Interview: Alena TschümperlinDer Ramadan findet dieses Jahr vom 24. April bis 23. Mai statt. Sélim Benmbarek, 21-jährig, mit tunesischen und Schweizer Wurzeln aus Heerbrugg, erzählt, wie er den Fastenmonat erlebt.
Wie lässt sich der Brauch definieren? Sélim Benmbarek: Ramadan ist der Fastenmonat für die Muslime. Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islams. Das sind fünf Gebote, die ein Moslem während seines Lebens einhalten muss.
Welche Regeln gelten während der Fastenzeit? Die Regeln sind relativ einfach: In der Zeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang darf nichts getrunken und nichts gegessen werden. Gar nichts. Es gibt natürlich einige Ausnahmen für Schwangere und Kinder sowie bei Krankheit oder wenn man auf Reisen ist. Man soll öfter beten als sonst und wenn möglich für Wohltätigkeitsorganisationen spenden.
Wie alt waren Sie, als Sie erstmals am Ramadan teilnahmen? Mit 14 habe ich den ersten Ramadan durchgezogen. Ich mache es dieses Jahr zum siebten Mal.
Wie leben Sie während des Fastenmonats?Mein Leben ist auf den Kopf gestellt. Da ich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts esse und trinke, verbringe ich den Tag mit Lernen für die BMS, Schlafen und mit Dingen, die mich ablenken. Ansonsten erfülle ich die fünf Tagesgebete und bin mit meiner Familie zusammen. Nach Sonnenuntergang startet mein eigentlicher Tag. Ich esse Znacht, geniesse meinen Kaffee und bete das Abendgebet. Anschliessend gehe ich ein wenig an die frische Luft. Den restlichen Abend bleibe ich meist wach, da ich vor dem Sonnenaufgang nochmals richtig esse und trinke. Falls ich einschlafe, stelle ich mir einen Wecker, um nochmals aufzustehen. An die Gebets- und Essenszeiten erinnert mich eine App auf dem Handy.
Welchen Hintergrund hat das Fasten während des Ramadans?Es gibt verschiedene Hintergründe, warum wir Muslime während vier Wochen fasten. Das Fasten soll Verbundenheit gegenüber dem Schöpfer zeigen. Ebenfalls reinigen wir so unseren Körper und unsere Seele. Ein weiterer und für mich schöner Grund ist, dass wir merken, wie gut es uns eigentlich geht und wir Mitgefühl aufbringen für jene, welche nicht so viel haben.
Wie schwierig ist es für Sie, das Fasten einzuhalten? Nach all den Jahren, in denen ich schon faste, habe ich eines gelernt: Die einzige Lösung ist Disziplin. Mit der nötigen Disziplin und dem Vertrauen auf Gott ist es für jeden machbar. Ich muss gestehen, mir fällt es mittlerweile sehr leicht. Die ersten Tage sind zwar immer gewöhnungsbedürftig, da man oft zum Kühlschrank läuft und sich etwas zum Essen oder Trinken holen will.
Welche körperlichen Unterschiede spüren Sie während des Fastens? Ich habe weniger Kraft tagsüber und manchmal wird mir schwindlig, etwa wenn ich zu schnell aufstehe. Meistens ist mir kalt – egal wie das Wetter draussen ist.
Wie beeinflusst das Coronavirus den Ramadan? Ehrlich gesagt positiv. Dadurch, dass ich immer zu Hause bin, brauche ich weniger Energie. Schade ist nur, dass ich mich mit meinen fastenden Freunden nach dem Essen nicht auf einen Kaffee in einer Bar treffen kann.
Wie vereinbaren Sie das Fasten mit der Schule? Da ich momentan die Berufsmaturitätsschule (BMS) besuche, komme ich sehr gut damit klar. Wir haben Online-Unterricht und arbeiten von zu Hause aus. Als ich noch in der KV-Lehre war, wurde mir öfter gesagt, ich sei blass und nicht vollständig belastbar. Jedoch respektierten alle meinen Glauben, was ich ihnen hoch angerechnet habe.
Am Ende des Ramadans findet das Fest des Fastenbrechens statt. Wie feiern Sie? Das Fest, bei uns auch «Eid» genannt, feiere ich mit meinem Vater, einem gebürtigen Tunesier, und meinem Bruder. Meine Mutter ist nicht dabei, da meine Eltern getrennt sind. Wir grillieren frisches Fleisch und verbringen die Zeit miteinander.