Benjamin SchmidFortsetzung des Artikels «Es gibt keine Hilfe, wenn wir bleiben» vom 4. Mai. Am 22. März 2019 fuhren Anja Hasler und Marco Spirig mit ihrem Camper in Diepoldsau Richtung Osten los. In einer Woche fuhren sie durch Europa in die Türkei. Dort blieben sie drei Wochen. Obwohl es ihnen sehr gut gefallen hat, sind sie weiter in den Iran gereist, weil die Temperaturen stark gestiegen waren. Auch hätten sie riskiert, dass die in der Schweiz ausgestellten Visa für den Iran abliefen. Nach sieben eindrücklichen Wochen verliessen die Juristin und der Elektroingenieur den Iran, um in Pakistan eines ihrer grössten Abenteuer zu erleben. Vorsicht vor bewaffneten Überfällen«In Pakistan durchfuhren wir Belutschistan und betraten damit Terrorgebiet», sagt Marco Spirig. Zumindest gemäss des EDA. Es bestehe ein hohes Entführungsrisiko, und die Gefahr bewaffneter Überfälle sei in dieser Region gross. Voraussetzung für die Durchquerung sei, dass man von zuverlässigen Einheimischen eskortiert wird. Diese werden von Pakistan organisiert und bezahlt. «Vor uns fuhr bis zum nächsten Checkpoint an der Stammesgrenze jeweils ein Pick-up oder ein Motorrad, auf dem mindestens ein schwerbewaffneter Polizist sass», sagt Anja Hasler. Dort wurden die Personalien geprüft, kalte Getränke serviert, Small Talks abgehalten und obligate Selfies geschossen, bevor sie mit den neuen Beschützern weiterfahren durften. Diese Prozedur wiederholte sich jeden Tag an die 20-mal. Da der Wechsel der Eskorten an den Checkpoints aus verschiedensten Gründen – Tee-trinken, Essen, Small Talks, defekte Pick-ups, Selfies – lange dauerte, kamen sie nur schleppend voran.Der Weg nach Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, führte die Globetrotter durch endlose Wüsten und druchs Gebirge, immer der afghanischen Grenze entlang. «Je näher wir der Stadt Quetta kamen, desto nervöser wurden wir», sagt der 35-Jährige. Die Sicherheitslage in Quetta sei prekär. Aufgrund der Nähe zu Afghanistan sei die Region Rekrutierungs- und Rückzugsgebiet der Taliban. In der Stadt begleiteten sie vier schwerbewaffnete Polizisten der Antiterroreinheit und bemühten sich, dass ihnen niemand zu nahe kam. «Erst als wir die schwer bewachte Polizeistation in Quetta erreicht hatten, wo wir uns für die nächsten drei Tage einquartierten, fiel die Anspannung von uns ab, und wir fühlten uns sicher», sagt die 36-Jährige.«Die Fahrt nach Quetta gehörte zu den wenigen Situationen auf der Reise, wo uns ein leicht mulmiges Gefühl beschlich. Wir fühlten uns aber jederzeit gut beschützt.» Um vom Iran nach Indien zu kommen, ohne einen riesigen Umweg zu fahren, mussten sie durch Belutschistan. Sie entschieden sich für diesen Weg nach längerer Überlegung und berücksichtigten bei ihrer Entscheidung auch die Informationen von anderen Reisenden und des EDA.Pakistan war das Land, von dem sie am meisten überrascht waren. Ausser den schlechten Nachrichten in den westlichen Medien und der Tatsache, dass das EDA von einer Reise nach Pakistan abrät, hätten sie nicht viel über das Land gewusst. «Pakistan gefiel uns so gut, dass wir nicht nur die Durchquerung machten, sondern schliesslich sieben Wochen blieben», sagt Marco Spirig. Die Türkei und der Iran seien schon sehr gastfreundliche Länder gewesen, Pakistan habe das aber nochmals übertroffen. Pakistani seien neugierige Menschen, und so kamen sie oft mit ihnen in Kontakt. Sie wurden beschenkt, eingeladen und ihnen wurde bei allen möglichen Problemen geholfen. Die Bergwelt im Norden Pakistans gehöre zu den eindrücklichsten Gebieten, die sie bis anhin gesehen hätten. Dort treffen die drei Gebirgsketten Himalaja, Hindukusch und Karakorum, die zu den höchsten Bergketten der Welt gehören, aufeinander. Die Landschaft wirke teilweise so unwirklich, dass sie immer wieder erstaunt waren, Menschen anzutreffen.Wo Leoparden und Bären Beute machenNach Pakistan verbrachten sie mehrere Wochen in Indien, im buddhistisch geprägten Ladakh, wo man immer wieder buddhistische Klöster, Gebetsmühlen und Schreine antreffe. Die Landschaft sei wunderschön und besteche mit hohen Bergen und schönen Gebirgsseen. Der höchste liegt auf über 5000 m. «Um dorthin zu gelangen, mussten wir über abenteuerliche Strassen fahren, auf denen uns kaum jemand begegnete», sagt Marco Spirig. Sie sahen lediglich einige Nomaden am Wegesrand. Am See angekommen, waren sie die einzigen Personen weit und breit. «Weil wir am Weg viele Tierknochen sahen, fragten wir uns, ob hier wohl Leoparden und Bären Jagd auf Beute machen», sagt Anja Hasler.Ein weiterer Höhepunkt der Rundreise war ein Besuch im Kloster Thiksey. Sie campten auf einem Hügel gegenüber des Klosters und hörten die Blasklänge, die zum Gebet riefen und danach die monotonen Mönchsgesänge. «Wir durften den Tempel betreten, uns in eine Ecke setzen und der morgendlichen Puja (Morgengebet) beiwohnen», sagt der Elektroingenieur, «ein überwältigendes Erlebnis.» Anschliessend fuhren sie über unzählige Gebirgspässe, u. a. über den Kardung La, einer der höchsten Pässe der Welt. Während Indien für viele wohl der Inbegriff von Chaos, Dreck und Lärm ist, fühlten sie sich dort , im Gegensatz zu Pakistan, wie in einer modernen Welt. Als nächstes Land durchquerten sie Nepal. Nach Kashmir konnten sie leider aufgrund der Konflikte im letzten Spätsommer nicht einreisen. Sodann ging die Reise quer durch Myanmar Richtung Thailand. «Auch hier trafen wir wieder auf freundlich gesinnte Menschen, die sich über westliche Besucher freuten. Myanmar ist ursprünglich. Die Männer tragen Röcke, und überall findet man vergoldete Tempel und Pagoden», sagt die Juristin. Die Bevölkerung sei sehr religiös und der Buddhismus tief im Alltag verankert.«In Thailand angekommen, fühlten wir uns wie zu Hause», sagt Marco Spirig, «wir trafen auf grosse Supermärkte mit riesigem Angebot, saubere Städte und gute Strassen.» Eine solche Infrastruktur hätten sie seit Monaten nicht mehr gesehen. Schliesslich verbrachten sie drei Monate im Land des Lächelns, die sich wie Ferien anfühlten. Doch bald fehlte ihnen das Abenteuer und es zog sie weiter nach Laos. Die Einwohner seien liebenswürdig, feierten gern und tun dies – so der Eindruck der beiden Globetrotter – oft. Im ersten Monat bereisten die Rheintaler den Norden und hielten sich dann einen Monat rund um Vientiane auf. Gebirge seit über 30 Jahren wieder gesehen «Die Reise hat unsere Sicht auf die Welt sehr verändert», sagt Anja Hasler. Sie lernten, nicht nur den Medien zu trauen, sondern gewisse Ansichten über Länder und Völker zu hinterfragen. «Die Mehrheit der Leute will Frieden», sagt Marco Spirig. Sowohl die Iraner als auch die Pakistaner wollen frei und in Sicherheit leben und kritisierten ihre Regierung oder die schlechte Sicherheitslage.«Die Reise öffnete uns aber auch die Augen, wie gross die Umweltverschmutzung auf unserer Welt tatsächlich ist», sagt die 36-Jährige. In Pakistan und Indien herrsche ein enormes Abfallproblem. Der Abfall werde auf riesigen Mülldeponien gesammelt, wo Menschen und Tiere davon leben. Vielen Menschen sei das Problem nicht bewusst und sie warfen Abfall an den Wegesrand. Ganz ähnlich das Bild in Thailand. «Die nichttouristischen Strände, die nicht regelmässig geräumt werden, waren oft überfüllt mit Müll, der vom Meer angespült wurde», sagen die Kosmopoliten, «das macht uns traurig.» Sie sähen wegen der Massnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie aber auch positive Entwicklungen für die Natur. Von gewissen Gebieten Indiens aus sahen die Einwohner das erste Mal seit über 30 Jahren wieder das Himalaja-Gebirge. Anja Hasler und Marco Spirig hoffen, dass gewisse Veränderungen, die sich während der Pandemie positiv auf die Natur ausgewirkt haben, bleiben werden. Sehr optimistisch seien sie aber nicht. HinweisMehr Informationen unter www.rockinrosie.com oder auf Instagram unter rockin.rosie.on.tour.