Projekte wie «Selbstbestimmtes Wohnen im Alter» bräuchten eben Zeit. Andere Gemeinden arbeiteten auch nicht schneller, meint die Präsidentin.Frau Troxler, Sie haben Jahrgang 1958 und werden somit übernächstes Jahr pensioniert. Angenommen, Sie werden wiedergewählt: Wie lange bleiben Sie als Gemeindepräsidentin im Amt?Silvia Troxler: Mein Ziel ist klar, das Amt nochmals vier Jahre auszuüben. Ich hege keinerlei parteipolitische Absichten.Ein überparteiliches Komitee wirft Ihnen vor, für Balgach in acht Jahren zu wenig erreicht zu haben. Ich nehme an, Sie haben das zwölfseitige Positionspapier des überparteilichen Komitees gelesen, das Reto Schmidheiny unterstützt. Was sagen Sie dazu?
Ich bin sehr erstaunt über die massiven Vorwürfe und Unterstellungen. Es wird mit sehr verallgemeinernden Behauptungen operiert – ohne konkrete Grundlagen und ohne dass genau deklariert würde, was gemeint ist. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Exponenten einer Partei, die im Gemeinderat mit drei Mitgliedern vertreten ist, den Vorwurf erhebt, der Gemeinderat habe zu wenig erreicht.Sie meinen die FDP.
Ja. Ich frage mich, wie ihre langjährigen Gemeinderäte, die ja in die Arbeit eingebunden waren, zu so einer Einschätzung gelangen können.Schon vor der Publikation des genannten Papiers haben Sie in der «Balger Zittig» 4/2020 gesagt, Balgachs Standortattraktivität sei in den letzten Jahren wesentlich erhöht worden. Halten Sie die Kritik des überparteilichen Komitees für völlig verfehlt oder gibt es Projekte, bei denen Sie selbstkritisch sagen «Da hätte mehr erreicht werden sollen»?
Die geäusserte Kritik betrifft sehr komplexe und generationenübergreifende Projekte. Nehmen wir als Beispiel das Wohnen im Alter. Im Moment erarbeiten wir Machbarkeitsstudien in drei Varianten samt einer groben Schätzung der Kosten. Danach soll die Architekturausschreibung erfolgen.Andere Gemeinden sind bereits deutlich weiter als Balgach.
Andere Gemeinden arbeiten nicht schneller. Widnau beispielsweise hat sich viel früher und deutlich vor meinem Amtsantritt mit dem Thema zu beschäftigen begonnen. Im Wahlkreis Rheintal werden derzeit über 120 Mio. fürs Wohnen im Alter investiert – ohne Balgach.Wollen Sie damit sagen, das Angebot in der Region sei bereits so gross, dass Balgach es nicht eilig habe?
Überhaupt nicht, nein. Aber in unsere Überlegungen musste einbezogen werden, was rund um Balgach passiert. Ein nachhaltiges und überzeugendes Projekt braucht Zeit und setzt eine seriöse Klärung vieler Fragen voraus – welches stationäre und ambulante Angebot ist sinnvoll, welches Raumangebot nötig, ist das Modell mit integriertem Demenzangebot wie bisher weiterzuverfolgen oder nicht? Ob eine Auslastung bei 98 % oder bei 90 % liegt, spielt eine wesentliche Rolle. Wir sollten uns bewusst sein: Jedes leere Bett verursacht Kosten.Die Orts- und Raumplanung komme «nur schleppend» voran, die Beseitigung der Hochwassergefahr am Dorf- und Wolfsbach sei überfällig, doch es tue sich nichts – und bei der Erarbeitung von regionalen Verkehrslösungen stehe Balgach abseits, meinen Ihre Gegner weiter.
Beginnen wir beim Verkehr. Der Vorwurf ist völlig haltlos. Balgach ist Mitglied im Verein Agglomeration Rheintal und im Verein St.Galler Rheintal. Unser Gemeinderat hat sich stets für eine gute Gesamtlösung eingesetzt. Das wird sich mit Bezug auf die grossen Verkehrsthemen, die auch unser Dorf betreffen, in der fünften Generation des Aggloprogramms niederschlagen. Abseits stehen wir in keiner Weise, denn ich bringe als Vertreterin der Gemeinde Balgach unsere Anliegen ein.Sie persönlich, als Gemeindepräsidentin, sind aber nicht im Vorstand des massgeblichen Gremiums.
Das stimmt, aber das sind auch andere Gemeindepräsidenten nicht und ist auch nicht unbedingt erforderlich. Die grossen Themen wie Verkehr werden im Rahmen des Aggloprogramms von ausgewiesenen Fachexperten erarbeitet und mit den Gemeindepräsidenten/Gemeinderäten jeweils im Rahmen von Workshops oder Informationsveranstaltungen reflektiert und diskutiert. Balgach bringt sich – wie alle anderen Gemeinden auch - gegenwärtig vor allem innerhalb des Agglomerationsprogramms ein.In der erwähnten «Balger Zittig» führen Sie Ihre unbestrittenen Leistungen auf, unter anderem Schülerhort, Traube-Areal-Neugestaltung, Hallenbad-Ausbau, Umstrukturierung der Bauverwaltung, Quellsanierungen, Strassen- und Kanalisationsprojekte, Internes Kontrollsystem. Was sagen Sie zur Kritik, Sie würden mehr verwalten als gestalten?
Das Traubenareal ist zusammen mit der Bauherrschaft unter Mitwirkung der Denkmalpflege und der Ortsplanung gestaltet worden. Zur Entwicklung des Wild Heerbrugg Areals gehört ebenfalls sehr viel gestaltende Arbeit: Wie soll das Areal künftig aussehen, wie fügt sich das Areal ortsbaulich in die Umgebung (Schloss Heerbrugg) und wie können sich die Unternehmen baulich weiterentwickeln? Auch die Ortsplanung hat viel mit Gestaltung zu tun: Wo sollen Freiflächen bestehen, wo soll der Charakter einzelner Gebiete bewahrt werden und wo eine starke Innenverdichtung stattfinden? Zusammen mit dem Amt für Raumentwicklung und Geoinformation, aber auch ratsintern gelangte man zum Schluss, dass das räumliche Entwicklungskonzept vom Februar 2019 detaillierter weiterentwickelt werden muss. Nun liegt ein ortsbaulich reifes Konzept vor, das am 24. September der Bevölkerung präsentiert wird.Strassensanierungen und Kanalisationsprojekte sind ja nicht unbedingt Aufgaben einer Führungsspitze.
Nein, aber die Gesamtverantwortung liegt beim Präsidium.Delegieren Sie genug?
Das kann ich gut, aber auch Projekte wie die genannten sind zu begleiten, weil immer wieder wichtige Entscheide nötig sind - ob beispielsweise bestimmte Arbeiten vorzuziehen oder zurückzustellen sind.Was kann die Wählerschaft künftig von Ihnen erwarten?
Unter anderem, dass wichtige aktuelle Projekte nahtlos fortgeführt werden. Dazu gehört die Mitwirkung an sinnvollen Verkehrslösungen oder die Ortsplanung.Welche Projekte würden Sie zum Abschluss oder zur Abschlussreife bringen?
Beim Hochwasserschutz werden die nötigen Bauprojekte öffentlich aufgelegt. Fürs Wohnen im Alter werden die Architekturausschreibung und die Anschlussarbeiten erfolgen. Die Planungsinstrumente im Zusammenhang mit der Ortsplanungsrevision sollten Ende 2022/Anfang 2023 auflagebereit sein. Sehr plakativ gesagt: Wir werden das Gesäte ernten können.Das Wild Heerbrugg Areal haben wir bereits erwähnt. Ihre Kritiker finden, die Entwicklung des Areals ziehe sich «gefährlich langwierig» über Jahre hin, Sie selbst sagen, das Projekt sei «weit fortgeschritten». Was stimmt denn nun?
Wir stehen kurz vor dem Abschluss. Die Änderungsauflage ist publiziert. Doch abgesehen vom tatsächlich weit gediehenen Planungsstand, lassen die Kritiker ausser Acht, dass verschiedene Grundeigentümer sowie verschiedene Mieter mit unterschiedlichen Interessen beteiligt sind. Es waren verschiedene Studien nötig, mit dem Projekt ist eine Waldrodung mit Ersatzaufforstung und ökologischem Ausgleich verbunden, die Umgebungsgestaltung, die Verkehrsführung sowie die Erschliessung sind besonders anspruchsvoll.In der genannten «Balger Zittig» gibt es eine ganze Reihe von Beiträgen mit politischem Hintergrund. Ihre Gegner sagen, jetzt – unter Druck, vor den Wahlen – legten Sie einen Zacken zu, nachdem Sie die Öffentlichkeitsarbeit acht Jahre stark vernachlässigt hätten.
Es gibt zwei Bürgerversammlungen pro Jahr. Weder an diesen noch im jährlichen Austausch mit den Ortsparteipräsidien wurde die Öffentlichkeitsarbeit bemängelt und es kam nie eine Aufforderung oder ein Antrag zu diesem Thema. Dass in jüngster Zeit mehr über politisch Balgach zu lesen war, hat stark mit Corona zu tun. Für den Frühling geplante Informationsveranstaltungen konnten nicht stattfinden. Falls in Zukunft eine noch umfassendere Information über die Arbeit des Gemeinderats gewünscht wird, komme ich dem Wunsch natürlich nach.Im Positionspapier des überparteilichen Schmidheiny-Unterstützungskomitees steht, je ein Workshop zum Thema Alter im Mai 2017 und zur Ortsplanung im Februar 2019 seien «ohne Feedback» geblieben.
Zum Alters-Workshop ist zu sagen: Alle, die teilnahmen, erhielten ein Protokoll und erfuhren, wie es weitergehen würde. Auch an den Bürgerversammlungen wurde jeweils informiert. Beim Ortsplanungs-Workshop wurde noch am gleichen Abend ausgeführt, wie es weitergehen sollte und dass zu gegebener Zeit wieder informiert werde. Über das Vorprojekt Hochwasserschutz Wolfsbach orientiert die Gemeinde im Laufe des vierten Quartals.Sie sind zwar in keinem Verein, verbringen aber die Wochenenden im Dorf, joggen hier und kaufen in Balgach ein. Wer mit Ihnen reden wolle, erhalte von Ihnen jederzeit einen Termin, sagten Sie kürzlich. Müsste die Präsenz der Gemeindepräsidentin in einem Dorf nicht grösser sein?
Natürlich nehme ich auch an gesellschaftlichen Anlässen teil. Es gab Monate vor Corona, da war ich jedes Wochenende und praktisch jeden Abend an einer Veranstaltung vertreten.Hinter Ihnen steht die CVP, hingegen unterstützen vor allem FDP, SVP und ein grösserer Teil des Gewerbes Ihren Konkurrenten. Was würden Sie in einer dritten Amtsperiode speziell fürs Gewerbe tun? Wie gefordert die Ausnützungsziffer abschaffen?
Das neue Planungs- und Baugesetz kennt keine Ausnützungsziffer mehr. Sie wird daher auch nicht mehr Bestandteil des neuen Baureglements der Gemeinde sein. Im Zuge der Ortsplanrevision, die im Übrigen mit einem intensiven Mitwirkungsprozess verbunden sein wird, muss man sich über ein anderes Steuerungsinstrument wie etwa die Baumassenziffer unterhalten. Die Ausnützungsziffer aus dem Gesamtkontext des Planungsprozesses herauszulösen und schon jetzt einfach zu streichen, erachte ich nicht als sinnvoll und hätte nicht zu unterschätzende ortsplanerische Konsequenzen.Sie waren früher Unternehmensberaterin und betrieben die Firma BCoTrain für Business Coaching und Training. Diese Firma ist immer noch im Handelsregister eingetragen und die Webseite besteht ebenfalls noch. Betätigen Sie sich nebenher als Unternehmensberaterin?
Nein, natürlich nicht. Die Firma ist nachweislich inaktiv.Würden Sie es wieder tun, falls Ihr Konkurrent die Wahl gewinnen sollte?
Was ich dann machen würde, ist völlig offen.