15.02.2021

«Weniger, dafür gutes Fleisch essen»

Um nachhaltiger zu produzieren, stellte Familie Züst aus Lutzenberg von Milch- auf Fleischwirtschaft um.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Peter Züst übernahm den Milchwirtschaftsbetrieb seiner Eltern vor 20 Jahren. Gemeinsam mit seiner Frau Adeline betrieb er den Hof mit einem Minimum an Kraft- und Ergänzungsfutter und setzte auf einen regionalen Verarbeiter der Milch.Mit den Jahren entwickelten sie eine Philosophie, nach der sie leben wollten: «Wir sind Teil eines natürlichen Kreislaufs», sagt Adeline Züst, «umso wichtiger ist es, ihn aus einer nachhaltigen Perspektive zu betrachten und so natürlich wie möglich zu belassen.» Familie Züst wurde klar, dass sie die Milchwirtschaft aufgeben und sich neu orientieren wollten.Aus Gras Fleisch produzieren«Wir suchten nach Tieren, die zu unserem Land passen», sagt Peter Züst. Da ihr Land stotzig ist, mussten die Tiere leicht sein, schliesslich wollte man sie so oft wie möglich auf die Weide lassen. Die Kälber sollten bei ihren Muttertieren aufwachsen und deren Milch jederzeit trinken können. Ausserdem sollte 100 Prozent des Futterbedarfs auf dem eigenen Hof hergestellt werden.«Wir kauften die ersten Dexter-Rinder im November 2017», sagt der 45-jährige Peter Züst, «Die aus Irland stammenden Rinder vereinen alles, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben.» Gestartet haben sie mit zwölf Muttertieren und acht Rindern – mittlerweile besitzen sie 30 Muttertiere, ebenso viele Kälber sowie sechs Rinder für die Zucht.«Für uns beginnt Nachhaltigkeit bei kleinen Dingen im Alltag», sagt die 39-jährige Adeline Züst, «weniger Plastik zu verbrauchen, regional und saisonal einzukaufen, ist für uns selbstverständlich, ebenso für die Artenvielfalt Hochstammbäume zu pflanzen und Waldränder zu pflegen.»Aus Gras Fleisch zu produzieren, stehe nicht im Widerspruch, eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft zu betreiben. «Richtig und notwendig wäre, weniger, dafür gutes und nachhaltiges Fleisch zu essen», sagt Peter Züst, «wir wollen nicht einfach Fleisch erzeugen, sondern ein Lebensmittel nach höchsten ethischen, qualitativen und ökologischen Ansprüchen anbieten.» Das Fleisch ihrer Rinder wird nicht im Handel von Grossverteilern angeboten und ist somit keine Massenproduktion. So findet sich unter ihrer Kundschaft Jung und Alt, Familien und Alleinstehende, Büezer und Studierte – Personen, die auf einen bewussten Fleischkonsum achten und regionale Produkte bevorzugen. «Viele Kunden freuen sich, die Tiere zu sehen und zu wissen, wie sie leben, was sie fressen und wie ihr Leben endet», sagt Adeline Züst.Ausbeinen, verschneiden und verpackenDie Tiere werden fünf Autominuten vom Hof entfernt geschlachtet. Peter Züst begleitet sie immer, denn die Tiere seien nicht gern allein. Um den Stress zu verkleinern, sei der Transportweg kurz zu halten. Aktuell befassten sie sich mit der Hoftötung, da diese seit Kurzem gesetzlich erlaubt sei.«Wir verwenden alles von unseren Tieren nach dem Prinzip ‹Nose to Tail›», sagt der gelernte Forstwart, «das zeugt von Respekt und zeigt die Wertschätzung gegenüber einer wertvollen Ressource.» Es wäre dem Tier gegenüber unanständig, es nicht vollständig zu verwerten.Nach dem Abhängen des Fleisches kommt es zurück in die Manufaktur des Hofs. «In unserer Manufaktur werden alle Arbeitsschritte vom Ausbeinen, Parieren, Verschneiden, Verpacken bis zum Vermarkten getätigt», sagt die gelernte MPA. Ein befreundeter, innovativer Metzger unterstütze sie und arbeitet Peter Züst in das Metzgerhandwerk ein.Spontanere Freizeitgestaltung«Wir glauben an unsere Betriebsphilosophie und wünschen uns, dass in Zukunft die Landwirtschaft nachhaltig und ökologisch geprägt sein wird», sagt Peter Züst. Die Landwirtschaft soll mehr als Landschaftspflege sein, denn sie biete den Menschen die Chance, dass die nächsten Generationen mit intakten Ressourcen arbeiten und leben können.Der Wechsel habe sich nicht nur ökologisch bezahlt gemacht. Seither fielen die konstanten Melkzeiten weg, was zu mehr Flexibilität führe. «Wir erlauben uns immer wieder kleinere Auszeiten», sagt Adeline Züst, «die Lebensqualität hat sich positiv verändert.»

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