23.11.2018

Wenn der Sparringspartner fehlt

Die SVP-Rheintal plante ein überparteiliches Podium zur Selbstbestimmungsinitiative, das durch die Abwesenheit anderer Parteienvertreter zur Selbstdarstellung vor den eigenen Anhängern geriet. Woran lag es?

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Die Tatsache, dass sich bei der von der SVP Rheintal organisierten Veranstaltung zur Selbstbestimmungsinitiative («Schweizer Recht statt fremde Richter») am 6. November ausser den SVP-Vertretern keine Politiker anderer Parteien eingefunden hatten, kommentierte der dort anwesende SVP-Nationalrat Thomas Müller, Stadtpräsident in Rorschach, mit den Worten: «Das ist Kampagnentaktik.»Raum für SpekulationenEin überparteiliches Podium zu einem gesamtschweizerischen Abstimmungsthema fällt im Rheintal aus wahlkampftaktischen Gründen flach, wie Thomas Müller unterstellte? Kann das sein? Oder ist es womöglich so, dass Polit-Podien für die Parteien nicht mehr unbedingt das bevorzugte Medium sind, politische Inhalte und Standpunkte einer potenziellen Wählerschaft gegenüber darzulegen und – mit Sachargumenten und Aug´in Aug´mit den Wahlberechtigten – gegebenenfalls die eine oder andere Stimme zu gewinnen?Markus Wüst, Kantonsrat und Präsident der SVP Rheintal, der als Veranstalter des November-Anlasses auftrat, hielt sich mit Kommentaren zu möglichen Gründen für das Fernbleiben der Vertreter von CVP und FDP zurück. Er selbst habe Anfang September bei der FDP Rheintal und ebenfalls bei der CVP Rheintal angefragt, ob Interesse an der Mitwirkung bei einer Podiumsveranstaltung zur Selbstbestimmungsinitiative bestünde. Dies sei von beiden Parteipräsidenten bejaht worden, erklärte Wüst. Vier Wochen vor dem Anlass sei die Teilnahme eines CVP- wie auch eines FDP-Vertreters dann von den Rheintaler Parteipräsidenten, Gabriel Macedo (FDP) und Sandro Hess (CVP) negativ beschieden worden.Nach der Anfrage herrschte FunkstilleKantonsrat Sandro Hess bestätigt eine Anfrage Wüsts Anfang September. Diese habe sich jedoch nur auf die Bereitschaft zur Mitwirkung an einem Anlass bezogen, jedoch «noch kein konkretes Datum und auch keine Details enthalten», sagt Hess.Man könne sich seitens der CVP eine Beteiligung vorstellen, habe er seinerzeit geantwortet.Und dann wochenlang nichts mehr gehört. Erst Anfang Oktober habe sich Hansruedi Köppel, Vizepräsident der SVP Rheintal, mit einigen Terminvorschlägen gemeldet. Für einen Anlass Anfang November sei die Planungszeit jedoch zu diesem Zeitpunkt einfach zu knapp gewesen, «daher haben wir klar abgesagt», teilt Hess mit. «Und ganz ehrlich: Ich musste lachen, als ich das mit der Kampagnentaktik in der Zeitung las». Sein ehemaliger Parteikollege (Müller trat 2011 aus der CVP aus und wechselte zur SVP) habe Humor – «und das meine ich als Kompliment», merkt Sandro Hess an.Dass Markus Wüst nach dem Nein der CVP zwei Wochen vor dem Anlass noch versuchte, den Rüthner CVP-Nationalrat Thomas Ammann als Podiumsteilnehmer zu gewinnen, stört Sandro Hess nicht, «fragen kann man immer». Thomas Ammann wäre sogar gekommen, wie er mitteilt, sei jedoch in Bern bis in den Abend gebunden gewesen.Weibeln hinter dem RückenZum gleichen Zeitpunkt wie die CVP wurde auch die FDP - Rheintal angefragt. Auch Gabriel Macedo gibt an, nach der ersten Anfrage wochenlang nichts mehr gehört zu haben; dann erst wieder kurz vor dem Termin.Dass er eine Teilnahme der FPD aufgrund der Kurzfristigkeit abgesagte habe, bedeute jedoch nicht, dass sich die FDP Rheintal der politischen Diskussion entziehen wolle, stellt Macedo klar. Unmut regte sich bei ihm - anders als bei Sandro Hess, hingegen darüber, dass auch «sein» Nationalrat, nämlich Walter Müller, etwa zwei Wochen vor dem Anlass an der Parteileitung vorbei von der SVP angesprochen worden war. Für Macedo ein «Weibeln hinter dem Rücken». Dass kein FDP-Vertreter an besagtem Podiumsanlass vertreten war, sei der schleppenden Organisation seitens der Veranstalter geschuldet, sagt Macedo. «Vier Wochen vorher sind zu knapp, etwas zu organisieren».Man müsse sich allerdings grundsätzlich fragen, wen man mit einem Podium anspreche, gibt der FDP-Mann zu bedenken: «Die breite Mehrheit der Leute geht doch nicht ans Podium.» Mit Standaktionen und in persönlichen Gesprächen liesse sich nach Meinung Macedos in der politischen Arbeit mehr erreichen. «Der Unentschiedene informiert sich nicht an Podien, sondern anderswo».Eine andere Haltung zu PolitPodien nimmt Sandro Hess ein. Er sagt: Die Politik live mitzuverfolgen, Leute persönlich und direkt ansprechen zu können ist auch heute noch interessant».Welche Partei die Anlässe organisiere, sei für ihn ohne Belang: «Ich habe da keine Berührungsängste». Es sei durchaus möglich, auch bei überparteilichen Podien «den einen oder anderen zum Nachdenken anzuregen und Wähler zu gewinnen», ist Hess überzeugt; auch wenn die Besucherzahlen «leider oft eher bescheiden seien». Man habe als Gast im Saal die Möglichkeit, mit Fragen ins Geschehen einzugreifen und bei den Debatten Politiker und deren Argumente 1:1 zu erleben. Natürlich dürfe man die Leute nicht mit einer Podien-Flut überfordern, so Hess. Ein bis zwei derartige Anlässe pro Jahr seien denkbar.Es darf vermutet werden, dass die Rheintaler Bevölkerung in Zukunft nicht gänzlich auf überparteiliche Podien wird verzichten müssen. Vielleicht auch einmal zum Thema «Rhesi» oder «Verkehr», wie es Gabriel Macedo vorschlägt. Hilfreich mag während der Planungsphase die Beachtung der Spruchweisheit sein: «Viele Köche verderben den Brei.»

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