Gert BrudererIvo Riedi, seit sechs Jahren Präsident der Oberstufe Mittelrheintal, fragte gegen Schluss die ungefähr siebzig Anwesenden: «Wie oft haben Sie OMR gehört heute Abend?» Die Frage stellte er, nachdem Gemeindepräsident Christian Sepin die Chancen und Risiken dargelegt und sich im Namen des Gemeinderats klar dafür ausgesprochen hatte, die Primarschulgemeinde unters Dach von politisch Au-Heerbrugg zu bringen. «Wenn man fürs gleiche Geld etwas besser machen kann, ist das meiner Ansicht nach gut», lautet eine von Sepins Aussagen.Auf dem Weg zur Abstimmung vom 10. Februar ist nicht alles gut gelaufen. Der Schulrat hatte sich zunächst aus eigenem Antrieb mit der Bildung einer Einheitsgemeinde befasst, dann aber entschieden, die Übung abzubrechen. Seiner Ansicht nach überwogen die Nachteile. Doch der Schulrat hielt es nicht für nötig, der Bevölkerung diese Nachteile bekannt zu geben. Er verweigerte geradezu die Auskunft.Schulrat räumt Fehler einAn der Veranstaltung vom Montag Abend, in der Mehrweckhalle Wees in Au, sagte Schulrats-Vize Christoph Sieber nun als erstes: «Das war ein Fehler.» Eingehend legte er sodann dar, welche Gründe den Schulrat vor gut einem Jahr bewogen, das Projekt Einheitsgemeinde nicht weiterzuverfolgen. Diese späte Einsicht lobte eine Bürgerin, doch freilich kam die Einsicht etwas spät. Weil das gemeine Fussvolk an der Schulbürgerversammlung vom letzten Frühling noch völlig im Dunkeln tappte, stellte Dominik Gebert an jener Versammlung den Antrag, der Bürgerschaft sei ein abstimmungsreifes Projekt vorzulegen. Gegen den Willen des Primarschulrats stimmten die Anwesenden zu, mit 94 zu 66 Stimmen. Das ist der Grund, warum nun die Schulbürgerschaft am 10. Februar abstimmen kann.Es geht nicht nur um Chancen und RisikenAm Montag Abend ging es darum, die Chancen und Risiken zu beschreiben, die der Gemeinderat in einer Einheitsgemeinde erkennt, sowie die Nachteile aufzulisten, die den Schulrat bewegen, die Abstimmungsvorlage abzulehnen. Doch dann zeigte sich: Vor- und Nachteilen könnte in diesem Fall eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Denn der vielleicht grösste Gegner ist – aus völlig anderen Überlegungen – die Oberstufe Mittelrheintal. Damit kommen wir zu einem kurzen, aber bedeutenden Wort: unecht.Die Einheitsgemeinde von Au-Heerbrugg, so sie denn kommt, ist eine sogenannt unechte Einheitsgemeinde.Das heisst: Die Oberstufe, an der ausser Au-Heerbrugg die beiden Gemeinden Balgach und Berneck beteiligt sind, wäre nicht Teil der Einheitsgemeinde, sondern bliebe eigenständig. Nur die Primarschule käme unters politische Auer Dach, und dies erst noch mit Einschränkungen. Zwar könnten Kinder aus Heerbrugger Familien, die auf Balgacher oder auf Bernecker Boden leben, weiterhin die Schule in Heerbrugg besuchen. Doch mit der Bildung einer Einheitsgemeinde verlören die Eltern dieser Kinder ihr Mitbestimmungsrecht in der Schulgemeinde. Diese Schulgemeinde wäre künftig ja ein Teil des politischen Gebildes Au-Heerbrugg. Ernst Ruppanner, ehemaliger Präsident des Marktamts Heerbrugg, relativierte mit Blick auf die bescheidene Teilnahme an Bürgerversammlungen die Bedeutung der Mitbestimmung. (Zu diesem Themenkreis ist für Mittwoch, 23. Januar, ein separater Info-Abend geplant.)OMR-Präsident Ivo Riedi sieht zwar wie der Gemeinderat viele Vorteile in einer Einheitsgemeinde, wünschte sich aber «grössere Vorteile für uns als Region». Die Diskussion über eine regionale Lösung setze allerdings ein Nein am 10. Februar voraus. In Riedis Vorstellung könnten in einem ersten Schritt alle Schulen von Au, Balgach und Berneck zu einer einzigen Schulgemeinde verschmelzen – und in einem zweiten Schritt vielleicht auch alle drei politischen Gemeinden, was eine Grossgemeinde Heerbrugg bedeuten würde. Das wäre dann sozusagen die Variante G3, nachdem G5 (die Fusion aller fünf Gemeinden des Mittelrheintals) im letzten Jahrzehnt klar scheiterte.Der OMR-Präsident findet «schade, dass wir überhaupt eine Lösung diskutieren, die einen Teil der Eltern» als Stimmberechtigte ausschliesse. Als «Verfechter einfacher, verständlicher Lösungen» meinte er: In Au-Heerbrugg nur für Au-Heerbrugg zu denken, sei nicht der richtige Weg.«Der grösste Partner sässe nicht am Tisch»Riedis Vorgängerin, die ehemalige OMR-Präsidentin Helga Klee, blies ins gleiche Horn. Würde die unechte Einheitsgemeinde, wie sie vorgesehen sei, tatsächlich gebildet, «hätte man den grössten Partner, die OMR mit ihren rund 9000 Schulbürgern, nicht mal am gleichen Tisch». Überhaupt wurde beanstandet, dass die Rolle der OMR öffentlich gar nie zur Diskussion gestellt worden sei.Zu guter Letzt drückte auch Markus Waser sein Missfallen über die Vorlage aus. Der OMR-Schulleiter sagte, er äussere sich als Präsident von Pro Heerbrugg. Waser ist in Heerbrugg zu Hause, auf Bernecker Boden, und gehört somit zu jenen, die bei einem Ja zur Einheitsgemeinde Au-Heerbrugg ihr Mitbestimmungsrecht verlören. Waser sagte, mit einem Ja werde eine regionale Zukunft verbaut, die angesichts einer komplizierten Situation x Verträge erfordere. Mit einem Nein komme man weg vom Gärtli-, hin zu regionalem Denken.Doch zurück an den Anfang der Info-Veranstaltung. Da schilderte Gemeindeberater Jean-Claude Kleiner die Entwicklung der letzten Jahre, also die starke Tendenz im Kanton St. Gallen, Schulgemeinden zusammenzulegen bzw. Schulgemeinden unters Dach politischer Gemeinden zu bringen. Von den 150 Schulgemeinden zur Jahrtausendwende bestehen noch 36, knapp die Hälfte davon im St. Galler Rheintal.In einer Einheitsgemeinde wäre der Primarschulpräsident zugleich ein Mitglied des Gemeinderats, der Schulrat bliebe für alles Schulstrategische und Pädagogische verantwortlich. Das heisst, seine Autonomie bliebe weitgehend gewahrt. Er würde weiterhin die Fachkommissionen im Schulwesen bestimmen, Stellenplan und Klassenorganisation festlegen, die Schulzahnärzte wählen - und viele weitere Aufgaben erfüllen.Finanzverwaltung und Liegenschaftsverwaltung von Schul- und politischer Gemeinde würden zusammengelegt.Einheitsgemeinde brächte ChancenJean-Claude Kleiner nannte im Wesentlichen die eher schlanke Behördenorganisation, die Gemeinsamkeit der Strategie sowie der Finanz- und Investitionsplanung, die Konzentration des Schulrats auf die strategische und pädagogische Führung und die gemeinsame Bearbeitung so genannter Querschnittthemen als Chancen einer Einheitsgemeinde.Gemeindepräsident Christian Sepin, der in der Einheitsgemeinde Diepoldsau lange als Schulpräsident wirkte, hob den Wert der Zusammenführung im Sozialbereich hervor. Wenn ein bestimmtes Problem Schule und politische Gemeinde gleichermassen betreffe, sei es vorteilhaft, es gemeinsam anzupacken.Weil der amtierende, bald zurücktretende Schulpräsident Walter Portmann die Einheitsgemeinde befürwortet, der Schulrat als Gremium eine Einheitsgemeinde aber ablehnt, begründete Vizepräsident Christoph Sieber die ablehnende Haltung des Primarschulrats.Als Nachteile der Einheitsgemeinde nannte Sieber den Verlust der Finanzkompetenz, die Vertretung der Schule mit nur einer Stimme im Gemeinderat, die «Verpolitisierung» von Schulthemen, die Konzentration der Macht an einem Ort sowie die Schwerfälligkeit der Administration. Liegenschaften würden nicht mehr im Nebenamt betreut und mit den Arbeitsverschiebungen seien kaum Synergien verbunden.Bei einem Ja am 10. Februar zur Integration der Primarschulgemeinde Au-Heerbrugg in die Politische Gemeinde Au-Heerbrugg würde per 1. Januar 2021 die unechte Einheitsgemeinde gebildet. Allerdings unterstünde das Projekt in den politischen Gemeinden Au-Heerbrugg, Balgach und Berneck nach der Abstimmung noch dem fakultativen Referendum.Beschulungsvertrag mit NachbargemeindenMit den Gemeinderäten von Balgach und Berneck hat der Auer Gemeinderat sein Einheitsgemeinde-Projekt bereits abgestimmt. Entsprechend ist ein Beschulungsvertrag für die Heerbrugger Kinder aus den Gemeinden Balgach und Berneck erarbeitet worden. Eine Anpassung oder Aufhebung des Beschulungsvertrags wäre nur in gegenseitigem Einvernehmen möglich.HinweisFr, 18. Januar, 19 Uhr, Kanti Heerbrugg: 2. Info-Anlass; Mi, 23. Januar, 19 Uhr: Aula OMR Am Bach, Heerbrugg: Info speziell für Schulbürger aus politisch Balgach und politisch Berneck.