14.08.2018

Wertvolle Tafel ist wieder da

Per Zufall hat eine Tafel in den Torkel Romenschwanden zurückgefunden, die schon im 18. Jahrhundert hier hing. Sie ist restauriert und geheimnisumwittert.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererLange Zeit war die Tafel ver­schollen, beziehungsweise wusste kaum noch jemand von ihr. Dann aber meldete sich ein Luzerner Historiker bei der Torkel-Eigentümerin, der Ortsgemeinde.Er hatte das historische Stück angeboten bekommen und setzte die Rheintaler hierüber in Kenntnis.Die Ortsgemeinde, an wertvollen Stücken von früher naturgemäss interessiert, zog Markus Kaiser bei, einen versierten Rentner, der früher fürs Staatsarchiv tätig war, und bekam von ihm versichert, es handle sich um ein sehr seltenes, wertvolles Stück.Der Rat lautete: Unbedingt kaufenRolf Künzler, der die Ortsgemeinde präsidiert, fasst die Empfehlung des Experten mit zwei Worten zusammen: Unbedingt kaufen. Natürlich nicht zu jedem Preis, aber 4800 Franken, das war für die Ortsgemeinde in Ordnung, also ist sie fortan im Besitz der Tafel, die vor über zweieinhalb Jahrhunderten entstand.Klaus Engler, ein Restaurator aus Untereggen, hat das Prunkstück restauriert. Das schlägt zwar mit weiteren 4000 Franken zu Buche, doch der Denkmalschutz beteiligt sich an diesen Kosten.An der Begehung vom Samstag, zu der die Ortsgemeinde eingeladen hatte, bekamen die hundert Teilnehmer die Tafel als erste zu sehen – überraschend, weil der Restaurator mit der Arbeit fertig war.Mit der Tafel sind Rätsel verbundenMit dem Objekt sind zumindest zwei Rätsel verbunden. Unter der Bemalung ist eine (bei genauem Hinsehen) durchschimmernde zweite Schrift zu erkennen, von der nicht klar ist, ob es sich bei ihr um eine zunächst fehlerhafte Ausführung gehandelt hatte oder sie einen anderen Grund hat.Das zweite Rätsel betrifft die vorübergehende Abwesenheit der Tafel. Der Ortsgemeindepräsident sagt, der einheimische Hermann Kellenberger habe das wertvolle Objekt im Jahr 1947 noch im St. Margrether Torkel gesehen. Kellenberger verfasste über den Weinbau in St. Margrethen einmal einen längeren Text. Wann genau nach 1947 die Tafel wohin kam, ist ebenso unbekannt wie der spätere Aufenthaltsort des Torkelbaums (keinesfalls kam er nach Balgach, wie auch schon zu hören war, denn der beim Bad Balgach stehende mächtige Torkelbaum stammt vom St. Margrether Apfelberg).Beim Romenschwander Torkelbaum handelte es sich um den grössten aller damals 16 Torkelbäume im Rheintal; das geht aus dem sogenannten Schaffneramtsinventar von 1746 hervor.Dass nicht alle Fragen zur Tafel geklärt sind, stört Rolf Künzler nicht. Er meint: «Da macht’s no spannend, dass äs um dia Tafle no ‘s eint oder ander Gheimnis git.»336 Männer brachten den Baum zum TorkelBekannt ist, dass der einst zehn Meter lange Torkelbaum im Torkel Romenschwanden (früher Rommischwanden) aus Riggenbach bei Wolfurt herbeigeschafft worden war. Bei Wolfurt habe es einen Bannwald gegeben, der für die Herstellung von Torkelbäumen genutzt worden sei, sagt Restaurator Klaus Engler.Dank der nun zurückgekehrten Tafel weiss man, dass der Romenschwanden-Torkelbaum im 18. Jahrhundert von 70 Rössern und 90 Mann zum Rhein geschafft und dort «mit viel Mühe» auf ein Schiff verladen wurde.In St. Margrethen schleppten 336 Männer den Torkelbaum in einem halben Tag zum Torkel. Der Torkelbaum kostete die St. Margrether 68 Gulden. Dieser Betrag dürfte in einer Rechnung von 1741 über 468 Gulden enthalten sein; mit diesem Betrag dürften zudem die Kosten für den Transport sowie die Arbeiten am Torkel und am Gebäude abgegolten worden sein.Sechs Batzen für jeden, der schleppen halfDie 90 Vorarlberger, die den Torkelbaum von Wolfurt zum Rhein brachten, erhielten etwa 36 Gulden. Die 336 Männer, die den Weitertransport bis zum Torkel Romenschwanden besorgten, wurden mit 125 Gulden entschädigt. Das heisst, pro Mann wurden sechs Batzen bezahlt.Markus Kaiser weiss: Ein Gulden entsprach 15 Batzen bzw. 60 Kreuzern. Ein Gulden war Mitte des 18. Jahrhunderts so viel wert wie gut 100 heutige Franken. Das bedeutet, dass die Männer, die den Torkelbaum zum Torkel Romenschwanden hochschleppten, mit rund 50 Franken entschädigt wurden. Um 1740 seien die sechs Batzen mehr als das Doppelte eines normalen Taglohns gewesen, sagt Kaiser.Die Tafel zu Ehren des Torkelbaums soll von einem Maler namens Abraham Buffler stammen. Das auf der Tafel abgebildete Wappen ist jenes von Kaspar Scherrer, dem einstigen Verwalter der Region. Ein solcher Verwalter wurde früher u. a. Schaffner genannt.Der Verwalter der Region ging KonkursZu der Zeit, als der Torkelbaum nach Romenschwanden kam, wohnte Kaspar Scherrer (1691 bis 1757) im Blatten. Damit ist aber nicht Schloss Blatten in Oberriet gemeint, sondern nach Auskunft von Markus Kaiser der noch heute bestehende Landsitz Blatten oberhalb von Staad.Der vom Kloster in St. Gallen eingesetzte Verwalter ging übrigens 1749 Konkurs. In den Akten sei von «indianischen Effekten in Cadiz» die Rede, weiss der frühere Archivar des Staatsarchivs. Er meint, Scherrer habe sich an einem Handel mit Wertpapieren aus dem spanischen Westindien beteiligt. Offenbar habe der Verwalter im «Dreieckshandel» investiert. Dabei exportierten Schiffe zuerst Waren nach Afrika, lieferten dann Sklaven nach Amerika und kehrten mit teuren Kolonialwaren, wie zum Beispiel Tabak, Kaffee und Zucker, zurück. Dieses «hochspekulative Geschäft» dürfte Scherrers finanziellen Untergang besiegelt haben.

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