Jährlich findet auf dem Hockenheimring in Deutschland das Jim Clark Revival statt. Das «Bosch Hockenheim Historic», wie es auch genannt wird, ehrt den Schotten Jim Clark, Formel-1-Weltmeister 1963 und 1965. Er war am 7. April 1968 bei einem eigentlich unbedeutenden Formel-2-Rennen im ersten Lauf des Martini Gold Cups auf dem Hockenheimring tödlich verunglückt. Die traditionelle Veranstaltung im Frühjahr begeistert stets rund 500 Starter und über 20000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Auch dieses Jahr wurde den Fans des historischen Motorsports allerhand geboten.
Als einziger Rheintaler dabei war der Heerbrugger Skoda-Garagist Walter Tanner in seinem Dallara Formel 3. «Es war schon lange mein Traum, in meinem Formel 3 am Jim Clark Revival teilzunehmen. Jedoch war bisher jeweils entweder das Auto nicht bereit oder das Datum passte nicht. Doch dieses Jahr war alles perfekt», sagte der 69-jährige Walter Tanner lachend.
Ein Dallara Formel 3 aus italienischer Edelschmiede
Los ging’s am Freitag. In diversen Feldern waren Wagen aus der DTM (Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft) dabei, aber auch Sportwagen, Formel 2-, Formel 3- und sogar Formel-1-Rennwagen. Diese gehörten früheren Champions, deren Namen den Fans das Wasser in die Augen trieben. Unter den Formel-3-Fahrern war Walter Tanner. Seine Dallara ist angetrieben von einem Fiat-Tipo-Motor 16V mit 2000 ccm. Das Chassis stammt aus der Rennsport-Edelschmiede von Gian Paolo Dallara in der Nähe von Parma (I). Dort baut Dallara seit den 1970er-Jahren erfolgreich Chassis für Indy Cars, Sportwagen, Formel 3-, Formel 2- und Formel-1-Wagen.
Die formschönen Einsitzer wirken in den Proportionen viel filigraner als die klobigen Formel-1-Autos. Amateuren bieten diese Renner durch ihr geringes Gewicht, jede Menge Leistung und enormen Fahrspass. Mit baugleichen Formel-3-Autos gewann auch der spätere siebenfache Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher 1990 die internationale Deutsche Formel-3-Meisterschaft. Dies gelang auch Bernd Schneider, dem erfolgreichsten DTM-Fahrer, 1987. Der ehemalige Sauber-Fahrer Karl Wendlinger holte den Titel 1989 und Jos Verstappen, der «fliegende Holländer» und Vater des amtierenden F1-Weltmeisters Max Verstappen, gewann 1993.
«Walter Tanner hat auch das gepflegteste Auto»
Am Jim Clark Revival fuhren die Formel-3-Fahrer an den drei Tagen einige Demo-Runden. Für Walter Tanner gab es ein schönes Kompliment. Autosport-Experte Paul Jordi – auch bekannt als Nascar-Paul – sagte: «Walter Tanner hat nicht nur das schönste Auto, er hat auch das gepflegteste Auto im ganzen Formel-3-Feld.»
Der gelernte Automechaniker fuhr von 1978 bis 1982 an den Schweizer Meisterschaften. Die ersten Rennen bestritt der Heerbrugger in der Kategorie Super V in einem Royal RP18. Dann startete er in einem GRD (Group Racing Development) in der Formel 3. Die Chassis konstruierte der Winterthurer Jo Marquart in England. Auch seine Söhne Oliver und Angelo fuhren Rennen: der jüngere Angelo im Kart, Oliver in der Formel Arcobaleno. Diese Meisterschaft hat 2000 der Seeländer Neel Jani gewonnen. 2007/08 gewann Jani die A1-GP-WM, 2016 das 24-Stunden-Rennen in Le Mans (F) und die Langstrecken-Weltmeisterschaft. Jani wurde in Rorschach geboren und verbrachte die ersten zwei Lebensjahre in Wienacht-Tobel.
Walter Tanner war ein grosser Fan von Tom Pryce
Auch Walter Tanner war schon als Kind von Autos begeistert. Er lernte den Beruf des Automechanikers und 1976 eröffnete er neben dem Elternhaus in Heerbrugg die Garage Tanner. Besonders angetan hatte es ihm der Formel-1-Fahrer Tom Pryce.
Doch der britische Ausnahmefahrer verunglückte beim dritten Rennen der Saison am 5. März 1977 in Kyalami, Südafrika, tödlich. In Hans Joachim Stucks Windschatten raste er mit 280 km/h auf The Kink zu, eine Bergkuppe mit leichtem Rechtsknick, als vor ihm plötzlich zwei Streckenposten auf der Fahrbahn auftauchten. Sie waren in Richtung seines Shadow-Teamkollegen Renzo Zorzi unterwegs, dessen Motor wegen einer defekten Benzinleitung in Flammen stand. Stuck gelang es, rechts davon vorbeizufahren, Pryces Bolide hingegen erfasste einen Streckenposten, der auf der Stelle tot war.
Fatalerweise flog beim Zusammenprall ein Feuerlöscher ungehindert auf Tom Pryces Kopf zu. Auch der Engländer war sofort tot. Sein Fuss blieb auf dem Gaspedal. Führerlos raste der Bolide die Zielgerade entlang, als Jacques Laffitte zum Überholen ansetzte – ohne zu wissen, dass sein Gegner nicht mehr lebte. Die Autos krachten in der Crowthorne-Kurve ineinander und schlugen in die Streckenbegrenzung ein. Laffitte blieb dabei unverletzt.
Der Liechtensteiner Motoren-Tuner Max Heidegger erzählte von einer Begegnung mit Pryce. Er habe im Royal Formel V gesagt: «Vorne ein Zahn runter, hinten einen rauf – das war die beste Fahrwerkeinstellung». Und Walter Tanner sagte, bevor er seinen Helm aufsetzte: «Tom Pryce war überlegen talentiert. Er war zudem gut aussehend, hatte eine grosse natürliche Begabung und noch eine grössere Fahrzeugbeherrschung. Für die Saison 1978 hatte er bereits einen Lotus-Vorvertrag.» Danach setzte er den Helm auf und fuhr im Gedenken an sein Idol einige Demo-Runden im Dallara Formel 3 auf der ehemaligen Rennstrecke von Hockenheim.