08.11.2019

«Wir wollen aktiv zusammenarbeiten»

Mit «Young-Tec-Fun» will der AGV Rheintal bereits Primarschüler fürs Technische begeistern. In Koordination mit bestehenden Angeboten.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea C. PlüssKlaus Brammertz, CEO Bauwerk Boen Group, steht der Fachgruppe des AGV Rheintal vor, die sich mit dem Fachkräftemangel beschäftigt. Ziel ist es, mit dem Konzept «Young-Tec-Fun» die Zahl der Lernenden mittelfristig zu erhöhen, die eine Ausbildung in einem technischen Beruf in Angriff nehmen.Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf das unternehmerische Wachstum der Rheintaler Betriebe aus?Klaus Brammertz: Fachkräftemangel schränkt das Wachstum nachweislich ein. Derzeit können im St. Galler Rheintal gut 1740 Stellen nicht besetzt werden, hat die Analyse der FHS-Studenten ergeben.Wer hatte die Idee, ein Praxisprojekt zum Thema Eindämmung des Fachkräftemangels zu lancieren?Die Idee kam von mir. Da ich seit mehr als zehn Jahren die Qualität der studentischen Praxisprojekte der FHS St. Gallen kennen und schätzen gelernt habe. Zusammen mit Thomas Harring, dem COO/CFO von Leica Geosystems, vertrete ich das Rheintal in der Jury für den WTT Young Leader Award.Haben Sie dem Projektteam eine Richtung vorgegeben?Nein, keine Richtung, aber wir haben den Rahmen zwischen der Fachgruppe Fachkräftemangel des AGV Rheintal und den Studierenden festgelegt.Der erste Konzeptansatz, den die Studierenden entwickelt haben, heisst «Young-Tec-Fun». Das Konzept setzt bei Schulkindern in der dritten Klasse an. Welche Schritte plant der AGV Rheintal zur Umsetzung des Konzepts?Zunächst möchten wir die bereits laufenden Initiativen wie «Fit für die Lehre», «Chance Industrie», «SchuWi» und das Standortmarketing des Vereins St. Galler Rheintal (VSGR) aktiv mit einbinden und dann ein Pilotprojekt starten mit einigen wenigen Schulgemeinden, um das Konzept auszutesten und gegebenenfalls anzupassen. Danach geht es Zug um Zug um die weitere Multiplikation im Rheintal.Der pädagogische Konzeptansatz schliesst nebst der Schülerschaft auch die Information und Aufklärung von Eltern und Lehrpersonen ein – in 17 Schulgemeinden. Wer soll diese Aufgabe übernehmen?Wir setzen auf eine Integration in die vorgenannten erfolgreichen Initiativen und bieten Hand und Unterstützung in der Umsetzung. Die entsprechenden Diskussionen laufen bereits.Tragen die bestehenden Aktivitäten nicht ausreichend Früchte für den hiesigen Arbeitsmarkt?Diese Initiativen sind vorausschauend und top, aber sie reichen ganz offensichtlich noch nicht aus. Wir wollen aktiv zusammenarbeiten.Wann soll «Young-Tec-Fun» an den Start gehen?Nach Möglichkeit möchten wir im nächsten Jahr mit den ersten Aktivitäten starten.Zum Praxisprojekt gehörte eine Umfrage bei AGV-Mitgliedsunternehmen. Der Rücklauf lag bei gut 25 %. Wie erklären Sie sich den eher niedrigen Wert?Wir haben mehr erwartet, vor allem von den Klein- und Kleinstunternehmen. Vielleicht hätte eine noch persönlichere Ansprache mehr bewirkt. Dennoch ist eine 25 %-ige Rücklaufquote heute im oberen Erwartungsbereich.Bei «Young-Tec-Fun» sind die Mitgliedsunternehmen aktiv gefordert. Schülerinnen und Schüler sollen Arbeitsprozesse in den Unternehmen kennenlernen. Ist die Partizipationsbereitschaft hoch genug?Darauf hoffen und zählen wir. Denn die selbstgenannten Fakten sind ernüchternd genug. Wenn wir nicht gegensteuern, werden uns in fünf Jahren über 5000 Fachkräfte fehlen.Der Verein St. Galler Rheintal hat ebenfalls zwei Praxisprojekte in Auftrag gegeben, zum Themenkreis Freizeit, Familie, Karriere. Lassen sich da Verknüpfungen herstellen?Oh ja, sehr gut sogar. Hier hat eine Vernetzung stattgefunden und die ist unabdingbar. Standort-Attraktivität ist eine der wichtigsten Faktoren für die Gewinnung und das Halten von Arbeitskräften .Die Konjunktur schwächt sich ab, Furcht vor einer Rezession wächst. Auch Rheintaler Industrieunternehmen spüren das. Inwieweit wären die entwickelten AGV-Konzepte davon betroffen?Relativ wenig. Leider setzt eine Rezession auch Arbeitskräfte frei, die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass in der Regel die Qualifikationen der Arbeitskräfte, die in Phasen einer stagnierenden oder gar rückläufi-gen Konjunktur den Arbeitsplatz verlieren, nicht dem Bedarf entsprechen, der bereits vorher dem Markt nicht zur Verfügung stand. In diesen Fällen wird Umschulung ein wichtiges Thema sein.

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