02.04.2021

Warum Baumritzen sinnvoll ist

In Gais und Urnäsch werden viele Bäume geringelt. Das hängt mit dem Mond zusammen – und einem Grossprojekt in Zürich.

Von Eva Wenaweser
aktualisiert am 03.11.2022
Eva WenaweserRuhiger, stabiler, weniger Pilzbefall und eine bessere Qualität: Unter anderem diese Eigenschaften werden dem Mondphasenholz, kurz Mondholz, zugeschrieben. Obwohl nicht alle wissenschaftlich bewiesen sind, setzt Hannes Nägeli von der Nägeli Holzbau AG aus Gais bei seinem neuen Projekt aus diesen Gründen auf das spezielle Holz. Ein Ausflug in den Wald mit Manfred Hutter, Förster von Gais, und Beat Fritsche, Forstingenieur des Kantons Ausserrhoden, zeigt, dass Mondholz nicht eine spezifische Baumart sein muss. «Hier in Gais setzen wir für Konstruktionsbauten hauptsächlich auf Weisstannen und Fichten», sagt Hutter. In einem Wald mit mehrheitlich Laubbäumen können aber auch diese verwendet werden. Hutter erklärt: «Es geht darum, dass die Bäume während einer speziellen Mondphase gefällt werden. Der Mond ist dabei in einer speziellen Phase und unter einem spezifischen Sternzeichen.» Da für das Projekt von Nägeli aber rund 6000 Kubikmeter Holz gebraucht werden und man so viele Bäume schlicht nicht während der speziellen Phasen des Mondes schlagen könne, sei eine spezielle Methode zum Einsatz gekommen: das Ringeln. Zur Einordnung: Pro Baum erhält man etwa zwei Kubikmeter Holz. Es müssen also gut 3000 Bäume gefällt werden. «Die passende Mondphase dauert jeweils ein oder zwei Tage. So viele Bäume in so kurzer Zeit zu fällen, ist schlicht nicht möglich», sagt Hutter. Fritsche ergänzt, dass diese Menge Holz einem Zehntel der Jahresnutzung im ganzen Kanton entspreche. Durch das Ringeln trocknet der Baum stehend ausDas Ringeln ist eine Alternative zum Fällen während der richtigen Mondphase. Der Förster führt aus, dass der Baum dann mit der Krone noch leicht austrocknen könne, bis man ihn fällt. «Der Baum hat mindestens noch einen Monat Zeit, sich zu verabschieden.» Es würde beispielsweise bei der Verarbeitung und beim Aufbau gleichmässiger bleiben. Hutter sagt: «Mit dem Ringeln können wir uns bei der Holzernte auch besser auf die äusseren Einflüsse wie etwa das Wetter einstellen.»Nachdem der Stamm der Bäume geringelt sei, also eine Kerbe einige Zentimeter tief durch das Holz gezogen wurde, könne man sie auch ein paar Monate stehen lassen, bis man sie fällt. Auf diese Weise hätten sie gemäss Hutter zwar einen Mehraufwand, aber sie können sich die Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt besser einteilen. «Während der richtigen Mondphase müssen wir auf diese Weise ‹nur› die Bäume ringeln und in diesen zwei Tagen schafft man schon einige.»Da gerade das Ringeln Neuland für den Forstbetrieb in Gais ist, haben sie sich von einem Fachbetrieb beraten lassen: Holzbau Küng aus Obwalden setzt vollkommen auf Mondholz. Auch mit dem Ringeln hätten sie zahlreiche gute Erfahrungen gemacht. «Küng hat uns eine Liste mit Daten zukommen lassen, an denen die Mondphasen besonders günstig sind», sagt Hutter. So hätten sie bereits im November die ersten Bäume ringeln und mittlerweile fällen können. Für das Mondholz können sie zwischen 10 und 15 Franken mehr pro Kubikmeter verlangen. «Bei dieser Menge Holz lohnt sich das.» Im Aufpreis sei der zusätzliche Arbeitsschritt des Ringelns bereits einberechnet.Laut Fritsche hatten sie seit November diverse Telefonanrufe von besorgten Bürgern, die im Wald die geringelten Bäume entdeckt haben: «Das ist erklärungsbedürftig.» Es sei für Ausserrhoden eine neue Methode, die erst erprobt werden müsse. Das spezielle Holz soll aber nicht nur bei der Verarbeitung Vorteile aufweisen. Es wird vermutet, dass es auch weniger interessant für den Borkenkäfer ist. «Einige der geringelten Bäume lassen wir bis Juni stehen und beobachten dabei den Schädlingsbefall.» Hutter lacht und sagt: «Wenn sie verschont bleiben, dann werden wohl alle unsere zu fällenden Bäume im Vorfeld geringelt.»Da die Lagerung des Holzes aufgrund der kontinuierlich ansteigenden Zahlen des Käferbefalls ein Problem sei und man deswegen manchmal auch eine chemische Rundholzbehandlung einsetzen müsse, wäre das eine willkommene Lösung. Sie machen den Versuch in Gais und Urnäsch, wo ebenfalls Holz für das Projekt von Nägeli bereitgestellt werde. «Wir testen die Methode an zwei Orten, damit ein lokaler Zusammenhang bei Erfolg oder Misserfolg ausgeschlossen werden kann», sagt Hutter. Das geschlagene Mondholz ist für ein Grossprojekt in Meilen gedacht. Dort sollen 14 Mehrfamilienhäuser mit rund 120 Wohneinheiten entstehen. Respekt für den Wald spielt beim Projekt eine grosse RolleDie Ausführung des Holzbaus für das Projekt in der Zürcher Gemeinde macht die Nägeli Holzbau AG aus Gais. Geschäftsführer Hannes Nägeli sagt, dass sie bereits davor mit Mondholz gearbeitet hätten, allerdings nie in einer solchen Dimension. Die Stiftung Burkwil, die Bauherrin der Mehrfamilienhäuser, hätte aber ein Unternehmen gesucht, welches das Projekt ausschliesslich mit Mondholz umsetzt. Bei der Vergabe für die Arbeiten wurde seitens Bauherrschaft zudem darauf Wert gelegt, dass alle Beteiligten auf den respektvollen Umgang mit der Natur achten. Hannes Nägeli sagt: «Ich bin überzeugt, wenn wir die Bäume mit Respekt behandeln, ist der Wald damit einverstanden, uns das Holz zur Verfügung zu stellen.» Die Bäume, die für das Projekt gefällt werden, seien schliesslich zwischen 150 und 200 Jahre alt und haben eine Wertschätzung verdient.Mit dem Ringeln hat Hannes Nägeli bisher ebenfalls keine Erfahrungen gemacht, aber auch er ist der Meinung, dass dadurch der Stress beim Fällen der Bäume vermieden wird und die Ernte mit Ruhe und Achtsamkeit zur Natur erfolgt. Um auch in anderen Belangen die besten Verhältnisse im Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur zu schaffen, wird das Projekt geomantisch begleitet. Die Geomantie arbeitet mit den Kräften der Natur. Durch die Energetisierung und Harmonisierung des verwendeten Holzes sowie der beteiligten Betriebe wird eine optimale Voraussetzung geschaffen für den Wohn und Lebensraum Burkwil. Hannes Nägeli merkt an, dass in der heutigen Zeit bei immer mehr Menschen ein Umdenken stattfindet, bewusster zu leben.

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