09.02.2021

Weltneuheiten aus dem Rheintal

Die Widnauer Berhalter AG investiert Millionen in die Entwicklung komplexer Hightech-Teile. Der Mut wird belohnt.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
«Die Stimmung schwankt zwischen Hoffnung und Frustfaktoren», sagt Geschäftsführer Patrick Berhalter. Er bedauert, dass letztes Jahr wegen Corona wichtige Messen ausfielen. Es wäre die Gelegenheit gewesen, den Stolz der Firma zu zeigen, den Hochleistungsstanzautomaten B6. Während mehr als drei Jahren tüftelten Berhalter-Mitarbeitende in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Ost Buchs am Innovationsprojekt.«Mehrere Weltneuheiten befinden sich in der Maschine, die wir auch zum Patent angemeldet haben», sagt der 52-Jährige, der das Familienunternehmen in dritter Generation führt. Einer der ersten Kunden des neuen Swiss Die-Cutters B6 kommt aus Belgien und produziert im Dreischichtbetrieb Etiketten für Kaffeekapseln.Kunden vertrauen neuer TechnologieFehlt der persönliche Kontakt, wird die Maschine per Websession erklärt. «Ein Kunde aus den USA bestellte zwei Maschinen, ohne sie je vor Ort besichtigt zu haben», sagt Patrick Berhalter. «Die Verhandlungen fanden ausschliesslich digital statt, teils aus dem Homeoffice, teils aus der Werkstatt.» Das zeuge von viel Vertrauen in die neue Technologie. Üblicherweise wird ein Produkt den internationalen Besuchern am Firmenstandort Widnau vorgestellt – mit dem gesamten Innenleben, der Leistung und Robotik.Eine enge digitale Begleitung gewinnt an Bedeutung, auch nach dem Kauf. «In Zukunft wollen wir so weit gehen, dass per Knopfdruck ein Werkzeug-Nachschleifservice ab der Maschine ausgelöst werden kann», erklärt Dalibor Schuman, Geschäftsleitungsmitglied und verantwortlich für das Geschäftsfeld Die-Cutting. Massnahmen zur Fehlerbehebung, beispielsweise im Bereich der Elektronik, sind gang und gäbe. Im Zuge der Digitalisierung eröffnen sich weitergehende Möglichkeiten, auf denen aufgebaut wird.Aufträge für die Luft- und RaumfahrtBeim Gang durch die Produktionsgebäude macht Patrick Berhalter auf eine massive Maschine des Herstellers Starrag, Rorschacherberg, aufmerksam. Sie dient dem Geschäftsfeld Tec- Spiration, der Fertigungstechnik der Berhalter AG, und spielt dort eine bedeutende Rolle. Hinter der grauen Hülle, die einem riesigen Garagentor ähnelt, werden hochfeste Materialien wie Titan, Hastelloy und Inconel für die Luft- und Raumfahrt präzis bearbeitet. Die Maschine ist aufgrund der Fünfachs-Tech-nologie, ihrer Grösse und der Stabilität prädestiniert für die Grossteilfertigung. Die hier hergestellten Produkte bestücken Satelliten, Raketen, Helikopter oder Drohnen. Der Fokus liegt auf hochkomplexen, kubischen Fertigungsteilen im Luftfahrtbereich.[caption_left: Auf dieser Maschine mit ausgeklügeltem Innenleben sollen bald Teile für die neuen Kampfjets der Schweizer Armee entstehen.]Dank diesem Bearbeitungscenter – einer Besonderheit in der Region – rechnet Berhalter sich grosse Chancen aus, bei den Kompensationsgeschäften der neuen Kampfjets für die Schweizer Armee berücksichtigt zu werden. «Zu den Flugzeugherstellern, die beim Bund ihre Offerte einreichten, bestehen persönliche Kontakte», sagt Fredi Hasler, Geschäftsleitungsmitglied und verantwortlich für das Geschäftsfeld Tec-Spiration.Welches der vier Flugzeugmodelle den Zuschlag erhält, ist für die Berhalter AG relevant, doch die Verhandlungen deuten darauf hin, dass bei jedem Modell Möglichkeiten bestehen sollten, Flugzeugteile zu liefern.Solche Aufträge sind mehr als Prestige. Auf die Fertigungstechnik wird ebenso gesetzt wie aufs Stammgeschäft Die-Cutting, der spezialisierten Flachbett-Stanzmaschinen-Systeme.Wachstum im Auge trotz unsicherer Entwicklungen«Wir versuchen Wachstumsstrategien zu fahren, was unter den jetzigen Voraussetzungen definitiv nicht einfach ist», sagt der Geschäftsführer. Auch bei der Berhalter AG sind Mitarbeiter in Kurzarbeit und Covid-Erkrankungen von Entscheidungsträgern seitens der Kunden bremsen Projekte. «Man würde denken, ein Stellvertreter treibt das Projekt weiter. International gesehen ist das aber nicht immer der Fall. Zum Teil haben Kunden Massnahmen in ihren Geschäftsleitungen getroffen, die Verzögerungen mit sich ziehen.»Dadurch entstehe enormer Druck. Viele Geschäfte hingen in der Schwebe, was es erschwere zu budgetieren. «Unsere Strategie zu verfolgen ist nur möglich dank langfristiger Rahmenverträge. Und es wird wichtig sein, Partnerschaften zu bilden, um gemeinsam stark aufzutreten», sagt Patrick Berhalter.Bei den Investitionen erreicht das Unternehmen einen Grenzbereich. «Wir sind vorsichtiger geworden, nachdem wir über Jahre gross investierten.» Ende 2019 und Ende 2020 steckte die Berhalter AG über drei Millionen Franken in den Maschinenbau, in die Entwicklung eine Million Franken. Aufgrund der Produktion in der Schweiz und des hohen Lohnniveaus müsse man Mitbewerbern umso mehr mit Know-how zwei oder gar drei Schritte voraus sein. «Das ist elementar, um zu überleben.»Er sei sehr dankbar gegenüber dem Team, das mit Leidenschaft arbeite, sagt Patrick Ber-halter. Die Firmenvision «Wir verbinden Ideen und Menschen» habe auch in der derzeit schwierigen Lage Bestand. «Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch», sagt er. «Bevor die Chancen nicht gegen null sinken, gibt es Wege zu gestalten.»

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