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Eistanz 07.02.2025

Wie entsteht eine Eistanz-Kür? «Schleifen, bis der Diamant glänzt»

Das Eistanzpaar Leonie Woodtli und Timon Suhner ist auch in diesem Winter sehr erfolgreich unterwegs: Wo es startet, gewinnt es. Im Sommer steht für die Marbacherin und den Rebsteiner der Wechsel zu den Junioren an.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 09.02.2025

«Du musst dir das vorstellen wie einen Steinklotz. Diesen muss man dann schleifen, bis daraus ein glänzender Diamant entsteht», sagt Timon Suhner dazu, wie eine Kür entsteht. Die Kür ist einer von zwei Teilen im Eistanz, der Sportart, der er sich gemeinsam mit Leonie Woodtli verschrieben hat. Timon Suhner ist, das spürt man rasch, ein aufgeweckter, intelligenter junger Mann, der gern von seiner Leidenschaft erzählt.

So zieht sich das Bild des verwandelten Steinklotzes weiter durch das Gespräch. Denn wer im Eistanz, wie das Rheintaler Paar, hoch hinaus will, muss viel Zeit investieren, oft trainieren. Oder eben: «Schleifen, schleifen, schleifen», wie Timon Suhner sagt. Und umsetzt. Gut 14 Stunden pro Woche verbringt er mit Leonie Woodtli auf dem Eis, dazu kommen verschiedene andere Trainingsformen.

Auch ohne Konkurrenz ist der Titel ein Erfolg

Ein Wettkampf im Eistanz besteht aus einem Pflichtteil sowie einer selbst erarbeiteten Kür – dem eingangs erwähnten Diamanten. Von Saison zu Saison variieren die Vorgaben, die es zu erfüllen gilt, auch jede Alters­kategorie hält wieder andere, neue Voraussetzungen bereit.

Leonie Woodtli und Timon Suhner laufen zurzeit in der Kategorie Advanced Novice. Dort haben die 15-Jährige und der 18-Jährige national keine Konkurrenz – an der im Dezember in Genf ausgetragenen Schweizer Meisterschaft waren sie das einzige Paar. Den Erfolg, den Titel gewonnen zu haben, schmälert das nicht, denn die Jury ist gleich streng wie bei jedem anderen Wettbewerb. Vielleicht ja sogar ein Spürchen strenger, wenn der Vergleich mit anderen Paaren nicht möglich ist.

«Uns geht es jeweils darum, gute persönliche Leistungen zu zeigen und natürlich möglichst viele Punkte zu holen», erklärt Leonie Woodtli. Ein Wettkampf ohne Konkurrenz sei nicht einfach ein Training, trage man dabei doch die Kleider und tanze vor vielen Zuschauerinnen und Zuschauern zur Musik. Das sei ein ganz anderes Setting als in der Trainingshalle.

Auch international feiert das Paar schöne Erfolge

Dennoch: Schöner ist es schon, sich mit gleichaltrigen Gleich­gesinnten messen zu können. Wie etwa am vorletzten Wochenende in Oberstdorf, wo das Bavarian Open stattfand. Dort starteten neun Paare, sie reisten aus fünf Ländern an. «Mit Konkurrenz ist es schon etwas an­deres, auch bezüglich des Wettkampfgefühls», sagt Leonie Woodtli. Timon Suhner analysiert das Bavarian Open so:

Nach dem ersten Tag lagen wir noch hinter einem Paar aus Frankreich auf Rang zwei. Dann haben wir eine technisch nicht fehlerfreie Kür gezeigt, aber in den Komponenten stark gepunktet.

Bewertet wird nicht nur, wie gut ein Paar läuft, wie fehlerfrei es die Figuren zeigt. Es geht auch um andere, weichere Faktoren. So ist das Timing ebenso wichtig wie der Ausdruck, die Ästhetik – und in diesen Kriterien konnte die Konkurrenz den beiden das Wasser nicht reichen. So drehte das Paar aus dem Rheintal einen minimalen Rückstand in einen respektablen Vorsprung um. Und so durften Leonie Woodtli und Timon Suhner zuoberst auf das Podest steigen und die Goldmedaille empfangen. Das gelang auch in Bellinzona, Biasca und Graz an weniger prestigeträchtigen Wettkämpfen. Timon Suhner:

Da geht es jeweils darum, herauszufinden, was wir besser machen können. Es gibt immer etwas, das besser geht.

Auf dem Insta­gram-Konto der beiden war nach dem Wettkampf in Graz zu lesen, sie würden nun «full of joy and vigour» für die nächsten Aufgaben trainieren, also «voller Freude und Elan».

Zum Training geht’s nach Herisau oder Oberstdorf

Damit beschreibt das Paar sich sehr gut. Training ist für Leonie Woodtli und Timon Suhner keine lästige Pflicht, es ist vielmehr eine Freude. Dass die beiden die Frage, wie viele Stunden in der Woche sie auf dem Eis verbringen, nicht sofort beantworten können, zeigt: Das Eis ist ihr Zuhause, da fühlen sie sich wohl.

Und dieses Eis steht in He­risau, wo sie unter Trainerin Claudia Aebischer an ihren Qualitäten feilen. Oder im bayrischen Oberstdorf, wo ihr Trainer Martin Skotnický heisst. Der Slowake ist auf seinem Gebiet eine absolute Koryphäe – er ist bereits pensioniert, trainiert das Rheintaler Paar aber weiter, weil er an das grosse Potenzial glaubt und dieses aus Leonie Woodtli und Timon Suhner weiter herauskitzeln will. «Von seiner Erfahrung können wir sehr stark profitieren», sagt Leonie Woodtli.

Am Bavarian Open in Oberstdorf gelang Woodtli/Suhner unter Betreuung von Martin Skotnický ein internationaler Sieg.
Am Bavarian Open in Oberstdorf gelang Woodtli/Suhner unter Betreuung von Martin Skotnický ein internationaler Sieg.
Bild: pd

In Oberstdorf treffen sie oft auf Lukas Britschgi, den Schweizer, der kürzlich Eiskunstlauf-Europameister geworden ist. Er inspiriert die beiden, wie Leonie Woodtli sagt:

Es ist unglaublich, dass er das geschafft hat. Für uns ist das eine Motivation.

Wettkampf, Piste-Test – und Kategorienwechsel

Die aktuelle Saison neigt sich für das Paar bereits dem Ende zu. Am Wochenende steht in Süd­tirol ein Wettkampf mit internationaler Konkurrenz auf dem Programm, dann folgt der jährliche Piste-Test. Diesen müssen sie bestehen, um erneut die Swiss Olympic Talent Card zu bekommen. Es wird für die beiden wohl eine Formsache.

Dann geht es an die grösste Änderung: den Wechsel von der Kategorie Advanced Novice zu den Junioren. Diesen hatten die beiden schon letztes Jahr vorbereitet, dann änderte jedoch unvorhergesehen das internatio­nale Reglement, weshalb sie erst jetzt aufsteigen. Ein Rückschlag war das nicht, zumal die beiden ohnehin auf sehr hohem Niveau trainieren. Leonie Woodtli sagt:

Wir gehen schon mit mehr Erfahrung an den nächsten Steinklotz heran.

Bei den Junioren sind die Anforderungen anders: Es gibt keinen Pflichttanz mehr, dafür einen neuen «Rhythm Dance».Und es sei nicht selbstverständlich, bei den Junioren gleich vorne mitzulaufen: «Wir müssen in der neuen Kategorie erst einmal ankommen», sagt Timon Suhner. Die Vorzeichen dafür stehen gut – besonders, wenn die beiden weiter so gern schleifen, wie sie es jetzt schon tun.

Am Samstag, 1. März, gegen 19 Uhr, werden Leonie Woodtli und Timon Suhner wieder einmal im Rheintal zu sehen sein. Das Duo nimmt im Rahmen des Swiss-Cups in Widnau in der Kunsteisbahn Aegeten an einem Schaulaufen teil.


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