20.03.2021

Widnau: Fragen über Fragen

Der «Expertenchat», ein virtueller Anlass anstelle der Vorversammlung, ist auch für Rosinenpicker geeignet.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert Bruderer«Toll, dieser Chat», schrieb genau zur Halbzeit des ersten von zwei Chats Melina. Ob der Name stimmt? Vielleicht. Mitmachen konnte man auch unter falschem Namen, denn Anonymität sollte – anders als an einer Vorversammlung – möglich sein.Melina fragte: «Hat man sich auch schon Gedanken gemacht, wie man den Binnenkanal als Erholungsort mehr nutzen könnte?» Marco Koeppel, Mitglied der Kerngruppe Ortsplanung, antwortete, aktuell würden mit dem Binnenkanalunternehmen Konzepte zur Steigerung der Attraktivität erarbeitet.Ausser Koeppel waren am Mittwoch von 17 bis 20 Uhr Gemeinderäte und Fachleute aus der Verwaltung in einem grossen Raum des Gemeindehauses an der Arbeit. Gemeindepräsidentin Christa Köppel und Katja Hutter von der Gemeinderatskanzlei besorgten die Moderation; sie nahmen die eingehenden Fragen entgegen, leiteten sie intern zur Beantwortung weiter und gaben die Antworten frei.Nach einer Stunde kam der Chat in SchwungTagsüber waren erst ein paar wenige Fragen eingereicht worden, und zu Beginn schien der Chat noch nicht einem grossen Bedürfnis zu entsprechen. Doch nach einer Stunde kam die Sache ordentlich in Schwung. Sachfragen, auf die man mit ein wenig Aufwand auch selbst eine Antwort fände, wurden zunehmend von Fragen mit Anregungscharakter oder leicht kritischem Unterton abgelöst.Hat sich die Elektrizitätsversorgung Widnau schon überlegt, vermehrt in eigene, grosse Photovoltaik-Projekte oder Anlagen zu investieren? Welche Auswirkungen hatte Corona auf den Gemeindehaushalt? Wer bezahlt dies alles? Hat man für den Parkplatz im Zentrum auch schon über eine Bewirtschaftung nachgedacht? Welche bauliche Entwicklung sieht die Gemeinde an der Post-/Diepoldsauerstrasse vor? Sind öffentlich zugängliche Rasenplätze in Wohnquartieren vorgesehen? Macht die Schulinfrastruktur das Wachstum mit?Ein Felix erkundigte sich nach dem Verbleib der Wohnqualität bei verdichtetem Bauen, worauf ihm entgegnet wurde: «In stark verdichteten Gebieten sei der baulichen Qualität zwingend hohe Beachtung zu schenken. Der Gemeinderat habe deshalb einen Gestaltungsrat zur Begleitung von Projekten eingesetzt.Manchmal sprang einem ein Satz davonAnders als an einer Versammlung konnte man sich zu einem beliebigen Zeitpunkt einklin-ken, die Fragen und Antworten durchsehen, nach oben oder unten scrollen, seine persönlichen Rosinen herauspicken, dabeibleiben oder gleich wieder aussteigen. Niemand sah sich mehrminütigen Vorträgen von Bürgerinnen oder Bürgern ausgesetzt, die sich selbst gern reden hören, und wer dem Blutspenden im «Metropol» gegenüber dem Expertenchat den Vorzug gab, hat nichts verpasst; er kann nämlich auch jetzt noch alle Fragen und Antworten auf der Webseite der Gemeinde nachlesen.Das lässt zwar den Reiz unmittelbaren Erfahrens vermissen, hat aber den Vorteil, dass einem beim Lesen kein Satz «davonspringt», weil gerade wieder eine neue Frage samt Antwort aufgeschaltet wird.Letzte Frage: War der Chat ein Erfolg?Auf der Webseite der Gemeinde sind zudem acht (auch für Nicht-Widnauer interessante) Kurzvideos zu jenen Themen zu finden, die in den Expertenchats behandelt werden. Am Mittwoch kamen die Gemeindefinanzen, die Steuern und der Steuerfuss sowie die Ortsplanung zur Sprache. Beim zweiten Expertenchat vom nächsten Mittwoch, 24. März, geht es um das Alterszentrum, das Kommunikationsnetz, die Strassensanierungen und die Schule.Auf Widnaus Velofreundlichkeit (die eines der Videos propagiert) bezog sich eine kritische Bemerkung. Alle neuen Kreuzungsbereiche würden mit etwa vier Zentimeter hohen Randabschlüssen ausgeführt. «Wieso wird dieser kantonalen Regelung dermassen nachgelebt?» Die Antwort dürfte den Velofahrer oder die Velofahrerin namens Sieber, von dem (oder der) die Frage kam, beruhigen: Die kantonalen Vorschriften «hinken den spezifischen Bedürfnissen der Velofahrer etwas nach». Will heissen (zuversichtlich aufgefasst): Es dürfte besser werden.Zum Schluss eine Frage der Redaktion: War der Expertenchat ein Erfolg? In Anbetracht der siebenundfünfzig Fragen hier noch eine achtundfünfzigste: Sind jemals an einer Bürgervorversammlung auch nur annähernd so viele Fragen gestellt worden?HinweisZugang zu Fragen und Antworten: am einfachsten auf rheintaler.ch über den am Ende des Artikels vorzufindenden Link.

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