Seuchen versetzten die Menschen seit jeher in Angst und Schrecken, auch wenn sich die Kenntnis ihrer Ursachen und die medizinischen Möglichkeiten, um ihnen vorzubeugen und um die Erkrankten zu behandeln, gerade im 20. und im 21. Jahrhundert bedeutend verbessert haben. Vor Seuchenzügen blieb auch das Rheintal nicht verschont.Die gefürchtetste der Seuchen war die Pest, welche als Beulen- und als Lungenpest vorkam. Doch nicht bei jeder ansteckenden Erkrankung mit zahlreichen Todesfällen, welche in Urkunden und Chroniken als «Pest» bezeichnet wurde, handelte es sich tatsächlich um die Beulen- oder um die Lungenpest. Was für eine Krankheit es genau war, kann nur ermittelt werden, wenn auch die Krankheitssymptome geschildert werden oder durch die Untersuchung der Knochen von Opfern der jeweiligen Epidemien. Dass die Pest durch ein Bakterium verursacht wird, entdeckte der Schweizer Arzt Alexander Yersin erst im Jahr 1894 in Hongkong. Während vieler Jahrhunderte ging man davon aus, die Krankheit werde durch Luft, welche durch faulende Stoffe verpestet ist, verursacht.Ein Drittel der Bevölkerung fiel um 1350 der Pest zum OpferVon den Seuchenzügen vor der grossen Pestepidemie von 1347 bis 1351, die Europa und die Schweiz heimsuchten, ist nicht bekannt, ob und wie das Rheintal von ihnen betroffen war. Besagte Pestepidemie (Schwarzer Tod) erreichte im Mai 1349 das Rheintal. Der Seuche fielen in der Ostschweiz schätzungsweise ein Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner zum Opfer.In seinem Hausbuch meldet Stadtammann Hans Vogler der Ältere in den Notizen zum Jahr 1474, dass man in St. Gallen und auch in Altstätten stark an der Pest starb. Über den nächsten Pestausbruch von 1482 schreibt er: «Item es vieng an zuo sterben jm hoewet zuo Alstetten jn ainem hüsli, was Hansen Wüsten. Darjnn braucht [= brachte] es ain frow, die hiess Ann Blüczin von Tüfen. Da het es och gar vast gestorben und belaibt sy lebendig. Es sturben gar viel junckfrowen, es starb mengen tag 6, 5, 4, 7, 8 menschen, legt man 16 oder 17 menschen jn ain loch. Es lies nit mer dann 4 oder 6 hüser, darus man nit geflochen was, es kam darin. Item es waren wol by 2 hundert menschen geflochen. Item ich kam jn 30 wochen nie jn die statt. Item es starb, als jch verstuond, ob 400 menschen.»Altstätten zählte damals etwa 600 Einwohner. Beim nächsten Pestzug von 1530 und 1531 fielen der Pest im Rheintal etwa 500 Menschen zum Opfer. Verschont blieb einzig der Reichshof Kriessern, die heutige Gemeinde Oberriet. Dass die Pest bei ihnen nicht ausbrach, führten die Bewohner des Reichshofes Kriessern darauf zurück, dass sie – im Gegensatz zu den anderen Rheintalern – katholisch geblieben waren.1585 starb in Marbach mehr als die Hälfte der Bevölkerung an der Pest. Bereits acht Jahre später brach die Krankheit wieder aus, richtete aber keinen so grossen Schaden mehr an. Beim nächsten Seuchenzug 1594 starben in Thal und Rheineck 3526 Personen und in Evangelisch Altstätten 330. 1610 und 1611 wütete die Pest erneut. Im Rheintal starben zeitweise jeden Tag 30 bis 40 Personen. 1628 und 1629 brach die Pest nochmals aus. 1635 suchte der letzte Pestzug das Rheintal heim. Beim Pestzug von 1666 bis 1668 blieb das Rheintal verschont.Häufig ging die Pest mit Missernten wegen schlechter Witterung, Überschwemmungen oder mit Krieg einher, wenn die Menschen wegen ungenügender Ernährung und schlechter Lebensbedingungen ohnehin geschwächt waren und der Krankheit umso eher erlagen. Deshalb erkrankten häufig auch Minderbemittelte zuerst und viel heftiger an der Krankheit.Weil die Gräber zu wenig tief waren, hing Verwesungsgeruch in der LuftBei der Pest von 1628 und 1629 mussten in Altstätten vier oder fünf Verstorbene in ein Grab gelegt werden. Weil die Gräber nicht genügend tief ausgehoben wurden, verpestete Verwesungsgeruch die Luft. Deshalb musste Erde auf den Friedhof geführt und der Friedhof, der damals bei der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus lag, aufgeschüttet werden.In den folgenden Jahrhunderten war das Rheintal zwar immer wieder von ansteckenden Krankheiten betroffen, die aber zu keinen mit den Pestzügen vergleichbaren Auswirkungen führten. Gravierend wirkte sich besonders 1918 und 1919 die Spanische Grippe aus sowie 2020 das Corona-Virus, wobei die Folgen der Corona-Epidemie zurzeit erst erahnt werden können.Das Pestmandat als Vorläufer der Corona-VerordnungVorbeugend versuchten die Verantwortlichen, die Einschleppung der Pest zu verhindern. Als 1739 in den Donauländern die Pest ausbrach, verabschiedeten die 13 regierenden sowie die zugewandten Ort der Alten Eidgenossenschaft ein gemeinsames Pestmandat, einen Vorläufer der bundesrätlichen Corona-Verordnungen.Darin erliessen sie, nachdem sie Gott um seinen Schutz gebeten hatten, Einreise- und Einfuhrverbote für Personen und Waren aus den von der Pest betroffenen Gebieten. Personen aus Gebieten, welche an die Pestgebiete angrenzten, durften nur einreisen und Waren aus solchen Gebieten nur eingeführt werden, wenn amtliche Dokumente bestätigten, dass die Personen und Waren weder aus Orten stammten, wo die Pest wütete, noch durch solche Orte oder Gebiete gereist waren. Zudem war eine Quarantäne von dreissig Tagen an einem gesunden Ort vorgeschrieben. Noch weniger einschränkende Bestimmungen galten für Reisende und Waren aus seuchenfreien Gebieten, aber auch sie mussten Unterlagen mitführen, welche ihnen Seuchenfreiheit bestätigten. Deserteure, Bettler, Landstreicher und Juden hingegen durften überhaupt nicht einreisen. Zulässig war die Einreise zudem nur über genau bezeichnete Grenzübertrittsorte, im Rheintal waren dies Staad, Rheineck, Monstein und Blatten.Medizinisch gab es kaum wirksame Therapien gegen die Pest. Weder waren die Ursachen der Krankheit noch wirksame Medikamente oder andere Heilverfahren bekannt. Wohlriechende Kräuter, Aderlass, Abführpillen, Diätvorschriften, das Unterbringen der Kranken in luftigen Zimmern, das Aufschneiden der Pestbeulen, Amulette aller Art, der Genuss von Knoblauch und verschiedenen Kräutern vermochten gegen die Pest nichts auszurichten.Wenn nichts hilft, hilft vielleicht der heilige Sebastian Zuflucht suchten die Menschen bei der Religion. Der Glaube stärkte auf jeden Fall die psychische Verfassung und leistete allein schon dadurch einen Beitrag zur Stärkung der Menschen. Zudem erleichterte die Hoffnung auf Erlösung im Jenseits das Leid der Erkrankten.Im Alpenrheintal auf beiden Seiten des Rheintals war der heilige Sebastian der grosse Fürsprecher der Gläubigen bei Pestgefahr. Seiner Fürbitte wurde das Erlöschen verschiedener Pestzüge, unter anderem der Justianischen Pest 589 und 590 in der Stadt Rom zugeschrieben. An entsprechend vielen Orten wurden deshalb zu Ehren des heiligen Sebastian Kapellen, Kirchen und Altäre errichtet. Im Rheintal sind als Zeugnisse der Verehrung des heiligen Sebastian bekannt: Bau einer Kapelle in Thal im Jahr 1556, Errichtung einer Sebastianskapelle in Berneck 1486, Einführung des heiligen Sebastian als Kirchenpatron in Balgach um 1521, Erstellung einer Sebastianskapelle in Rebstein 1487 (Vorläufer der heutigen Pfarrkirche), Stiftung einer Mittelmesspfründe in Marbach 1466 zu Ehren des heiligen Sebastian, 1470 Stiftung einer Kaplaneipfründe zu Ehren des heiligen Sebastian in Altstätten, Sebastian als Kirchenpatron in Kobelwald. Auch im Vorarlberg finden sich zahlreiche Zeugnisse für die Verehrung des heiligen Sebastian.In Altstätten finden noch heute zwischen dem Fest Kreuzfindung (3. Mai) und dem Fest Kreuzerhöhung (14. September) einmal in der Woche Prozessionen zur Forstkapelle statt, welche auf ein Gelübde im Zusammenhang mit der Pest zurückgehen.Nach der Reformation suchten die Evangelischen Trost in der Bibel. Gross war bei beiden Konfessionen der Besuch der Gottesdienste bei Pestgefahr, was aus heutiger Sicht die Ausbreitung der Seuche förderte. Wie die Corona-Seuche zeigt, müssen die Kirchen neue Wege der Seelsorge in Seuchenzeiten suchen, welche den Menschen den dringend benötigten geistlichen Trost schenken, ohne die Ansteckungsgefahr zu erhöhen.Wundermittelchen damals wie heuteHeute hält das Internet zahlreiche Wundermittelchen gegen die Corona-Seuche bereit. Das ist aber nichts Neues. So heisst es im sechsten und siebten Buch Mosis, einem alten Zauberbuch, man müsse den Stängel eines blühenden Beifusses, einer Pflanze, möglichst nahe am Boden abschneiden und dann mit einem Stück Stahldraht so am Frist des Hauses, wo das Haus am höchsten ist, befestigen, dass die Spitzen des Zweiges abwärts hängen. Dann sei man in diesem Haus vor Pest und anderen Seuchen gefeit.Der Verfasser dieses Artikels lehnt aber für diese Methode jede Haftung ab und empfiehlt bei Krankheitssymptomen, einen Arzt aufzusuchen.