02.07.2020

«Werde ich beleidigt, muss ich weinen»

Mit ihrem ersten Projekt als Vorsteherin des St. Galler Departements des Innern kämpft Laura Bucher gegen Rassismus und Diskriminierung.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Yves SolenthalerSeit zwei Monaten ist die SP-Regierungsrätin Laura Bucher im Amt, am Mittwoch präsentierte sie in Rheineck das Projekt «Kanton St. Gallen gegen Rassismus», das mit Plakaten, Veranstaltungen und Online-Interaktion zum Erfahrungsaustausch einlädt. Damit reagiert sie rasch aufs erste Globalthema ihrer Amtszeit. «Es geht nicht darum, auf einen fahrenden Zug aufzusitzen», sagt Bucher, «wir nehmen ein offensichtlich drängendes Thema auf.»Problematik im Dialog mit den Bürgern aufspürenDie Plakate, die im ganzen Kanton aufgehängt werden, sollen zum Nachdenken anregen, etwa dieses: «Vo wo chunnsch du?» – «Vo Sanggalle» – «I mein ... ursprünglich.» Im Internet unter gegenrassismus.sg.ch können Leserinnen und Leser ihre Erfahrungen zum Thema Diskriminierung mitteilen. Zum Projekt finden auch Anlässe, an denen Laura Bucher im Gespräch mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen problematische Situationen aufspüren möchte.Der erste dieser Anlässe hat beim FC Rheineck stattgefunden. «Der FC Rheineck geniesst Heimvorteil, weil ich aus St. Margrethen bin», sagt Bucher, «und weil ich weiss, dass der FC Rheineck sehr viel für Integration macht.» Als Beispiel erwähnt die Regierungsrätin, dass Jugendliche vom Internat Marienburg für unbegleitete Minderjährige in Thal beim Fussballclub kicken – gemäss Juniorenobmann Michael Bartsch sind das derzeit acht Junioren. Auch als Träger des Qualitätslabels «Sport-verein-t» wendet sich der FC Rheineck gegen Diskriminierung. Die D-Junioren des Vereins waren an der Präsentation dabei, später stiessen auch ein paar C-Junioren (13- bis 14-jährig) dazu. Bucher stellte ihnen Ja-Nein-Fragen zu Alltagssituationen. Wer mit «Ja» antwortete, machte einen Schritt nach vorn. Wer weit vorne stand, hatte Diskriminierung schon am eigenen Leib verspürt. Einer sagte, er sei wegen seiner dunklen Hautfarbe auch schon beleidigt worden. «Was unternimmst du dagegen?», fragte Bucher. «Ich weiss es nicht», sagte der Bub, «manchmal muss ich weinen.» «Im FC Rheineck findet Diskriminierung nicht statt», sagt Vereinspräsident René Sutter, Juniorenobmann Bartsch bestätigt, dass in seiner achtjährigen Amtszeit kein schwerer Fall vorgekommen sei. Auch Rheinecks Stadtpräsident Urs Müller sagt, er habe in seiner kurzen Amtszeit (seit November) noch nie Rassismus erlebt: «Im Winter gab es aber an einem Marienburg-Infoanlass einige sehr knackige Äusserungen – allerdings zum Teil auch begründet.»Die Fussballer sind ein Beispiel für das Miteinander der Kulturen. Andererseits gehö-ren diskriminierende Sprüche (meist rassistisch oder homophob) von Zuschauern zum Alltag auf Rheintaler Fussballplätzen. «Wenn ich so etwas höre», stelle ich die Betreffenden zur Rede», sagt Juniorenobmann Bartsch, «dann sehen sie ihr Fehlverhalten meist ein.»

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