24.01.2021

Wenig Platz für Studenten

Wer einen Lernplatz in einer Rheintaler Bibliothek sucht, dürfte es schwer haben. Schuld daran ist nicht nur Corona.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Die Zeit zwischen den Semestern empfinden die meisten Studentinnen und Studenten als die schönste im Jahr. Zumindest, bis der Prüfungsstress ansteht und in kurzer Zeit Unmengen an Stoff gebüffelt werden muss. In Anbetracht dieser Aufgabe sind die eigenen vier Wände mit zig Zerstreuungsmöglichkeiten nicht immer konzentrationsfördernd, weshalb Studierende während der Lernphase oft auf Bibliotheken ausweichen. Solche Lernplätze in ruhiger Umgebung und mit Internetzugang findet man in den Uni-Städten des Landes problemlos – im Rheintal hingegen ist die Suche nach einem geeigneten Lernplatz deutlich schwieriger. Das findet auch Zora, die anders heisst, ihren Namen aber nicht in dieser Zeitung lesen will. Auf Instagram schreibt sie der Redaktion: «Ich studiere in Zürich, wohne aber immer noch im Rheintal. Um zu lernen, fahre ich jeweils bis nach St. Gallen, weil sich dort die einzige Bibliothek befindet, in der es wirklich ruhig ist.» Die Öffnungszeiten sind auf wenige Stunden beschränktCoronabedingt ist der Aufenthalt in der Bibliothek derzeit ohnehin in der ganzen Schweiz auf ein Minimum, also auf die Ausleihe beschränkt. Doch auch in gewöhnlichen Zeiten fehlt es den meisten Bibliotheken in den Gemeinden an Platz, den sie Studierenden zur Verfügung stellen könnten, zumal das Mediensortiment immer umfangreicher, die Räume aber nicht grösser werden. Hinzu kommen vielerorts die beschränkten Öffnungszeiten, die meist wenige Stunden pro Tag oder sogar pro Woche betragen. «In Ruhe zu lernen, ist bei uns schwierig», sagt Brigitte Keller, Leiterin der Bibliothek Widnau. «Sobald wir geöffnet haben, läuft relativ viel, oft sind auch Schulklassen bei uns.» Einen Computer zur freien Nutzung gebe es zwar, doch dieser sei für Bücher-Abfragen vorgesehen und nicht für persönliche Recherchen. Und weil das Wlan dem Netzwerk der Gemeinde angegliedert ist, könne es aus Sicherheitsgründen nicht freigegeben werden.   Bibliothek Balgach bietet Lernplatz auf AnfrageÄhnlich wie in Widnau sieht es auch in Rheineck und Au aus. Es gibt aber auch kleine Bibliotheken, die einen Lernplatz bereitstellen würden, wenn sie denn eine Anfrage bekämen – zum Beispiel in Balgach, wie Leiterin Bettina Bartl sagt. «Einen öffentlichen Internetzugang haben wir zwar nicht, aber einen Tisch, an dem man sich ausbreiten kann. Auch unsere Öffnungszeiten sind beschränkt, doch das Biblio-Team arbeitet natürlich darüber hinaus. Würde uns jemand anfragen, fänden wir sicher ein Zeitfenster, in dem man in der Bibliothek arbeiten könnte.» Ohnehin fände es Bettina Bartl schön, wenn sich die Bibliothek – nach durchgestandener Pandemie – zum Begegnungsort entwickeln würde, an dem man sich gern länger aufhält.Die Bibliothek in St. Margrethen ist das bereits. Dabei kommt ihr vor allem der Standort am Bahnhof zugute, der manch einen wartenden Pendler in die Bücherstube an den riesigen Tisch lockt, an dem vor der Pandemie gut zehn Personen Platz nehmen konnten. Um sich hinzusetzen, muss man kein Mitglied sein – aber Glück haben, dass die Bibliothek geöffnet ist, zumal sich die Öffnungszeiten auch hier meist  auf den Vormittag und den Abend beschränken.Einen als solchen ausgewiesenen Lernplatz hat die ehemalige Bibliothek Reburg in Altstätten bisher im Trauzimmer angeboten. Am neuen Standort der regionalen biblioRii in der Freihof-Passage, die Mitte Februar eröffnen soll, wird es mehrere Tische geben, an denen man sich seinen Unterlagen widmen kann. «Eine ruhige, abgeschiedene Ecke fehlt aber auch dort», sagt Bibliotheksleiterin Manuela Schöbi. Der einzige Ort, an dem man sich im Rheintal wirklich abschotten kann, ist die Mediothek der Kantonsschule Heerbrugg, die während den Unterrichtszeiten geöffnet hat. «Zu uns kommen nebst den Kantischülern durchaus ab und zu Studenten», sagt Mediothekarin Caroline Sieber auf Anfrage. Meistens seien das Ehemalige der KSH. Doch obwohl die Bibliothek öffentlich zugänglich sei, wolle man nicht um externe Besucher werben, die sich zu Lernzwecken zurückziehen möchten. Die Mediothek sei in erster Linie für die eigenen Schüler da, die derzeit coronabedingt ohnehin nur beschränkt Platz fänden. Die Nachfrage ist zu klein für den Ausbau des AngebotsObschon viele Bibliotheken, abgesehen vom Platzmangel, Mankos beheben und etwa Internetzugänge bereitstellen könnten, sehen sie kaum Bedarf. Studentinnen wie Zora würden höchst selten anfragen, manche Bibliothekarinnen haben von solchen Anliegen noch nie gehört. «Letzten Endes bleiben Bibliotheken wie jene in St. Gallen attraktiver für Studenten – nicht zuletzt wegen der gut erreichbaren Lage», bringt es Brigitte Keller auf den Punkt. 

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