09.12.2020

«Wan i mach, da mach i recht»

Wer ist der Mann, der seit zwei Jahrzehnten die Gravag führt – den stark gewachsenen regionalen Gasversorger?

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Sein Name ist Roger Schneider. Obschon Chef eines bedeutenden Unternehmens, bemerkt er lächelnd: «I bi nöd wahnsinnig wiit cho.» Bezogen ist der Satz auf die Distanz zwischen seinem Büro und dem Mehrfamilienhaus, in dem er aufwuchs. Bis seine Eltern, Josef und Hedy Schneider, Mitte der Neunzigerjahre nach Au in ein Einfamilienhaus zügelten, war Roger Schneider an der Industriestrasse 40a zu Hause; seinen Arbeitsplatz hat er an der Industriestrasse 21, kaum einen halben Kilometer entfernt.Vater war jahrzehntelang im Rheinpark tätigDas Gesicht des Vaters ist vielleicht bekannter als dasjenige des Gravag-Chefs. Als 1974 das Einkaufszentrum Rheinpark eröffnet wurde, begann Josef Schneider, ein gelernter Optiker, als Leiter des Migros-Elektrofachmarkts. Im Jahr davor war Roger Schneider zur Welt gekommen, dessen Bruder Marco ein Jahr jünger ist.Der Führungsjob des Vaters war der Grund dafür gewesen, dass die Familie Rüthi verliess und in St. Margrethen heimisch wurde. Mittags war der Vater dank der Nähe seines Arbeitsplatzes stets zu Hause. Auch Roger Schneider schätzt die Möglichkeit, die Mittagszeit mit Frau und Tochter zu verbringen. Mit seiner Gattin Nicole, geborene Steiger, und Tochter Ladina (Jg. 2008) lebt er in einem Einfamilienhaus in Heerbrugg (politisch Widnau).TV-Geräte zerlegt, Bauwesen kennengelerntRoger Schneider hat bei der Bauunternehmung Gautschi die KV-Lehre gemacht. Zwar hatte er schon vorher «ein gewisses technisches Verständnis», Mathe war ihm immer leichtgefallen. Mit dem Vater und dem Bruder durfte er als Kind kaputte Fernseher zerlegen, Kabel anlöten, sich technisches Wissen aneignen. Früh kam Roger Schneider so zu seinem eigenen Gerät.In der Lehre wurde er mit dem Bauwesen vertraut, was der Gravag-Verantwortliche als einen Vorteil erlebte. In der jüngsten Zeit erschloss das Unternehmen mit zwei Tochterfirmen insgesamt acht Gemeinden im Zürcher Oberland und im Raum Winterthur, was 700 neue Kunden brachte. Roger Schneider ist nicht nur Verwaltungratspräsident in beiden Tochterfirmen, sondern auch Verwaltungsrat in vier Beschaffungs- und Transportorganisationen (Erdgas Ostschweiz, Swissgas, Rhy Biogas und Open Energy Platform).Exceltabellen bereiten ihm VergnügenAuch unter Zwang, im Militär, blieb Roger Schneider seinem Grundsatz treu. Der lautet: «Wan i mach, da mach i recht.» Er wurde deshalb nicht nur Unteroffizier, sondern betätigte sich als Fourier.Es zog ihn immer zu den Zahlen hin. Während andere froh sind, möglichst nichts mit Exceltabellen zu tun zu haben, widmet er sich ihnen mit Vergnügen. Somit lag es nahe, der KV-Lehre die Ausbildung zum Buchhalter mit eidg. Fachausweis folgen zu lassen. Das geschah berufsbegleitend, als er schon bei Gravag tätig war, wo er gefördert wurde. Vor der Zeit im Militär hatte er bei einer Gautschi-Tochterfirma ausgeholfen, die ihren Sitz im Gravag-Gebäude hatte. Nach dem Militär bewarb sich Roger Schneider beim Gasversorger – und bekam die Stelle. Er wirkte als Sachbearbeiter und war für die Energieabrechnungen zuständig.Mit 27 Chef der Gravag gewordenNach fünf Jahren bei Gravag bekam Roger Schneider, 27-jährig, den Job als Geschäftsführer angeboten. Er sei leicht erschrocken, sagt er, denn schlagartig sei er sich der grossen Verantwortung bewusst gewesen. Kundenzahl und Umsatz sind seither verdoppelt worden, auf 11000 Kunden und rund 60 Mio. Franken. Statt der damals 15 Mitarbeitenden sind heute 40 für das Unternehmen tätig.Roger Schneider, der bei seinem Start der jüngste Mitarbeiter war, erlebt mit Freude, wie sich andere entwickeln, irgendwann Familie haben, beruflich weiterkommen. Als «typischer Buchhalter» sieht er sich keinesfalls, genauso wenig sei er ein Kontrollfreak. Vielmehr «will er spüren, dass die Richtung stimmt», das reicht. Statt Mitarbeitern und anderen Menschen Misstrauen entgegenzubringen, nimmt Roger Schneider lieber in Kauf, dass er schlimmstenfalls auch mal enttäuscht werden könnte. Den Vertrauensvorschuss, den er selbst genoss, gewährt er gern auch anderen.Er zieht es vor, im Hintergrund zu wirkenZu seinem Sternzeichen Skorpion passt Roger Schneiders bevorzugtes Wirken im Hintergrund. Er sei zwar «überhaupt nicht menschenscheu», doch die Kontakte zu den Kunden hätten eher seine Mitarbeitenden. Er selbst berät Grosskunden und kümmert sich sonst um die Führung des Unternehmens, das früh mit der Digitalisierung begonnen habe und sehr effizient unterwegs sei. Nach Schneiders Einschätzung wird die künftige Rolle des Gasnetzes tendenziell unterschätzt. Mit zunehmender Nutzung verbindender Technologien wird aus den Bezeichnungen Gas- und Strommarkt zunehmend der Energiemarkt. Erdgas, sagt Roger Schneider, werde zunehmend durch erneuerbares Gas ersetzt (also Wind-, Solar- oder Biogas), wobei Wasserstoff an Bedeutung gewinne.In diesem Jahr feierte Roger Schneider ein Dienstjubiläum. Indem er seit einem Vierteljahrhundert bei Gravag arbeitet, eifert er dem Vater nach, der fast sein ganzes Arbeitsleben in den Dienst der Migros stellte und der nun mit seiner Frau das Rentnerdasein geniesst.Generell gern draussen, auch auf dem GolfplatzDer Gravag-Chef liest gern Sachbücher und Biografien. Früher spielte der Klarinettist und Saxofonist in der Jugendmusik St. Margrethen und anschliessend bei den Erwachsenen. Bei der Gravag führte er vor vielen Jahren den Kalender ein, der jedes Jahr von einem Künstler oder einer Künstlerin gestaltet wird.Zu Hause kümmert er sich um den Garten, respektive um das Hochbeet. Lange spielte er im Tennisclub, doch wegen der Gelenke hört er damit auf. Er reist gern, wandert, fährt Ski, ist generell gern draussen und geniesst, als Freund technischer Sportarten, seit einem Jahr die Mitgliedschaft im Golfclub Gams. Dass Anfänger und ambitionierte Spieler gemeinsam ihrem Hobby frönen, schätzt er sehr. Auch auf dem Golfplatz bleibt er seinem Grundsatz treu, indem er stets sein Bestes gibt. Sein Handicap von anfangs 54 hat er schon im ersten Jahr auf 17 reduziert.

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