16.06.2021

Wer tippt, kennt keine Gnade

«Du, mach doch mit bei unserem EM-Tippspiel, wir haben da schon eine Gruppe gegründet.» Auf die fast beiläufig ins Gespräch eingeflochtene  Aufforderung eines Freundes reagierte ich mit einem schlichten «Ja».

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Das war irgendwann vor zwei Wochen. Jetzt bin ich drin, in einer Fussball-EM-Tippgruppe, in der Freunde und Nachbarn seit letztem Samstag auf  Punktejagd gehen. Und nichts ist mehr, wie es war. Alles dreht sich um dieses Gruppentippspiel. «Wie kann das sein, dass X führt?», fragt ein Nachbar, den ich zufällig auf der Strasse treffe. «Hast du gesehen, Y holt auf, aber warte ab, bis die Gruppenphase vorbei ist», lässt ein anderer wissen.  Noch andere sprechen von «gebrauchten Tagen» und zwar dann, wenn sie trotz drei Spielen und diversesten Möglichkeiten, Punkte zu ergattern, einen Tipp-Tag mit 0 Punkten abschliessen.Auf die Frage einer Freundin: «Was macht ihr morgen?» gibt es nur eine Antwort:  Erst tippen, dann schauen. Natürlich, Fussball ist nur ein Spiel, das Tippen ein Spass, bar jeder Ernsthaftigkeit. Und doch ertappe ich mich selbst dabei, mindestens einmal täglich einen Blick auf das Gruppenranking zu werfen. Vielleicht sollte auch ich es einmal wagen, ein Spielergebnis einzugeben, das völlig, wirklich völlig unwahrscheinlich ist. Mit einem derartigen Manöver schob sich Z vorgestern ganz weit nach vorn. Das Ergebnis war also möglich. Ein Mittipper wandte sich daraufhin an mich, als ob ich wüsste, was Z veranlasst haben könnte, ein derart unwahrscheinliches Resultat einzugeben.Eines aber weiss ich: Ist man in einer Tippgruppe, darf man keine Skrupel haben, die eigene Nationalmannschaft zur Niederlage zu tippen. Das könnte einen ganz nach oben spülen.

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