Walzenhausen 27.03.2023

Vor 100 Jahren: Turnhallen-Kauf in Österreich erhitzte die Gemüter

1923 erhielt Walzenhausen erstmals eine richtige Turnhalle. Deren Vorgeschichte führte im Gemeinderat zu roten Köpfen. Erbost wurden die Turner für ihr eigenmächtiges Vorgehen gerügt, weil diese den Kauf einer Halle im vorarlbergischen Lustenau planten.

Von Peter Eggenberger
aktualisiert am 27.03.2023

Ab den 1880er Jahren entstanden in den Walzenhauser Ortsteilen Bild, Dorf und Lachen neue Schulhäuser. In deren Untergeschoss erteilten die Lehrer Turnunterricht, und auch die Mitglieder des 1878 gegründeten Turnvereins benützten diese Lokalitäten. Anfang der 1920er Jahre wünschten die Turner eine eigentliche Halle, stiessen aber beim Gemeinderat auf taube Ohren. Deshalb begann die Turnerschaft in Eigenregie Hallenpläne zu wälzen.

Einer Halle aus Lustenau?

Mit grossem Befremden nahm im Januar 1923 der damals elf Mitglieder zählende Gemeinderat vom eigenmächtigen Vorgehen der Turner Kenntnis. Diese befassten sich ernsthaft mit dem Kauf einer ausgedienten Halle im vorarlbergischen Lustenau, die zum Preis von nur 2000 Franken angeboten wurde. Der Gemeinderat lehnte diesen Kauf vehement ab, sah sich nun aber genötigt, selbst aktiv zu werden. Schliesslich einigten sich Rat und Turner auf ein Turnhalle-Projekt, dessen Realisierung 60000 Franken erforderte.

Am Platze der heutigen MZA

In der Folge entstand östlich des Schulhauses im Dorf eine stattliche Turnhalle samt zwei integrierten Arrestlokalen. 1923 war das stolze Bauwerk vollendet, das der Chronist im appenzellischen Jahrbuch folgendermassen würdigte: «Walzenhausen ist um ein Wahrzeichen der Opferwilligkeit der Bevölkerung reicher geworden. Ein stattlicher Neubau flankiert den Schulhausplatz gegen Osten. Es ist die neue Turnhalle, deren Erstellung der Wunsch der Turner und der Schulverantwortlichen war.»

MZA-Neubau zwingt zum Abbruch

Im Frühjahr 1981 hatte die 58-jährige Turnhalle dem Neubau der heutigen Mehrzweckanlage (MZA) zu weichen. Leider musste gleichzeitig auch der prächtige Lindenbaum auf dem Schulplatz gefällt werden. Er war am 28. Oktober 1913 aus Anlass der 400-jährigen Zugehörigkeit von Ausserrhoden zur Eidgenossenschaft gepflanzt worden.


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