27.07.2022

Wie? Der Chef selbst am Telefon?

Der Pfarreibeauftragte von Diepoldsau-Schmitter wird immer wieder für einen Politiker gehalten.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Bürgermeister ist in diesem Fall aber kein Amtstitel, Bernd Bürgermeister heisst nur so. Hat er mit Menschen zu tun, die ihn nicht kennen (bei einer Hotelbuchung zum Beispiel), wird er manchmal zum Herrn Bernd gemacht.Mit seiner Frau Sonja und den inzwischen erwachsenen drei Kindern kam Bernd Bürgermeister vor acht Jahren nach Diepoldsau. In der Seelsorgeeinheit Widnau-Balgach-Diepoldsau-Schmitter wirkt er als Diakon. Ist er also in gewisser Weise doch ein Bürgermeister, einfach innerhalb der Kirche? Gegen diesen Vergleich hat er nichts einzuwenden.Eine Zeitlang war Herr Bürgermeister im RathausEin politisches Amt kam nie in Frage. Obschon vielseitig interessiert, fehlte die Ambition, und seit der Weihe wäre es Bernd Bürgermeister sowieso verboten, in der Politik ein Amt zu übernehmen.Der in Koblenz aufgewachsene Diakon, der früher in Trier lebte, leistete auf dem dortigen Sozialamt seinen Zivildienst. Wurde am Telefon nach dem Bürgermeister verlangt, kam es am Anfang vor, dass die Anru­ferinnen und Anrufer irrtümlich mit Bernd Bürgermeister verbunden wurden. Andere wiederum, die korrekt zu ihm durchgestellt wurden, waren überrascht: Der Bürgermeister per­sönlich nahm sich ihres Anliegens an?In der Schweiz lebte die Familie zunächst in Gähwil (Gemeinde Kirchberg), dann in Rapperswil-Jona. In Diepoldsau kam es im Altersheim zu einer amüsanten Verwechslung. Als für die Krankenkommunion der Herr Bürgermeister angekündigt war, drückte eine Heimbewohnerin ihre Verwunderung aus: «Jetzt muss sich der Roli Wälter auch schon darum kümmern.» Roland Wälter, der Ge­meindepräsident.Auch Bernd Bürgermeisters Gattin, die ebenfalls über ein Diplom als Theologin verfügt, erlebt Verwechslungen. Bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingen wiederholt sich der Irrtum von Hilfesuchenden, sie hätten es mit der Bürgermeisterin, also einer Gemeindepräsidentin zu tun. Nicht anders erging es Bernd Bür­germeister dank eines Über­setzungsprogramms, dessen er sich bediente, als er nach Rom schrieb. Auch der Name wurde vom Programm ins Italienische übertragen.Als Bernd Bürgermeister, in seiner Seelsorgeeinheit der Teamkoordinator, zu einem Personalgespräch nach St. Gallen geladen war, kam ebenfalls die Meinung auf, es sei auch ein Gemeindepräsident dabei.Vorfahren lebten in der TschechoslowakeiWoher sein Name kommt, weiss der auch als Religionslehrer tätige Diakon nicht genau. Seine Vorfahren waren Sudetendeutsche und lebten in der ehema­ligen Tschechoslowakei. Weil nicht sehr viele Menschen Bürgermeister heissen, wurde der Diakon bei der Ahnenforschung leichter fündig. Eine bayerische Familie mit gleichem Namen meldete sich und war inzwischen zweimal bei der Diepolds­auer Familie Bürgermeister zu Besuch. Es herrscht allerdings keine nahe Verwandtschaft. «Wir haben einen gemeinsamen Ururahn», sagt Bernd Bürgermeister.Dass der Name Bürgermeister Menschen, die so heissen, voll und ganz zufriedenstellen kann, beweist ein Blick auf den Namen der Mutter. Den bei der Heirat ihres ersten Mannes angenommenen Namen behielt sie, als sie ein zweites Mal vor den Traualtar trat. Somit heisst Bernd Bürgermeisters Mutter – jedenfalls im ersten Teil des Doppelnamens – immer noch wie er.

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