23.04.2020

Willkommen in der Heimat

Der Einbürgerungsrat Montlingen war gegen die Einbürgerung von Mergim Ahmeti. Jetzt ist er Schweizer.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Der Beitrag «Eifrig, aber unwillkommen» vom 6. März 2018 hatte Aufsehen erregt: Obschon seit der Geburt in der Gemeinde Oberriet zu Hause, unbescholten und beruflich erfolgreich, verwehrte der Einbürgerungsrat dem heute 24-Jährigen das Bürgerrecht. Der Kosovare sei im Dorf zu wenig integriert. Beispielsweise kenne er die Restaurants in Montlingen nicht, obwohl er dort aufgewachsen sei, heisst es im ablehnenden Einbürgerungsentscheid. Mergim Ahmeti wehrte sich mit einem Rekurs. Rechtsanwalt und Ständerat Paul Rechsteiner sowie dessen SP-Parteikollege Arber Bullakaj haben Mergim Ahmeti unterstützt.«Missbräuchlich, willkürlich»In zweifacher Hinsicht hat der Einbürgerungsrat grundsätzlich recht. Dass jemand schon lange in einer Gemeinde lebt und unbescholten ist, begründet allein noch keinen Anspruch auf Einbürgerung; es ist legitim, vom Gesuchsteller eine gewisse lokale Integration zu verlangen. Ausser­dem trifft es zu, dass Mergim Ahmetis Wissen über Mont­lingen Lücken aufweist.Die konkreten Ablehnungsgründe des Einbürgerungsrats vermögen aber «insgesamt nicht zu überzeugen», urteilt das Kan­tonale Departement des Innern als Rekursinstanz. Der Einbürgerungsrat habe seinen Ermessensspielraum «missbräuchlich beziehungsweise willkürlich» genutzt.Zwar sei die soziale Integration Ahmetis im Dorf Montlingen und in der Gemeinde Oberriet «nicht allzu ausgeprägt», findet der Kanton. Er widerspricht jedoch dem Einbürgerungsrat: Die Akten liessen nicht den Schluss zu, der junge Mann sei ungenügend örtlich inte­griert und mit den örtlichen Gegebenheiten zu wenig vertraut oder zu wenig an ihnen interessiert.Bald ist er diplomierter BetriebswirtschafterDer vom Bundesgericht geforderte Integrationswille verlangt, dass kein Rückzug in die Privatsphäre stattfindet, sondern aktiv am öffentlichen Leben teilgenommen wird. Mergim Ahmeti ist in Montlingen aufgewachsen, hat also hier die Schulen besucht, war von 2004 bis 2011 Junior beim FC Montlingen und absolvierte bei einem einheimischen Unternehmen erfolgreich die kaufmännische Lehre. An der Höheren Fachschule in Weinfelden beendet er im September die Weiterbildung zum diplomierten Betriebswirtschafter. In Weinfelden arbeitet er auch, doch sein Wohnort ist nach wie vor Montlingen.Dass Ahmeti angesichts seiner Lebensumstände in Weinfelden seinem Hobby Bodybuilding und Powerlifting nachgeht (und nicht in Montlingen, wo ein entsprechendes Angebot ohnehin fehlt), darf ihm nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Ebenso wenig sei ihm anzulasten, dass er sich als junger Erwachsener auf sein berufliches Fortkommen konzentriere und sich über die Grenzen des Herkunftsortes hinaus orientiere – auch, was die Nutzung des kulturellen Angebots betrifft. So besuchte er in den letzten Jahren nicht nur Montlinger Veranstaltungen wie die Kilbi oder den Funkenanlass, sondern auch solche in der näheren Umgebung oder in St. Gallen.Aus der Bevölkerung kam kein WiderstandDer Einbürgerungsrat hat den Entscheid des Kantons akzeptiert und auf einen Weiterzug der Angelegenheit ans Verwaltungsgericht verzichtet. Der Einbürgerungsrat hat das Aufla­ge- und Einspracheverfahren durchführen müssen, und die Gemeinde Oberriet hatte Mergim Ahmeti mit 1500 Franken zu entschädigen.Nachdem gegen das Einbürgerungsgesuch keine Einsprache eingegangen war, erhielt Mergim Ahmeti Anfang April schöne Post von der Gemeinde Oberriet. Unter dem fett gesetzten Betreff «Herzlich willkommen als Bürger von Oberriet-Montlingen» wird Mergim Ahmeti mitgeteilt, nach Erhalt des Kantonsbürgerrechts sei er «ab sofort auch Bürger von Oberriet-Montlingen».Schöne Reaktionen in den letzten zwei JahrenEr habe eine Megafreude, sagt Mergim Ahmeti, der die Schweiz als Heimat sieht. Das Verfahren habe ihm gezeigt, dass es sich in einem demokratischen Land lohnt, für seine Rechte zu kämpfen. Nach seinem Rekurs gegen den Entscheid des Einbürgerungsrates habe er nur positive Reaktionen erlebt. Ob vor der Haustür in Montlingen, beim Spazieren oder beim Einkaufen in Oberriet – immer wieder hätten ihn Menschen erkannt und auf ermutigende Weise angesprochen.Nun Schweizer zu sein, verdankt Mergim Ahmeti auch jenen, die sich bereits im Verfahren über ihn geäussert haben. Alle Referenzauskünfte zeichnen von Mergim Ahmeti ein gutes Bild und sprechen wie viel anderes für seine sozialen Kontakte und die soziale Integration.Den Fall hatte seinerzeit zuerst der «Beobachter» publik gemacht. In seiner aktuellen Ausgabe berichtet er nun über Mergim Ahmetis Erfolg.Abgebildet ist auch der Brief, den Mergim Ahmeti von der politischen Gemeinde bzw. vom Einbürgerungsrat erhalten hat und mit dem seine Einbürgerung bestätigt wird. 

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