30.03.2020

«Wir agieren besonnen»

«So wie unsere Kinder heterogen sind, sind unsere Lösungen heterogen», sagt Urs Bösch von der HPS Heerbrugg.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Monika von der Linden«Ich habe es kommen sehen», sagt Urs Bösch. Der Institutsleiter der Heilpädagogischen Schule in Heerbrugg spricht von den Schliessungen der Schulen als Folge der Coronapandemie. Unmittelbar nachdem der Bundesrat am Freitag, 13. März, seinen Entscheid bekannt gegeben hatte, richtete die Schule einen Krisenstab ein. Bereits am Dienstag danach startete die HPS da-mit, die Kinder zu Hause zu beschulen.«So wie unsere Kinder heterogen sind, sind unsere Lösungen heterogen», sagt Urs Bösch. Will heissen, die Kinder können nicht wie in einer Regelschule per se digital fernunterrichtet werden. Je nach Grad der Beeinträchtigung respektive Stärke des jeweiligen Schülers fand die Schule in Absprache mit den Eltern individuelle Lösungen. Der Austausch zwischen Schülern, Eltern, Lehrern und Schulverwaltung erfolgt mittels einer schulinternen App. Sie ist vergleichbar mit gängigen Messanger-Diensten, wurde aber speziell für die Schule programmiert und gewährleistet einen geschützten Rahmen.Betreuungsangebot kaum genutztDie Lehrerinnen und Lehrer stellen das Unterrichtsmaterial für ihre Schülerinnen und Schüler zusammen. Manche Lehrer bringen es den Familien nach Hause und holen die erledigten Arbeiten wieder ab. «Selbstverständlich beachten sie die Vorgaben des BAG», sagt der Institutionsleiter. «Manche Kinder freuen sich sehr, ihren Lehrer zu sehen.» Einige Schüler kommunizieren mit der Schule via physischer Post oder per E-Mail. «Ich bin voller Bewunderung für unsere Lehrer. Sie sind sehr engagiert.»Noch verzichten die meisten Eltern darauf, ihr Kind in der Schule betreuen zu lassen. «Das wird sich wohl bald ändern», sagt Urs Bösch. Die Betreuung eines behinderten Kindes zu Hause sei unter Umständen sehr aufwendig. Gerade dann, wenn es Geschwister gebe. Sie müssen jetzt ja auch zu Hause bleiben.Entgegengesetzt der verbreiteten Meinung, müssen die Eltern ihre Kinder nicht beschulen. «Sie sind angehalten, zu schauen, dass die Kinder ihre Aufgaben erledigen.» Didaktische Inhalte liefert die Schule und überprüft die Lernergebnisse. Urs Bösch hat beobachtet, dass einige Eltern ihre Kinder aus Angst vor einer Infektion abschirmen. Er gibt zu bedenken, dass sie aber frische Luft brauchen und sich bewegen müssen. «Sonst bringt die Krise die Kinder psychisch an den Rand.»Viele Kinder, die die HPS besuchen, erhalten regelmässig Physiotherapie. Dringend nötige Therapie wird in der Schule durchgeführt. «Das ist eine Gratwanderung. Kinder lassen sich nicht ohne Nähe betreuen.» Die Hygieneregeln einzuhalten, sei enorm wichtig. Wo immer möglich, wahren die Therapeuten Abstand. «Unsere Kinder sind grundsätzlich gesund und nicht besonders gefährdet.» Etwa drei Schüler der HPS sind gesundheitlich vorbelastet.Manche Eltern verzichten aus Vorsicht auf die physische Therapie ihrer Kinder. «Jeder sollte abwägen, ob er ein Minimalrisiko in Kauf nimmt oder ob ein Kind bei mangelnder Therapie ganz schlecht unterwegs ist.» Die Entscheidung obliegt den Eltern. «Wir beraten, zwingen aber niemanden.» Krisenstab bereitet weitere Szenarien vorDas Krisenmanagement in der Heilpädagogischen Vereinigung hat sich bewährt. «Wir waren gut vorbereitet und agieren besonnen.» Nun gelte es, die Balance zu finden, wie viel Unterricht möglich und nötig ist. «Wir wollen weder Eltern noch Kinder überfordern.»Der Krisenstab hat längst begonnen, Szenarien zu entwickeln für den Fall, dass der Präsenzunterricht nach dem 19. April nicht wieder stattfindet. Beim Kanton hat man Urs Bösch gesagt, dass jede Aussage über die Dauer des Heimunterrichts Spekulation wäre. Es wisse niemand, welche Massnahmen der Bundesrat noch durchsetze. «Wir dürfen nicht alles laufen lassen. Sonst bestünde die Gefahr, dass viele Familiensysteme crashen.»

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