Fussball 11.08.2023

Widnaus Captain Diego Liechti sagt: «Träumen darf man ja»

In acht Tagen spielt der FC Widnau im Schweizer Cup gegen den FC St. Gallen. Ein Spieler des Rheintaler Interregio-Teams stand bereits vor 15 Jahren gegen den FC Zürich in der Startformation: Captain Diego Liechti.

Von Hansueli Steiger
aktualisiert am 11.08.2023

Die Geschichte des FC Widnau wird am 20. August um ein bemerkenswertes Kapitel reicher: Der FC St. Gallen 1879 ist dann auf der Aegeten zu Gast. Es wird ein Jahrhundertspiel mit einer Kulisse, wie sie das Rheintal noch nie erlebte.

Am 18. Geburtstag gegen den Schweizer Meister

Der FCSG ist der vierte Goliath, der innert 15 Jahren in Widnau spielt. Und bei jedem Spiel war Diego Liechti dabei. «Die Cup-Auslosung habe ich als Lehrling mit meinen Arbeitskollegen verfolgt», sagt Liechti, sich an 2008 erinnernd. In jenem Jahr wurde der FC Widnau in der Fussballschweiz bekannt. Im Cup bekam der damalige Zweitligist den FC Zürich zugelost.

Zürich war damals Meister und 66 Stunden vor dem Spiel in Widnau im Mailänder San-Siro-Stadion zu Gast. In der Champions League unterlag der FCZ Milan mit 1:3 – die Gegner waren etwa Kaká, Seedorf, Shevchenko und der brasilianische Superstar Ronaldinho (Liechti: «Mein absolutes Idol»). Drei Tage später ging es für Zürich ins Rheintal. «Hausmannskost nach dem Europacupspiel», sagte der Moderator des Sportpanoramas, «Kulturschock für den FCZ», titelte der «Blick».

3300 Fans kamen; die Bilder vom Sportpanorama sind unvergessen: Wie FCZ-Präsident Canepa die Bratwurst genoss – und wie Widnau in Minute zwölf mit Liechti die erste Chance hatte. «Plötzlich stand ich mit dem Ball am Fuss vor Goalie Guatelli», sagt Liechti. «Ich habe versucht, den Ball an ihm vorbeizuschieben, aber er reagierte gut und wehrte ab.»

Mit dem Tor hätte er sich just am 18. Geburtstag ein Geschenk machen können. «Ich wurde viel darauf angesprochen, was wäre, wenn …», sagt Liechti. Und: «Das Spiel war atemberaubend und unvergesslich. Nach dem Spiel kamen junge Fans auf mich zu und wollten Autogramme und mein Trikot.»

Widnau stellte auch damals ein hochkarätiges Team

Der aktuelle Widnauer Captain sagt, er sei damals noch jung gewesen und habe gar nicht realisiert, was für ein Riesenevent auf ihn und den Verein zukam. Er hat auch nicht mit einem Einsatz in der Startelf gerechnet: «Am Vortag kam Sportchef Marco Zillig auf mich zu und sagte, ich würde von Anfang an spielen.» Trainer war Jeff Geiger, im Team auch der aktuelle Co-Trainer Daniel Lüchinger, Valdet Istrefi (jetzt Montlingen) und Sahin Irisme (Altstätten). Das Tor hütete der mittlerweile 54-fache liechtensteinische Nationalspieler Benjamin Büchel.

Die Gäste gingen erst kurz vor der Pause durch Eric Hassli in Führung. In der zweiten Halbzeit stellten zweimal Hassli, Schönbächler, Djuric und Barmettler per Elfmeter auf 0:6.

Fast die ganze Karriere lang ein Widnauer

Bei den weiteren Spielen – gegen GC 2021 und gegen Bellinzona 2022 – führte Liechti sein Team als Captain auf den Platz. «Natürlich habe ich mich auch auf diese Spiele gefreut, aber gegen Zürich war es definitiv ein anderes Nervositätslevel», sagt der Vater eines Sohnes. Mit der Routine begegne man solchen Spielen anders. Er habe dabei jeweils versucht, die Fans auszublenden und sich auf sein Spiel zu konzentrieren. «Das Ziel gegen solche Teams ist, möglichst lange die Null zu halten. Probiert man mitzuspielen, nutzen sie Fehler gnadenlos aus.» Auch gegen GC (0:5) und Bellinzona (1:4) kam Widnau nicht weiter. «Realistisch wussten wir, dass wir kaum eine Chance haben. Da ärgerten wir uns auch nicht zu sehr», sagt der Captain.

«Das Spiel gegen St. Gallen stellt alles in den Schatten», sagte Präsident Kuno Jocham kürzlich. Das ist aus Sicht der Spieler ebenso: «Das Spiel ist im Familien- und Freundeskreis Dauerthema», sagt der Barcelona-Fan Liechti. «Dies blende ich nicht aus. Es ist ein freudiges Entgegenfiebern.» Dass ein solcher Match eine Schippe mehr Adrenalin ausschütten wird als die bisherigen Spiele, ist verständlich. «Es ist ein Traum, dass ich so einem Moment mit meinem geliebten FC Widnau erleben darf», sagt Liechti.

Seit seinem fünften Lebensjahr kickt er auf der Aegeten. Bis auf zwei Jahre verbrachte er seine ganze Karriere dort. Von Juli 2013 bis Juni 2015 spielte er für Brühl in der Promotion League, wo ihm gegen Delémont ein Tor gelang. 26 Spiele bestritt er, ehe er zurück auf die Aegeten zog. Und ein Cup-Achtelfinal gegen Lausanne, das vor 1600 Fans 0:3 endete.

«1:0 durch Lässer-Freistoss – die Aegeten bebt»

Besucht Liechti auch Spiele in St. Gallen? «Aufgrund der Stimmung im Stadion sind Spiele des FC St. Gallen immer eine Reise wert», sagt Liechti. Die Fanbase des FCSG sei in der Schweiz einmalig. «Aber weil wir selber jedes Wochenende spielen, schaffe ich es nicht oft, Spiele vor Ort anzuschauen.» Liechti schmunzelt: «Seit der Auslosung schaue ich aber schon genauer hin.»

Das Spiel wird Liechti geniessen. «Ich versuche, die Stimmung vor, aber auch nach dem Spiel aufzusaugen. Und ich werde alles geben, dass ich mein Team bestmöglich unterstützen kann. Dies dürfte mein letztes Spiel gegen einen Grossen werden.»

Einen Tipp hat er nicht, er sagt aber: «Lässer schiesst uns mit einen Traumfreistoss zum Sieg. Wir gewinnen 1:0. Die Aegeten bebt. Der Freudentaumel ist bis St. Gallen zu hören.» Dann sagt er augenzwinkernd: «Träumen darf man ja!»


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