19.07.2019

Waffeln und Most aus dem Ausland

Der Kanton St. Gallen verteilt anlässlich der Fête des Vignerons Proviant an Mitreisende – Regionalität: Fehlanzeige. Jakob Engler aus Balgach reklamierte - jetzt hat es Apfelsaft aus Marbach im Proviantsäckli.

Von Alexandra Pavlovic
aktualisiert am 03.11.2022
Seinen Auftritt an der Fête des Vignerons, am grössten Winzerfest der Schweiz, lässt sich der Kanton St. Gallen 240000 Franken kosten. Akribisch hat er sich darauf vorbereitet, allerdings einem kleinen, aber wichtigen Detail zu wenig Beachtung geschenkt. Die Rede ist von einem grünen Turnbeutel mit Inhalt. Letzterer hat einen aufmerksamen Bürger auf den Plan gerufen: Jakob Engler. Der Balgacher traute seinen Augen nicht, als er den Beutel mit ­den Leckereien erhielt. «Ich dachte, ich sehe nicht recht. Da gibt der Kanton Hunderttausende von Franken aus, und dann erhalten wir eine grüne Tasche mit ausländischen Produkten. Wer hat sich denn so etwas ausgedacht?», sagt der 80-Jährige. Konkret geht es um zwei Packungen Honig-Reiswaffeln, eine Packung Mandeln sowie um einen Apfelsaft. Die Produkte stammen alle von der Marke Alnatura und werden im Ausland hergestellt. Engler, der mit weiteren Rheintalern am Sonntag an den St. Galler Festtag nach Vevey reist, hat wie auch der Rest der Gruppe eine solche Tasche vom St. Galler Organisationsteam erhalten. Bedauern über unechte St. Galler Produkte  Zunächst habe er nichts unternehmen wollen, sagt er weiter. «Aber es liess mir keine Ruhe.» Er habe sich kurzerhand entschlossen, den zuständigen Behörden einen Brief zu schreiben. Darin gratuliert er St. Gallen zur Teilnahme an der Fête des Vignerons und zur Präsentation in den Farben Grün-Weiss. Er drückt dem Kanton aber auch sein Bedauern zu den unechten St. Galler Produkten aus. «Es kann doch nicht sein, dass wir St. Gallen repräsentieren und Produkte aus Darmstadt erhalten. Können Sie sich vorstellen, wie peinlich das wäre, wenn wir diese Beutel an die Besucher abgegeben hätten?» In der Ostschweiz gebe es genügend regionale Produkte, mit welchen der Kanton werben könne. Der Rheintaler betont: «Mein Ziel ist es keineswegs, den Kanton in die Pfanne zu hauen, es soll mehr ein Wachrütteln sein.» Elisabeth Federer ist Projektleiterin für den Kanton St. Gallen an der Fête des Vignerons und damit auch zuständig für den Beutelinhalt. Sie könne Jakob Englers Zweifel verstehen und beschwichtigt: «Es war nicht in unserem Sinne, die Mitreisenden zu verärgern.» Da es eine lange Reise bis nach Vevey sei, wollte das OK jedem, der die Delegation begleite, eine Wegzehrung mitgeben. Daher habe man dem Beutel nebst Pins, Infomaterial und Jasskarten auch noch etwas zu essen und zu trinken beigelegt. Weniger Gedanken habe sie sich jedoch über die Herkunft der Produkte gemacht, wie sie zugibt. «Ich habe bei der Migros Ostschweiz nachgefragt, ob ein Essenssponsoring möglich wäre. Schliesslich haben wir die Alnatura-Produkte erhalten.» Getreu dem Motto «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul» habe sie sich anschliessend nicht mehr über den Ursprung der Produkte erkundigt. So wurden den rund 200 Taschen Waffeln und Most aus dem Ausland beigelegt. Diesen Fauxpas nehme sie auf ihre Kappe, sagt Federer. «Ich muss Herrn Engler dankbar sein. Schliesslich hat er uns auf ein kleines, aber wichtiges Detail hingewiesen: die Regionalität.» Man könne sich nicht als Kanton St. Gallen präsentieren, dann aber ausländische Produkte im Beutel haben.50 Taschen mit regionalem Saft gefüllt Sie habe sich der Sache angenommen und nach Absprache mit Funktionären des Kantons die Waren ausgetauscht. «Dort, wo es zeitlich noch möglich war, haben wir nun keine Al­natura-Produkte mehr drin. Wir ­haben diese durch einen regionalen Apfelsaft aus Marbach ­ersetzt», sagt sie. So etwa die Beutelinhalte der 50 grünen ­Taschen, die an der Fête an die Besucher verteilt werden.

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