14.04.2021

"Wir liebäugeln nicht zum ersten Mal mit St.Margrethen"

Angehende Schreiner sollen künftig auf dem Güterbahnhofareal in St. Margrethen lernen. Im Interview erklärt Schreinerverbandspräsident Ferdinand Riederer, weshalb man die Schulstandorte in Buchs und Flawil schliessen will – und weshalb es rund 20 Jahre dauerte, einen geeigneten Zentrumsstandort zu finden.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Bis zu 400 Schreinerlernende aus dem ganzen Kanton dürften bereits in wenigen Jahren nach St. Margrethen pendeln, um den Unterricht zu besuchen. Im westlichen Teil des Güterbahnhofareals will die Trägerschaft der Schreinerfachschule, der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten Kanton St. Gallen (VSSM SG), den Gleisen entlang ein Ausbildungs- und Kompetenzzentrum bauen (Ausgabe vom 10. April).Ferdinand Riederer, derzeit ist die Schreinerfachschule in Schulhäusern des Kantons eingemietet und belegt im BZB Buchs und BZWU in Flawil Schulzimmer. Weshalb will der Verband die Standorte zugunsten eines Neubaus aufgeben?Ferdinand Riederer: Nicht, weil wir unzufrieden wären mit der Zusammenarbeit mit den kantonalen Berufsfachschulen – vielmehr, weil wir sowohl unsere Infrastruktur als auch unsere Lehrerschaft unter einem Dach vereinen wollen. Diese verteilt sich derzeit nicht nur auf Flawil und Buchs, sondern auch auf die Kursorte für die überbetrieblichen Kurse in Gossau, Wattwil und Schaan. In der fast 100-jährigen Tradition unserer Schule waren es bis vor wenigen Jahrzehnten sogar noch mehr.Inwiefern bergen fünf Standorte Schwierigkeiten? Einerseits ist da die soziale Komponente: In unserem Kurszentrum in Schaan beispielsweise ist der Lehrer immer allein mit den Jugendlichen, der Austausch in einem Team fehlt gänzlich, was zunehmend zur Belastung wird. In Buchs können sich die Lehrpersonen zwar mit Kollegen anderer Fachbereiche besprechen, Lehrer derselben Fachrichtung sehen sie aber kaum. Andererseits ist durch die verschiedenen Schul- und Kursorte jegliche Infrastruktur – etwa CNC-Maschinen und andere Apparaturen – immer in mehrfacher Ausführung anzuschaffen. Handwerkliche Berufe leiden zusehends an Nachwuchsmangel. Ist es sinnvoll, jetzt auf einen Neubau zu setzen, in dem rund 400 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden sollen? Holz ist ein nachhaltiger und dankbarer Werkstoff, ausserdem tun wir viel für unser Berufsbild. Vielleicht ist unsere Schülerzahl deshalb seit Jahren konstant. Was uns in die Hände spielt, sind Weiterbildungsmöglichkeiten und die Berufsmatura. Es gibt viele Schüler, die aufgrund ihrer Leistungen problemlos ans Gymnasium könnten, sich aber trotzdem für den Schreinerberuf entscheiden, weil ihnen die Türen der Fachhochschulen dank BMS auch dann noch offen stehen. Plant der Verband im Neubau Reserven ein, falls die Schülerzahlen steigen? Wir sind flexibel und haben uns noch nicht entschieden, ob wir wirklich fünf Geschosse wollen oder uns mit vier begnügen. In den ersten beiden Stockwerken sollen die überbetrieblichen Kurse untergebracht werden, auf den oberen der Fach- und Allgemeinbildungsunterricht. Denkbar ist auch, dass wir am Abend oder am Wochenende Schulräume zu Weiterbildungszwecken vermieten. Gespräche mit dem Zentrum für berufliche Weiterbildung haben schon stattgefunden. Die Suche nach einem zentralen Standort beschäftigt den Verband schon geraume Zeit. Weshalb hat es so lange gedauert, bis er fündig  wurde? Es gab mehrere Anläufe, die gescheitert sind. Vor meiner Zeit als Präsident hat der Verband sogar schon Land in Sargans gekauft, das Projekt aber letzten Endes doch abgelehnt, weil die Lage im südlichen Kantonsteil für die meisten Lernenden einen zu langen Anfahrtsweg bedeutet hätte. Auch mit St. Margrethen liebäugeln wir nicht erst seit gestern, wobei sich ein erstes Projekt in der Nähe der Sieber Transport AG wieder zerschlagen hat.Weshalb kam der Verband auf St. Margrethen zurück? Vor zwei Jahren hat uns der Gemeindepräsident auf das Güterbahnhofareal aufmerksam gemacht. Nicht nur die Zusammenarbeit mit der Gemeinde war gut, sondern auch jene mit der Grundeigentümerin, der RLC Immoprojekt AG. Das Unternehmen erarbeitete ohne erwähnenswerte finanzielle Vorleistung ein Projekt, das nicht nur den Vorstand überzeugte, sondern alle Verbandsmitglieder, die dem Vorhaben in einem Grundsatzentscheid im Herbst zugestimmt haben.Auf dem Güterbahnhofareal soll den Gleisen entlang ein Schreiner-Kompetenzzentrum mit angegliederter Mensa entstehen.Es gab keinen Widerstand gegen den Standort im Rheintal? Nein. Mit der Zentralisierung fahren wir denselben Kurs wie das Amt für Berufsbildung mit seinen Berufsfachschulen des Kantons. Es wird möglich, grössere und besser durchmischte Klassen zu führen, wovon die Schülerinnen und Schüler profitieren. Theorie und Praxis kommen zusammen, die Ausbildung wird zeitgemäss – eine Strategie, die alle Sektionen des Verbands begrüssen.Und weshalb scheint St. Margrethen dafür optimal? Optimal ist in einem Ringkanton wie St. Gallen kein Standort, sobald man aus dem hintersten «Chrache» in die Berufsschule muss. Aber St. Margrethen eignet sich gut, vor allem dank der ÖV-Anbindung. Tatsächlich erreichen Schüler aus dem ganzen Kanton – mit Ausnahme von zwei Gemeinden hinter dem Ricken – die Schule in den zumutbaren 1,5 Stunden.Nach dem Grundsatzentscheid wird der Verband im September über das Investment von gut 20 Millionen Franken abstimmen. Wie lange dürfte es dauern, bis die Schule steht? Wir hoffen, das Kompetenzzentrum 2025 eröffnen zu können, wobei solche Prognosen schwierig sind. Eine seriöse Planung steht definitiv im Vordergrund. Eigenständig, aber vom Kanton beauftragtDie berufliche Grundbildung findet im Kanton St. Gallen in der Regel an kantonalen Berufsfachschulen statt. Allerdings gibt es zwei private Berufsfachschulen mit öffentlichem Auftrag: Die Schreinerfachschule, getragen vom Schreinerverband, und die Konditorenfachschule, getragen vom Verein Ostschweizer Confiseure. Ausserdem werden am Bildungszentrum Polybau an den Standorten Uzwil und Les Paccots (Fribourg) Abdichter, Dachdecker, Fassadenbauer, Gerüstbauer und Storenmonteure im Rahmen eines interkantonalen Fachkurses für die ganze Schweiz unterrichtet. An der Schreinerfachschule in Buchs und in Flawil werden je zwei EFZ-Klassen geführt, zusätzlich pro Lehrjahr je eine EBA-Klasse. Sowohl für den Fach- wie auch für den allgemeinbildenden Unterricht wählt der Berufsverband seine Lehrpersonen selbst – mit Ausnahme des Standorts Buchs: Dort übernehmen Lehrpersonen des Berufs- und Weiterbildungszentrums auch die Allgemeinbildungslektionen der angehenden Schreinerinnen und Schreiner. (seh)  

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