10.05.2019

Weibliche Realitäten im Scheinwerferlicht

Am Freitag, 3. Mai, referierte die Historikerin und Buchautorin Heidi Witzig zum Thema «Frauen – Leitbilder und Realitäten früher, heute und morgen». Sie bot eine bildhafte Auslegeordnung der gesellschaftlichen Stellung der Frauen in früheren Jahrhunderten bis heute, indem sie die Realität als Bühne und die Sichtweisen gesellschaftlicher Interessengruppen als Scheinwerfer darstellte. So fokussierte sich der Scheinwerfer «Kirche» vor dem 1. und nach dem 2. Weltkrieg auf die Frau als «zweites Geschlecht», das in Zeiten der «Unreinheit» wie Menstruationsphase, Schwangerschaft und Geburt vom kirchlichen Leben ausgeschlossen werden musste. Dies war – und ist wohl auch heute noch – ein Grund, Frauen von führenden Positionen wie dem Priesteramt auszuschliessen. Unter dem Scheinwerfer «Naturwissenschaft» wurde – und wird in konservativen Milieus bis heute – die Frau als «fehlerhaftes Geschlecht» dargestellt. Ihr Verstand sei, so die weit verbreitete Überzeugung, dem Zyklus unterworfen und darum zeitweise ausser Kraft. Diese abstruse Theorie hinterliess jahrzehntelang tiefe Spuren. So wurde den Frauen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts das Stimmrecht verweigert; bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden ledige Frauen unter Vormundschaft gestellt, weil kein Mann auf sie «aufpasste». Das bis in die 1970er-Jahre gültige Eherecht entmündigte die Frauen in vielen Lebensbereichen; die Wohnsitzbestimmung lag allein beim Mann, ebenso der Entscheid, ob die Frau arbeiten dürfe – und der Mann hatte ein gesetzlich verankertes Verfügungsrecht über ihr Geld. Auch Standesunterschiede beeinflussten die Stellung der Frauen. Ab 1850 durften sie im vergleichsweise fortschrittlichen Zürich studieren, auch hier mit absurden Begleiterscheinungen. So durfte die erste Juristin Europas, Emilie Kempin Spirig, nicht Anwältin werden, weil sie als Frau kein Bürgerrecht besass. Auch nach 1968 wurde die Minderwertigkeit der Frau zelebriert, zum Beispiel mit dem Hinweis auf ihr geringeres Hirngewicht. Bis heute herrscht in vielen Bereichen Lohnungleichheit – gerechtfertigt mit nebu­lösen pseudoökonomischen Scheinargumenten. Fazit ist dennoch, dass die Frauenbewegung nach 1968 dazu geführt hat, dass Frauen auf gutem, wenn auch steinigem Weg zur Gleichwertigkeit sind. (pd)

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