht, dürfte etwa so wahrscheinlich sein wie ein Lottosechser. Es sind beispielsweise auch Gesuche zur Einzonung von Parzellen eingereicht worden. Das wird nicht überall möglich sein. Wir werden auch Grundbesitzer enttäuschen müssen.Wann wird die Ortsplanungs­revision abgeschlossen sein?Das lässt sich noch nicht sagen. Ziel ist, die Pläne 2021 oder 2022 auflegen zu können. Danach hängt es davon ab, durch wie viele Instanzen die Einsprachen gezogen werden.HinweisMehr zur Ortsplanungsrevision auf der Gemeinde-Homepage: www.oberriet.ch/de/raumplanung

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