Durch das Riet, vorbei an Uferpromenaden, entlang der Bahngleise und ab und zu auch neben 80er-Strecken, und das alles in strömendem Regen – der 15-jährige Tobias Kuster ist vor kurzem von Diepoldsau nach Winterthur gelaufen. 89 Kilometer in 48 Stunden. Mit Wasser in den Schuhen und durchnässter Regenjacke. Er sagt:
Nach 20 Kilometern tun dir die Füsse weh. Nach 40 erst recht.
Aufgeben wollte und konnte der Schüler nicht. Schliesslich musste er pünktlich am Sonntag um 14.15 Uhr im Stadion ankommen. Davon hing mehr ab, als nur den Lieblingsverein, den FC St. Gallen, auswärts zu unterstützen.
Eine fussballbegeisterte Familie
Der Fanmarsch ist die Abschlussarbeit von Tobias, der derzeit die 3. Realstufe in Diepoldsau besucht. Aber anstelle einen Grill zu schweissen oder ein Möbel zu schreinern, wie es viele tun, wollte er etwas Spezielles umsetzen. «Meine Familie hat mich schliesslich auf die Idee gebracht», sagt Tobias. Die ganze Verwandtschaft ist fussballbegeistert und besitzt Saisonkarten des FC St. Gallen. Tobias selbst spielt beim FC Diepoldsau-Schmitter. «Da war es naheliegend, dass meine Arbeit von dieser Sportart handelt», sagt er. Aber so einfach war es nicht.
Die Arbeit sollte eine Herausforderung sein. Deshalb setzte sich der Schüler drei Ziele: 48 Stunden vor dem Spielbeginn durfte er erst in Diepoldsau abmarschieren, die Umsetzung musste mit so wenig Kosten wie möglich verbunden sein und der Weg sollte sicher und schön sein. Check und check. Doch der letzte Punkt fiel der Zeit zum Opfer: «Ich hätte mehrere Kilometer Umweg einlegen müssen», sagt Tobias. Sowieso war es ein happiger Weg. Er sagt im Nachhinein:
Ich habe viel ans Aufgeben gedacht. Die Beine haben geschmerzt, und es ging teilweise nicht vorwärts.
Ein grüner Käse und Pizza aufs Haus
Angetrieben hat ihn die grosse Unterstützung, die er von Freunden und Familie erhielt. Sie begleiteten ihn vom Start nach Widnau, St. Margrethen oder Altenrhein und sogar bis nach Arbon, dem ersten Etappenziel. Seine Mutter Nadine und eine Freundin der Familie begleiteten ihn auch am nächsten Tag von Arbon nach Wängi und am Sonntag nach Winterthur.
Seine FC-Kollegen schickten ihm am Samstag nach dem Match ein Video aus der Umkleidekabine, der FC Diepoldsau-Schmitter dokumentierte seine Reise auf Instagram, und auch der FC St. Gallen repostete seine Story auf Instagram. «Das war ein grosser Ansporn», sagt der 15-Jährige.
Auch eine Pizza im Restaurant bei ihm ums Eck erhielt er aufs Haus. Seine Lehrerin schenkte ihm ein Stück FC-St. Gallen-Käse und Freunde sammelten Geld, damit er sich das Stadionticket und etwas zu Essen kaufen konnte. Auch jetzt, zwei Wochen nach dem Fanmarsch, wird er oft darauf angesprochen, auch in der Fankurve des FC St. Gallen. «Es ist cool, dass so viele an mich geglaubt haben.»
Die Freude hielt zwei Stunden
Unterwegs wollte der Schüler zunächst zelten. Das Wetter hat ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch der Plan, unterwegs in Hotels zu schlafen, wurde gestrichen. «Unsere Kleider waren durchnässt. Die wären nie bis zum nächsten Tag trocken geworden», sagt Tobias. Stattdessen hat der Vater ihn, seine Mutter und die Freundin abgeholt und am nächsten Morgen wieder an den Ausgangspunkt gefahren.
Die Erleichterung war gross, als er das Ziel, das Stadion Schützenwiese in Winterthur, am Sonntag erreichte. Die Freude hielt aber nur zwei Stunden. Der FC Winterthur hat den FC St. Gallen mit 2:1 geschlagen. «Der FCSG hat aber auch nicht gut gespielt», sagt er und lacht.
Welche Note er für seine Projektarbeit erhält, erfährt er erst im Frühling. Gelohnt hat sich der Einsatz für ihn persönlich auf jeden Fall. «Das einmalige Erlebnis bleibt.» Seine Mutter Nadine Kuster ergänzt:
Er hat viel Biss und Durchhaltevermögen gezeigt und das Projekt aus eigener Kraft geschafft. Das ist wichtiger als eine Schulnote.
Dieses Wochenende kommt es im Kybunpark zur Revanche im Ostschweizer Derby St. Gallen – Winterthur. Auch Tobias wird am Spiel dabei sein – aber nicht zu Fuss erscheinen.