08.09.2021

«Wir mussten zwei unter 50-Jährige intubieren»

Die Covidpatienten auf der Grabser Intensivstation sind allesamt jünger als 50 Jahre.

Von Dorothea Alber
aktualisiert am 03.11.2022
Die leise Hoffnung und die Zuversicht Christian Bürkles, die schwerste Zeit überstanden zu haben, wich dieser Tage der Realität. Einer harten Realität, die der Leiter der Intensivstation des Spitals Grabs so deutlich nicht erwartet hatte.Als der letzte Patient die Grabser Intensivstation im Juni verliess, war er angesichts der Impfung optimistisch: Sie würde die Menschen schützen, aber auch die Spitäler in einer weiteren Welle vor der Überlastung bewahren. Stattdessen zeichnet sich ein ganz anderes Bild ab.«Patienten haben keine Vorerkrankungen»Die Anzahl der Beatmungspatienten ist in Grabs massiv gestiegen. «Diese Woche mussten wir einen 40-Jährigen und eine 45-Jährige intubieren», sagt Bürkle – und «keiner unserer Covidpatienten ist derzeit älter als 50 Jahre», schiebt er nach. Keiner von ihnen leidet an Vorerkrankungen. Und noch etwas fügt er hinzu: «Wir kämpfen daher intensiv und müssen vor allem jüngere, fast ausschliesslich ungeimpfte Patienten auf der Station behandeln.» Der tragische Nebeneffekt: Wichtige Operationen – zum Beispiel von Krebskranken – müssen bereits jetzt wieder verschoben werden. «Ich hätte auf mehr Vernunft gehofft und auf eine höhere Impfquote, damit die Spitäler nicht mehr so stark an ihre Grenzen kommen», sagt Bürkle.Im Kanton St. Gallen beträgt die Auslastung der Intensivstationen derzeit 86 Prozent, wie Zahlen des BAG zeigen. Die Intensivstationen sind damit rundherum in der Region fast wieder ausgelastet. Bislang verhindert laut Bürkle nur ein überregionaler Austausch von Patienten eine Überlastung der Grabser Intensivstation. Der Kanton Thurgau muss Intensivpatienten ausserkantonal betreuen lassen – und findet Platz für zwei im Spital Herisau. Das Kantonsspital St. Gallen schafft mehr Betten auf den Intensivstationen und stockt auch die Beatmungsplätze auf. Fast schon mantraartig wiederholen die Spitäler, Forscher, die Behörden und Ärzte die Warnungen vor einer Überlastung der Spitäler, immerhin sind sie die kritische Grösse in dieser Pandemie. Allerdings geht es dabei vor allem um das Personal, das fehlt, um die vielen Kranken so intensiv über Wochen hinweg zu versorgen.«Leute bereuen es,nicht geimpft zu sein»Ein Beispiel: Am längsten musste ein Patient 38 Tage lang im Spital Grabs auf der Intensivstation betreut werden. Spitaleinweisungen von Covidpatienten haben zwar schweizweit in der letzten Woche nicht mehr zugenommen, doch an der derzeit hohen Belastung im Kanton St. Gallen ändert das vorerst wenig. Das Spital Grabs hat daher neue Massnahmen ergriffen. Besuche auf der Intensivstation sind nur noch für Geimpfte, Getestete oder Genesene möglich.Bürkle berichtet infolgedessen von dramatischen Szenen, die sich abspielen, weil Ungeimpfte ihren Entscheid bereuen und Dutzende Whatsapp-Nachrichten an Freunde und Familie schreiben, dass sie sich impfen lassen sollen – kurz vor dem Intubieren.Dabei wird ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt, der immer dann nötig ist, wenn ein Patient nicht mehr selbstständig atmen kann. Christian Bürkle hat also weiterhin alle Hände voll zu tun – zwischen Intensivstation und dem Einsatz im Rettungshelikopter.

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