10.12.2021

«Weder Dividenden noch überhöhte Boni»

Die Bus Ostschweiz AG soll zu hohe Subventionen bezogen haben. In einer eilig einberufenen Medienkonferenz übten sich die Verantwortlichen am Donnerstag in Schadensbegrenzung. Es seien keine Gelder veruntreut worden, hiess es.

Von Michael Genova
aktualisiert am 02.11.2022
Drei Jahre nach Bekanntwerden der Unregelmässigkeiten bei der Postauto AG hat die Ostschweiz nun ihren eigenen Subventionsskandal. Im Zentrum steht die Bus Ostschweiz AG mit Sitz in Altstätten. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) und die St. Galler Finanzkontrolle werfen ihr vor, Subventionen in der Höhe von 5,5 Millionen Franken zu Unrecht bezogen zu haben. Das Rheintaler Unternehmen soll vollständig abgeschriebene Busse an ein Tochterunternehmen verkauft haben. Dieses vermietete die Fahrzeuge von 2012 bis 2019 zu überhöhten Kosten zurück an die subventionierte Muttergesellschaft.In einer eilig einberufenen Medienkonferenz übten sich die Verantwortlichen am Donnerstag in Schadensbegrenzung. Die frühere Verbuchungspraxis bezeichnen sie zwar als «ungeschickt», Verwaltungsratspräsident Daniel Wild versichert aber gleichzeitig: «Es wurden weder Dividenden noch überhöhte Boni ausbezahlt.» Der Gewinn sei immer wieder vollumfänglich in den öffentlichen Verkehr geflossen. Man habe die Gelder etwa in neue Elektrobusse oder in den Neubau eines Busdepots in Sargans investiert. Von öffentlichen Vorwürfen überrumpeltUnternehmensleitung und Verwaltungsrat der Bus Ostschweiz AG hatten offenbar nicht damit gerechnet, dass die Vorwürfe von BAV und St. Galler Finanzkontrolle bereits jetzt publik würden. Sie betonten denn auch, dass die Bus Ostschweiz AG noch bis zum 17. Dezember Gelegenheit habe, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im August 2020 hatte das St. Galler Volkswirtschaftsdepartement die kantonale Finanzkontrolle beauftragt, eine subventionsrechtliche Prüfung bei der Bus Ostschweiz AG durchzuführen. Aktuell liegt dem Unternehmen ein Entwurf des Prüfungsberichts vor. Verwaltungsratspräsident Daniel Wild unterstrich mehrfach, dass die Bus Ostschweiz AG bereits vor der St. Galler Finanzkontrolle aktiv wurde. Offenbar aufgeschreckt durch den Postautoskandal, überprüfte die Unternehmensgruppe im Jahr 2018 ihre internen Finanzflüsse und Verrechnungen. Dabei habe man Strukturen und Prozesse entdeckt, welche nicht mehr den gängigen Standards entsprochen hätten. VR-Präsident Wild äussert Verständnis dafür, dass das früher praktizierte Modell der internen Fahrzeugverrechnung nun in Frage gestellt werde, sagt aber gleichzeitig: «Bei Bund und Kantonen war dieses Verrechnungsmodell bekannt und nach unserem Eindruck auch akzeptiert.» Dem gegenüber steht die Beurteilung des Bundesamts für Verkehr. In seiner Pressemitteilung schreibt es: «Es steht der Verdacht im Raum, dass dieses Vorgehen gewählt wurde, um das seit 2011 geltende explizite Verbot von Überabschreibungen zu umgehen.»Gängige Praxis oder strafrechtlich relevant? Auf die Frage, ob es sich bei den überhöhten internen Verrechnungen vor 2018 um eine gängige Praxis im öffentlichen Verkehr gehandelt habe, antwortet Unternehmensleiter Roland Ochsner ausweichend. Es gebe offensichtlich andere Fälle, die ähnlich gelagert seien. «Ob es gängige Praxis war, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, weil es vor meiner Zeit als Unternehmensleiter war.» [caption_left: Roland Ochsner, Unternehmensleiter der Bus Ostschweiz AG an der medienkonferenz vom Donnerstag: «Wir haben nicht das Gefühl, dass es strafrechtlich relevant ist.»] Roland Ochsner ist seit 2018 Unternehmensleiter der Bus Ostschweiz AG. Verwaltungsratspräsident Daniel Wild wurde Anfang Jahr in sein Amt gewählt. Zu den nun erhobenen Vorwürfen sagt er: «Die Verantwortung müssen letztlich wir als Gesamtunternehmen tragen.» Sollten die Vorwürfe zutreffen, dass die Subventionen unrechtmässig geflossen sind, dann wolle er sich in aller Form dafür entschuldigen. Noch offen ist allerdings die Frage, ob die mutmassliche Umgehung des Verbots von Überabschreibungen auch strafrechtliche Konsequenzen für die damaligen Verantwortlichen haben könnte. Zurzeit sei seines Wissens noch keine Strafuntersuchung eingeleitet worden, sagt Ochsner und ergänzt: «Wir haben nicht unbedingt das Gefühl, dass es strafrechtlich relevant ist.» Die Vorfälle gingen allerdings auf das Jahr 2011 zurück, man kenne die damaligen Beweggründe nicht. Deshalb könne er diese Frage nicht abschliessend beurteilen. Letztlich müsse das Bundesamt für Verkehr entscheiden, ob es eine Strafuntersuchung geben soll.Ob die früheren Vorgehensweisen für das ÖV-Unternehmen auch finanzielle Folgen haben wird, ist ebenfalls offen. Es geht um 5,5 Millionen Franken zwischen 2012 bis 2019. «Sollte sich herausstellen, dass die Bus Ostschweiz AG zu hohe Subventionen erhalten hat, werden diese selbstverständlich den Bestellern zurückerstattet», sagt VR-Präsident Daniel Wild. Er verweist darauf, dass Unternehmensleitung und Verwaltungsrat die Problematik erkannt und bereits Anpassungen vorgenommen hätten. Dazu gehöre der Wechsel von der Verrechnung von pauschalen Ansätzen für das Mieten von Fahrzeugen, zur Verrechnung der effektiv anfallenden Kosten. Seit 2020 habe es von Seiten der Finanzkontrolle keine Beanstandungen mehr gegeben. Die Bus Ostschweiz AG ist ein Verkehrsunternehmen mit Sitz in Altstätten, das mit den Marken Bus Sarganserland Werdenberg, RTB Rheintal Bus und Wil-Mobil auftritt. Es beschäftigt 210 Mitarbeitende und transportiert jährlich 8,4 Millionen Fahrgäste. Die Aktiengesellschaft ist zum grossen Teil in öffentlicher Hand: 40 Prozent der Anteile hält der Kanton St. Gallen, 40 Prozent die angeschlossenen Gemeinden, weitere 20 Prozent sind im Besitz privater Aktionärinnen und Aktionäre. Im Verwaltungsrat der Bus Ostschweiz AG, dem obersten Aufsichtsorgan, sitzen namhafte St. Galler Politiker. Darunter befinden sich der ehemalige CVP-Nationalrat Thomas Ammann, der Wiler Stadtpräsident Hans Mäder (CVP), Jörg Tanner, Gemeindepräsident von Sargans, und ehemaliger GLP-Kantonsrat sowie der Glarner Ständerat Mathias Zopfi (Grüne). St. Galler FDP fordert Verkauf der ÖV-BeteiligungenIn einer ersten politischen Reaktion äusserte sich die St. Galler FDP am Mittwoch zum Subventionsskandal. Die Partei lobt das beherzte Eingreifen ihres eigenen Regierungsrates. Volkswirtschaftsdirektor Beat Tinner habe «kurz nach Amtsantritt» die Finanzkontrolle des Kantons mit einer subventionsrechtlichen Prüfung beauftragt. Nun gehe es um eine «rasche und lückenlose Abklärung» und darum, dass die allenfalls zu Unrecht bezogenen Steuergelder zurückbezahlt würden. Gleichzeitig nutzt die FDP den Vorfall politisch und fordert einen Verkauf der öffentlichen Beteiligungen an den ÖV-Unternehmen. Die Vorkommnisse hätten gezeigt, dass im Bereich des ÖV eine strikte Trennung zwischen Eigner und Besteller vorzunehmen sei, schreiben die Freisinnigen. Der Kanton St. Gallen sei nicht nur an der Bus Ostschweiz AG, sondern auch an den Appenzeller Bahnen und an der Südostbahn beteiligt. In einer Einfachen Anfrage mit dem Titel «Weniger Staatswirtschaft beim öffentlichen Verkehr» fordert die FDP-Fraktion nun, dass die Regierung die Anteile des Kantons an diesen Unternehmen überprüft. Darin argumentiert die Fraktion unter anderem, dass durch die Doppelrolle des Kantons als Eigentümer und Besteller die Corporate Governance nicht gewährleistet sei und dies zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Die Verantwortlichen der Bus Ostschweiz AG reagieren zurückhaltend auf den politischen Vorstoss. «Wir haben den Kanton St. Gallen gerne als Aktionär», sagt Unternehmensleiter Roland Ochsner. Sollte der Kanton allerdings aufgrund einer neuen Gesamtstrategie nicht mehr Miteigentümer von ÖV-Unternehmen sein, würde eine andere Form genauso gut funktionieren, ist er überzeugt. Ochsner verweist zudem darauf, dass eine gewisse Rollentrennung bereits existiere. So seien Beteiligungen des Kantons im Finanzdepartement des Kantons angesiedelt und nicht im Amt für öffentlichen Verkehr oder im Volkswirtschaftsdepartement.

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