Max TinnerIm Herbst 2017 hat man rund hundert Meter hinter den Parkplätzen des Hallenbads Altstätten, im Steinigacker in Lüchingen, einen Findling um ein paar Meter versetzt, damit das Gebiet besser für eine Überbauung mit Wohnbauten parzelliert werden kann. Der um die 70 Tonnen schwere Brocken ist als «Grosser Stein» in der Altstätter Schutzverordnung gelistet, womit er – laut einer Bestimmung in der Verordnung – «in seinem Eigenwert zu erhalten» ist. Die Versetzung um etwa zehn Meter hielt aber selbst der beigezogene renommierte Geograf und Glazialmorphologe Oskar Keller (der in Lüchingen wohnt) für zulässig, angesichts der über hundert Kilometer, die der Brocken vor Jahrtausenden im Rheingletscher zurückgelegt hatte. Kritisiert wird nun aber von anderer Seite die Umgebungsgestaltung um den Findling. Man hat den Stein gereinigt und in ein mit Steinkörben eingefasstes Schotterbett gelegt.Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, auf diese Weise würde dieser Zeuge der letzten Eiszeit gebührend in Szene gesetzt und von den Steinkörben eingerahmt wie ein Gemälde, das einem am Herzen liegt, von einem vergoldeten Rahmen. Doch Meinrad Gschwend sieht es anders.Wie eine Ente in einer BadewanneDer Kantonsrat der Grünen Partei ist ein Kenner der Geschichte Altstättens und auch der Findlinge in der Region. Als Präsident des Naturschutzvereins Altstätten und Umgebung hat er Interessierten auch schon Findlingswanderungen angeboten. Gschwend anerkennt zwar, dass man es mit der Einbettung des Steinigacker-Findlings gut gemeint habe. «Aber bewirkt hat man das Gegenteil», meint er.Mit einer «Ente in der Badewanne», vergleicht Gschwend die Situation. Genau wie man der Ente mehr Wasserfläche bieten müsste, um ihrer Lebensweise gerecht zu werden, gebe man dem Findling, der früher wie ein gestrandeter Wal solitär in einer grossen unverbauten Wiese gelegen habe, zu wenig Raum, um seiner Bedeutung gerecht zu werden, findet Gschwend. Die Steinkörbe und Randsteine hält er zudem für unpassend; sie hätten keinen Bezug zum Findling und schmälerten die Wirkung des geschützten Objekts. «Eigentlich sind sie eine Beleidigung fürs Auge», meint er.Ein Fehler sei auch gewesen, den Stein zu reinigen. Damit habe man womöglich mehr zerstört als nur die Patina, die sich während Jahrtausenden auf den Stein gelegt hat. Andernorts habe man nämlich auf genauer untersuchten Findlingen Flechten gefunden, die es nur am Ursprungsort des Steins gebe und die also die jahrtausendelange Reise mit dem Gletscher und die weiteren Jahrtausende nach dem Abtauen des Eises auf dem Stein überdauert haben.«Offensichtlich schlecht beraten»Für Meinrad Gschwend ist «offensichtlich, dass die Auftraggeber mit der Situation überfordert waren und sie schlecht beraten worden sind».Angehörige des (verstorbenen) früheren Eigentümers der betreffenden Parzelle können nicht mehr mit Gewissheit sagen, wie es zu der heutigen Umgebungsgestaltung kam. Sie meinen aber, der Vorschlag sei von Seite der Stadt gekommen.Stadtpräsident Ruedi Mattle kann dies nicht bestätigen. Zwar habe sich die Ortsbildkommission mit dem Findling befasst. Sie habe etwa vorgegeben, dass der Findling für die Allgemeinheit sichtbar bleiben und dass man um ihn herum gehen können müsse, damit er erlebbar bleibe. Aus den Protokollen gehe aber nicht hervor, dass weitere Vorgaben zur Umgebungsgestaltung gemacht worden wären. Eine Beschriftung etwa sei zwar diskutiert, dann aber nicht verlangt worden. Bauvisiere zeigten die letzten Monate an, dass die Parzelle, an dessen Rand der Findling heute liegt, nun überbaut werden soll. Laut Planauflage von Anfang September mit einem Terrassenhaus mit drei Wohnungen. Auch dieses Projekt wird von Meinrad Gschwend kritisiert: So, wie der Bau ausgesteckt worden sei, werde der Findling «erst recht zu einem lästigen Randobjekt degradiert». Seiner Ansicht nach lässt sich das Bauprojekt nicht mit der Schutzverordnung und dem Baugesetz vereinbaren.Das Grundstück gehört mittlerweile der Marbacher Kobelt AG, die auch Bauherrin ist. René Baumgartner, Architekt bei der Kobelt AG, widerspricht Gschwend: Bevor man mit Planen begonnen habe, hätten Abklärungen ergeben, dass der Findling lediglich als «Anlage» zu dulden sei, so wie er jetzt im Katasterplan eingetragen sei, dass sich daraus aber keine zusätzlichen Einschränkungen ergäben. Die Parzelle dürfe nach den Regelbauvorschriften überbaut werden. Eine Bauabstandsvorschrift gebe es in Bezug zum Findling nicht, es gelte lediglich der reguläre Strassenabstand. Mehr Abstand, als die Bauordnung es verlangtMan habe den Bau sogar noch weiter von der Strasse weg geplant, als es die Bauvorschriften verlangt hätten, betont Baumgartner. «Fast doppelt so weit, damit die künftigen Bewohner der Parterrewohnung einen grosszügigen Umschwung bekommen – auch wegen des Findlings, der ja eine ansehnliche Fläche beansprucht», wie Baumgartner feststellt.Das sehen nicht alle so: Während der Baugesuchsauflage gab es Einsprachen. Die Stadt schützte das Projekt aber. Stadtpräsident Ruedi Mattle bestätigt Baumgartners Darstellung. Indem das Projekt über den im Baureglement minimal verlangten Strassenabstand hinaus gehe, behalte der Findling auch genügend Freiraum, fügt er an. Der Schutz des Eigenwertes werde wahrgenommen und bleibe (wie es die Schutzverordnung vorschreibt) erhalten.